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Brandenburg: „Den nötigen Respekt erarbeiten“

Linda Teuteberg über ihren Verzicht auf eine erneute Landtags-Kandidatur, Unabhängigkeit in der Politik und die Erneuerung der FDP

Frau Teuteberg, Herr Beyer und Herr Büttner, der Parteivorsitzende und der Chef der Landtagsfraktion, haben am Dienstag verkündet, dass sie für die Landtagswahl im kommenden Jahr auf Platz 1 und 2 antreten wollen. Am Samstag wird die Liste aufgestellt, vorher waren Sie Platz 2. Ist für Sie kein Platz mehr?

Ich kandidiere nicht erneut für den Landtag, da ich mich auf die Arbeit im Bundesvorstand der FDP konzentrieren und beruflich neue Herausforderungen annehmen will.

Habe ich das richtig verstanden, Sie wollen die Landespolitik aufgeben?

Ein Mandat ist in der Demokratie immer ein Auftrag auf Zeit. Mein Landtagsmandat umfasst noch knapp ein Jahr und das werde ich auch ausfüllen. Doch es gibt keinen Automatismus, dass man immer wieder kandidiert und das ganze Berufsleben allein aus politischer Tätigkeit besteht.

Man könnte sagen, dass Herr Beyer und Herr Büttner, die mit Ihnen über Kreuz lagen, jetzt gewonnen haben.

Ich entscheide mich für berufliche Unabhängigkeit. Die FDP steht dafür, dass Politiker etwas umsetzen wollen und nicht in der Politik sind, um Geld zu verdienen. Das nicht nur in Sonntagsreden zu verkünden, sondern auch zu leben, finde ich wichtig. Und ich denke, dass weitere und andere berufliche Erfahrungen zu sammeln gerade in meinem noch jungen Alter nur gut und wertvoll sein kann für mein weiteres politisches Engagement.

Sie sind jetzt 32 Jahre alt, was wollen Sie denn jetzt machen, wenn Sie nicht mehr Berufspolitikerin sind?

Das werde ich mir ganz in Ruhe überlegen, da gibt es viele Möglichkeiten.

Sie haben Ihr zweites Staatsexamen gemacht, sind Volljuristin, bleiben Landtagsabgeordnete – und in der Zwischenzeit schauen Sie sich um?

Ich werde den Wählerauftrag bis zum Ende der Legislaturperiode weiter ausfüllen. In meinem Bereich steht beispielsweise der Abschlussbericht der Enquetekommission zum Umgang mit dem Erbe der SED-Diktatur in Brandenburg an. Ich freue mich auf die anstehenden und sicher lebhaften Debatten im Plenum des neuen Landtagsgebäudes.

Gab es ein Angebot von der Landesspitze der Partei an Sie für einen bestimmten Listenplatz?

Nein.

Parteichef Gregor Beyer und Fraktionschef Andreas Büttner haben sich als Team für Platz 1 und 2 vorgestellt und soviel man weiß, kommt der Abgeordnete Hans-Peter Goetz auf Platz 3, zumindest gibt es die Absprache…

Das sind die bekannten Bewerbungen für die Plätze 1, 2 und 3.

Nach allem, was man hört, ist Ihnen – höflich formuliert – ersatzweise angeboten worden, dass Sie in Brandenburg fürs EU-Parlament kandidieren können, das im Frühjahr 2014 gewählt wird. Nehmen Sie das an?

Ich habe mich dafür entschieden, an der Erneuerung der FDP auf Bundesebene mitzuarbeiten und deshalb werde ich auch wieder für den ehrenamtlich arbeitenden Bundesvorstand kandidieren, suche aber nicht nach neuen Mandaten.

Als Sie das letzte Mal für den Bundesvorstand kandidiert haben, hat Sie Wolfgang Kubicki aus Schleswig Holstein unterstützt, Sie hatten keinerlei Unterstützung von Ihrem eigenen Landesverband. Wird das diesmal anders sein?

Ich habe gute Signale erhalten, dass mich der Landesverband diesmal offiziell nominiert. Ich freue mich über jede Art der Unterstützung, insbesondere natürlich auch aus meinem Heimatverband Brandenburg.

Wäre es nicht einfacher, in der Landespolitik zu bleiben, wo die FDP zumindest noch im Landesparlament sitzt, als sich dieser aussichtslosen Aufgabe auf Bundesebene zu widmen?

Mir ist nicht bange darum, dass die FDP in Deutschland gebraucht wird. Die liberale Idee hat weder an Berechtigung noch an Faszination verloren. Wir müssen allerdings einiges dafür tun, dass die Menschen, die wir ansprechen wollen, die freiheitsliebenden und leistungsbereiten Bürger in diesem Land, die FDP wieder als ihren Ansprechpartner wahrnehmen. Es geht darum, dass die FDP wieder respektiert wird und wahrnehmbar ist. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.

