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Landschaft im Wandel. Aus den Tagebauen in der Lausitz sollen teils riesige Wasserflächen und touristische Naherholungsgebiete werden. Die Veränderung der gesamten Region soll der Strukturwandelbeauftragte Klaus Freytag begleiten – im Auftrag des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD).

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Der den Wandel begleitet

Klaus Freytag ist der neue Strukturwandelbeauftragte der Landesregierung in der Lausitz Er soll für die Menschen und die Region Veränderungen organisieren

Potsdam - An Klaus Freytags Schlüsselbund baumelt ein blau-weißer „Schalke“- Anhänger. „Ich werde immer Schalke- Fan sein“, erklärt er dazu. Doch eigentlich ist der im Herzen Nordrhein-Westfalens geborene Freytag längst Lausitzer.

Bereits kurz nach der Wende zog Freytag von Köln nach Cottbus, um Leiter des Bergbauamtes Brandenburgs zu werden. Heute soll er als „Beauftragter des Ministerpräsidenten für den Strukturwandel“ den Übergang der Lausitz in ein Zeitalter ohne Braunkohle organisieren. Schon der Titel impliziert, dass Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) der Posten wichtig ist. Was also macht der Strukturwandelbeauftragte Freytag? „Ich koordiniere die verschiedenen Gruppen, die mit Strukturwandel zu tun haben, etwa aus den Bereichen Forschung, Politik und Wirtschaft. Aber natürlich gehört es dazu, dass ich mich um die Leute kümmere, mir ihre Sorgen anhöre. Die fragen sich: Wie finde ich nach dem Kohleausstieg eigentlich einen neuen Job?“

Freytags Büro hat Woidke bewusst in Cottbus eröffnet, nicht in Potsdam. „Bei mir darf jeder klingeln“, sagt Freytag. Es sei eben nicht nur der Kohlekumpel betroffen, sondern etwa auch der Bäcker. Denn wenn das Kraftwerk schließt, kommen die Kohlekumpel morgens auf dem Weg zur Arbeit nicht mehr zum Brötchenessen vorbei.

Freytag, Jahrgang 1960, studierte Bergbau in Aachen und arbeitete nach der Promotion vier Jahre lang beim Kölner Bergbauamt. „Da kannte ich aber irgendwann alles“, erzählt er in einem Konferenzzimmer der Brandenburger Staatskanzlei in Potsdam, wohin er für das Gespräch gekommen ist. In der Innenstadt hat er noch eine „Studentenbude“, wie er sagt, falls die Besprechungen mit Woidke oder Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) mal länger dauern. Und weil es im Rheinland für Freytag irgendwann langweilig wurde, passte es gut, dass das Brandenburger Bergbauamt 1992 einen neuen Abteilungsleiter suchte. Nach erfolgreicher Bewerbung zog Freytag mit seiner Frau nach Cottbus, sein Arbeitsplatz war in Senftenberg. „Wir fanden die Region anfangs ziemlich schräg. Viele Läden hatten noch geschlossen“, erinnert er sich. Regelrecht in Euphorie ausgebrochen seien sie, als das erste Geschäft der „Nordsee“-Kette öffnete. Er habe Cottbus und die Umgebung aber gleich gemocht. Das hält bis heute: Mittlerweile ist Freytag Vater von vier Kindern, die Familie lebt auf einem Bauernhof in Cottbus. Dass Freytag nicht Leiter im Bergbauamt blieb, zog die politische Lage 2015 nach sich. In Berlin rumorte es beim Thema Klimaschutz, so laut, dass sie es bis nach Potsdam hörten. Die Energiewirtschaft sollte ihren Beitrag für die Klimaziele leisten. Zwar wurde die anfängliche „Klimaabgabe“ auf Druck der Energieminister der betroffenen Bundesländer zur bezahlten „Sicherheitsbereitschaft“ für alte Braunkohlekraftwerke. „Doch ab dann war klar, dass sich für die ostdeutsche Braunkohlewirtschaft und auch für die Lausitz viel ändern wird“, so Freytag. In Potsdam schufen sie deshalb eine eigene Abteilung für Energiefragen im Wirtschaftsministerium, deren Leiter Freytag wurde.

Nun ist er für den Strukturwandel zuständig. Ist er überhaupt der Richtige, wenn er doch tiefe, über viele Jahre gewachsene Beziehungen zur Kohlewirtschaft hat? „Ich kenne die Region wie meine Westentasche und die Menschen kennen mich. Das ist wichtig, wenn ich den Wandel organisieren will. Und ich weiß, wie die Energiewirtschaft funktioniert.“ Einen von außen, gar einen Umweltwissenschaftler aus Berlin, hätten die Lausitzer niemals akzeptiert, so Freytag. Mit seiner rheinisch kommunikativen Art könnte er es schaffen, den Dialog mit allen Lagern vor Ort zu führen. Von Kohlekumpels über Kommunen bis hin zu Klimaschützern gibt es die in der Lausitz wie Sand am Meer.

Die Brandenburger Grünen halten Freytag für kompetent, man verstehe sich gut, habe sich schon früher oft ausgetauscht. Dass er regelmäßig um die Gunst der Kohlekumpel wirbt, verzeihen sie ihm. Sie wissen, dass er das tun muss, um bei ihnen Gehör zu finden. Außerdem sei Freytag derzeit in der Sondierungsphase, sagen sie. Er müsse erst herausfinden, welcher Spruch wie bei welchem Lager ankommt.

Klimaschützer wollen massiv früher aus der Kohle aussteigen als 2045, dem Jahr, in dem die Revierpläne des Kraftwerksbetreibers Leag ohnehin enden. Das allerdings hält Freytag für eine wahnsinnige Idee. „Wir haben dann hier große Verluste in der Wertschöpfung und bei den Arbeitsplätzen für einen geringen Klimaschutzeffekt.“ Obendrein habe man in der Lausitz doch effizientere Kraftwerke als etwa in Indien, sagt Freytag. In vielen Teilen der Welt würde doch weiter auf Kohle gesetzt. Solche Themen würden in der Kohlekommission allerdings kaum Beachtung finden. „Da reden immer nur die Klimaschützer und nicht die Industrie.“

Trotzdem: Freytag will den Strukturwandel angehen. Er setzt auch auf die Unternehmen, die schon in der Region sind. Der Chemieriese BASF etwa hat mit Schwarzheide einen Produktionsstandort in der Lausitz. Auch eine große Papierfabrik steht im Industriepark Schwarze Pumpe. Zudem wird die Landesregierung auch den Betreiber der Kohlegruben und Kraftwerke Leag in die Pflicht nehmen. „Zu gegebener Zeit müssen sie neue Geschäftsfelder entwickeln.“ Auch dadurch würden weitere Arbeitsplätze geschaffen.

Nora Marie Zaremba

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