Sie sind gut bekannt mit dem neuen Parteichef Christian Lindner und Daniel Bahr, dem Noch-Gesundheitsminster, und haben gute Kontakte auch zu anderen jüngeren Leuten in der FDP. Was muss sich unter der neuen Führung ändern?

Ich glaube, dass wir an unseren klar formulierten Inhalten festhalten sollten, wir brauchen kein neues Programm. Unsere Inhalte erkennbar und glaubwürdig zu vertreten ist vielmehr eine Frage des Auftretens und Handelns.

Frau Teuteberg, die Frage ist doch, an welchen Inhalten die FDP festhalten soll. An den grundliberalen der Rechtsstaatspartei, die man nicht mehr gesehen hat, oder an denen der Steuersenkungs-FDP?

An einem ganzheitlichen Liberalismus. Wir stehen für fairen Wettbewerb, der die Fleißigen und Kreativen belohnt, für den konsequenten Schutz der Privatsphäre und eine Bildungspolitik, die Chancen eröffnet. Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit gehören zusammen und nicht gegeneinander ausgespielt. Auch die Frage, über welchen Anteil ihres selbst verdienten Einkommens die Bürger selbst verfügen können, ist ein Freiheitsthema. Ich halte nichts von Bindestrichliberalismen oder davon, neue Attribute vor den Liberalismus zu setzen. Es geht eher um den Ton, um das Auftreten der FDP. Die Bürger, deren Inhalte wir nach wie vor vertreten, müssen sich auch angesprochen fühlen. Das war nicht der Fall. Mit der Bildung der großen Koalition erkennen viele Menschen, dass es eine Partei geben muss, die nicht so tut, als würde sie den Bürgern etwas gönnen, was diese dann selber bezahlen müssen – nämlich insbesondere alle fleißigen Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen, die Sozialabgaben und Steuern zahlen in diesem Land. Unsere Aufgabe und Herausforderung ist es, die liberale Idee konkret und lebensnah zu erklären. Nur so können wir den nötigen Respekt erarbeiten und neues Vertrauen gewinnen.

Wenn man die Inhalte auf Brandenburg herunterbricht, dann fällt eine Diskrepanz auf: Also Herr Büttner profiliert sich im Landtag mit den von Ihnen angesprochenen Bildungsthemen, aber ihr Parteichef, Herr Beyer, fällt eher dadurch auf, dass er zur Biberjagd bläst, sich also eher um die Freiheit im Wald und auf der Heide kümmert als um marktwirtschaftliche und liberale Grundfragen. Sehen Sie in Brandenburg die Partei richtig aufgestellt, auch thematisch?

Wir müssen noch viel dafür tun, genug gehört zu werden als Stimme der wirtschaftlichen Vernunft, von Rechtsstaatlichkeit, guter Bildung und übrigens auch der richtigen Aufarbeitung der Vergangenheit in Brandenburg und unseres Erbes aus der SED-Diktatur. Alle Abgeordneten haben ihre Themenbereiche, für die sie zuständig sind, und jeder vertritt sie in seinem Bereich so gut, es geht. Mir geht es sehr darum, erst einmal wieder Respekt und Wahrnehmbarkeit für die FDP zu sichern, dass man uns wieder zuhört, weil die Bürger uns wieder ernst nehmen. Unser Einsatz für den Mittelstand in Brandenburg und gegen die vermessene Haltung der öffentlichen Hand, der bessere Unternehmer zu sein, wurde durchaus wahrgenommen.

Herr Beyer kann mit der Aufarbeitung durch die Enquetekommission zum Umgang mit dem DDR-Erbe im Landtag nicht viel anfangen. Er äußert sich regelmäßig eher abfällig dazu im Neuen Deutschland. Sie sitzen in der Kommission und gelten auch als eine Wortführerin für eine kritische Aufarbeitung. Das passt doch alles nicht zusammen.

Ich arbeite als Vertreterin der FDP-Fraktion in dieser Kommission mit und setze mich damit für ein Anliegen ein, das nicht nur mir sehr am Herzen liegt, sondern auch auf einen einstimmigen Beschluss und Antrag der FDP-Fraktion gemeinsam mit den beiden anderen Oppositionsfraktionen zurückgeht. Erst ein aufgeklärter Umgang mit der Vergangenheit und den Erfahrungen der Diktatur lässt uns den Wert von Demokratie, freiheitlichem Rechtsstaat und Marktwirtschaft schätzen. Ich freue mich, dass inzwischen auch der Ministerpräsident die Arbeit der Enquetekommission anerkennt und begrüßt. Rechtfertigungsbedürftig ist das öffentliche Infragestellen von Beschlüssen der Fraktion, nicht deren konstruktive Umsetzung.

Sie gehören dem Potsdamer FDP-Kreisverband an. Die FDP war in der Landeshauptstadt bei den Kommunalwahlen im gerade noch so messbaren Bereich. Auch da gibt es viel zu tun.

Also Potsdam ist natürlich eine Stadt mit vielen Chancen…

…die die FDP alle nicht genutzt hat...

…, die kein Einnahmeproblem hat, in der die Gewerbsteuereinnamen sprudeln und meistens höher sind als prognostiziert. Deshalb wird es von uns auch keine Zustimmung geben für irgendwelche neuen oder höheren Abgaben in Potsdam.

Noch einmal: Die FDP ist in Potsdam fast nicht messbar, von den Ergebnissen her…

In der Stadtverordnetenversammlung sind wir in Fraktionsstärke vertreten, wir haben engagierte Stadtverordnete, die versuchen, unter schwierigen Bedingungen etwas zu bewegen. Das heißt, manchmal auch Schaden abzuwenden. So ist es nach unserer Auffassung nicht Aufgabe der Stadt, einfach neue Abgaben wie die Tourismusabgabe oder Bettensteuer zu erfinden, sondern endlich mit dem Geld auszukommen, das die Stadt hat. Da hat Potsdam innerhalb Brandenburgs auch eine besondere Verantwortung. Schließlich gibt es viele Städte und Kreise, denen es schlechter geht in Brandenburg. Potsdam sollte aus seiner guten Situation etwas machen. Und die FDP steht dafür ein, dass Haushaltskonsolidierung betrieben wird, gerade auch im Interesse der nachfolgenden Generationen. Die FDP hat übrigens z. B. schon in vergangenen Haushaltsberatungen durchgesetzt, dass das drängende Problem des Unterrichtsausfalls, das eigentlich Landesaufgabe ist und vom Land nicht ordentlich gelöst wird, wenigstens in den Auswirkungen gemildert wird durch einen Lehrerersatzpool. Ministerin Münch hat das immer lächerlich gemacht, das durfte ich mir zuletzt im April im Bildungsausschuss des Landtages von ihr anhören. Und nun? Plötzlich kommt da kurz vor der Landtagswahl ein ähnlicher Vorschlag von Regierungschef Dietmar Woidke. Also haben wir schon die richtigen Themen angesprochen, auch wenn wir derzeit nur begrenzte Möglichkeiten haben, dies durchzusetzen. Deshalb wollen wir Liberale weiterwachsen.

Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche von der Parteiführung und unterschiedlichen Leuten ihrer Partei, Sie von Kandidaturen und von vorderen Plätzen abzuhalten, es wurden Gerüchte gestreut, die bis ins Private gingen. Daher die Nachfrage: Wie belastungsfrei ist Ihr Verhältnis zu Herrn Beyer und zu Herrn Büttner?

Dass es Probleme und Differenzen gab und gibt, ist bekannt. Allerdings geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten und ich bin nicht nachtragend. Ich sehe nach vorn und darauf, was ich beitragen kann in dieser historisch schwierigen Situation der FDP. Viele haben es nicht für möglich gehalten, dass es die FDP einmal nicht mehr im Deutschen Bundestag geben könnte. Ich bin aus guten Gründen vor über 15 Jahren in Brandenburg zu den Liberalen gegangen und engagiere mich weiter für die FDP und das ganz unabhängig davon, ob es in einzelnen Fragen Probleme oder Unstimmigkeiten gibt.

Noch einmal, Frau Teuteberg: Wenn man all die Attacken, die Gerüchte, die Debatte um ihre kritische Haltung zum Umgang mit der DDR-Geschichte, die Versuche, Sie von Kandidaturen abzuhalten, und vieles andere zusammenzählt, entsteht doch der Eindruck: Da sagt sich jemand, dass es reicht, dass nun Schluss ist, dass Sie etwas anderes zu tun haben in Ihrem Leben, als sich das noch weiter anzutun in der Landtagsfraktion.

Interessant, wie Sie das wahrnehmen. Ich bin 2009 mit 28 Jahren in diesen Landtag eingezogen aus Überzeugung und glaube, auch einiges bewegt zu haben. Dabei habe ich außergewöhnliche Erfahrungen gemacht. Ich denke, dass es jedem Politiker guttut, sowohl in der Politik als auch im Beruf Erfahrungen zu sammeln. Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft sind sinnvoll und müssen möglich sein. Dafür ist nun der richtige Zeitpunkt, auch für einen neuen Lebensabschnitt. Die FDP steht dafür, Persönlichkeiten zu haben, die sich auch außerhalb der Berufspolitik engagieren. Mein Engagement gilt der Erneuerung der FDP und ihrem Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag.

Das Interview führte Peter Tiede

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