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Demonstration gegen Braunkohle in der Lausitz: „Wir brauchen Visionen für die Lausitz“

Die Berliner CDU-Staatssekretärin Sabine Toepfer-Kataw demonstriert gegen neue Braunkohletagebaue. Im PNN-Interview spricht sie über die Chancen der Energiewende und die Abhängigkeit der Nachbarländer.

Schön, dass wir Sie an den Feiertagen erreichen, Frau Toepfer-Kataw. Sie fahren Sonntag nach Brandenburg und nehmen am traditionellen Sternmarsch gegen neue Braunkohletagebaue teil. Was treibt Sie in die Lausitz?

Es ist doch immer schön für Berliner nach Brandenburg zu fahren. Für mich ist das ein wichtiges Anliegen.

Aber Sie sind als Staatssekretärin bei Senator Heilmann für Justiz und Verbraucherschutz zuständig. Den Zusammenhang mit der Braunkohle müssen Sie uns bitte erklären.

Ich bin auch für Landwirtschaft zuständig. Und da ist Berlin auf Brandenburg angewiesen, nicht nur wegen des Erholungswertes, sondern auch wegen der Möglichkeit der Lebensmittelzulieferung. Regionale Lebensmittel sind sehr stark nachgefragte Produkt, aber Brandenburg kann diese Nachfrage nicht decken.

Aber was hat das jetzt mit der Braunkohle und neuen Tagebauen in Brandenburg zu tun? In Berlin geht es sonst um die bedrohte Trinkwasserversorgung wegen hoher Sulfatwerte in der Spree infolge der Tagebaue.

Brandenburg hat die Chance, Berlin als Lebensmittelmarkt stärker zu bedienen. Deshalb fahre ich in die Lausitz, weil es auch darum geht, dass durch neue Tagebaue wieder neue Flächen für die Landwirtschaft unbrauchbar werden. Und das ist der neue Aspekt, denn ich am Sonntag ansprechen möchte. Dieser Aspekt ist bisher nicht betont worden, dabei ist er für beide Länder von Interesse. Dafür will ich ein Zeichen setzen. Nach der Braunkohle gibt es keine Kulturlandschaft mehr im herkömmlichen Sinn, sondern eine künstliche Landschaft. Da wird es vielleicht ein paar nette neue Badeseen geben, aber dann sind nicht nur Dörfer abgebaggert, sondern es wird dort auch keine landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und damit keine Landwirtschaftsprodukte mehr geben.

Sie vertreten mit ihrem Auftritt auch den Berliner Senat. In Brandenburg ist ihr Besuch beim Sternmarsch bereits als „unfreundlicher Akt“ gegen die herrschende Landespolitik tituliert worden.

Das ist doch kein unfreundlicher Akt, Senator Heilmann ist über meinen Besuch informiert. Ich bin als Staatssekretärin nun mal für Landwirtschaft zuständig. Und bringe mich damit auch in der gemeinsamen Landesplanungskonferenz unserer beiden Länder ein. Nur bewegt hat sich Brandenburg da wenig. Richtig ist auch, dass Berlin und Brandenburg an zwei Punkten grundsätzlich auseinanderliegen: Bei den Sulfatwerten in der Spree und bei den Klimaschutzzielen. Ich will Brandenburg mit meinem Besuch nicht ins Revier pfuschen und zerschlage auch kein Porzellan. Ich will nur daran erinnern, dass mehr daran hängt als die Braunkohle und Arbeitsplätze. Unsere gemeinsame Zukunft hängt daran. Es ist also eher eine diplomatische Mission. Ich rette ja nicht die Welt, sondern zeige mich solidarisch mit den bäuerlichen Betrieben, die ihre Existenzgrundlage verlieren könnten.

Brandenburgs Landesregierung und die Kumpel aber meinen, es geht um 8000 Jobs in der Braunkohle. Und solange Strom aus Erneuerbaren Energien nicht gespeichert werden kann für eine dauerhafte Versorgung, werde der dreckige und extrem klimaschädliche Kohlestrom gebraucht. Da trifft Berliner Idealismus auf märkischen Pragmatismus.

Die Frage ist doch, wie wir die Energiewende schaffen können. Denn nach der Klimakonferenz von Paris ist auch klar, dass die Braunkohle keine Brücken-, sondern eine Ausstiegstechnologie von gestern ist. Die Kraftwerke werden nur noch als Ausweichmöglichkeit vorgehalten, wenn nicht genügend Strom da ist.

Und die Jobs? Brandenburgs Landesregierung und die Gewerkschaften argumentieren: Seit 1990 sei die Lausitz im Strukturwandel, Tausende Jobs gingen verloren, nirgends sonst sei seither so stark der Kohlendioxid-Ausstieg gesenkt worden.

Es geht hier nicht um einen sofortigen Ausstieg und einen Stopp. Aber der Strukturwandel muss langfristig ansetzen. Brandenburg muss damit irgendwann einmal anfangen. Seit 1990 stand Berlin immer vehement an der Seite Brandenburgs, wenn es um die Braunkohle ging. Und Berlin hat sich dazu auch bekannt, immer mit dem Anspruch, dass der Strukturwandel gestaltet werden muss. Das ist jetzt 25 Jahre her. Jetzt kann es keine neuen Tagebaue geben. Man muss sich dem Wandel auch stellen. Braunkohle ist ein auslaufender Energieträger.

Und wie soll die Lausitz überleben?

Wir brauchen eine Vision, wie die Region ohne Braunkohle weitermachen kann. Sicher, in der Lausitz wurde schon viel erreicht und viel gemacht. Aber das ist doch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Klimaziele kann man nicht mit dem Status quo erreichen. Wenn unsere Kinder eine faire Zukunft haben sollen, müssen wir handeln. Es geht nicht um die Frage, dass Kumpel ihre Arbeit verlieren, sondern welche Arbeit es stattdessen für sie geben kann.

Berlin ist mit seinem Anliegen bisher nicht weit gekommen. Das Abgeordnetenhaus ist gegen den neuen Tagebau Welzow-Süd II, doch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller blitzte im September in der Landesplanungskonferenz bei Ministerpräsident Dietmar Woidke ab.

Im Frühjahr ist die nächste Sitzung für die neue Landesplanung. Unsere Einflussmöglichkeit ist gering, aber wir werden einen gemeinsamen Weg finden. Wir sind dabei, den Wandel zu gestalten. Brandenburg und Berlin gehören zusammen, wir sind voneinander abhängig und können nicht ohneeinander.

Wo wir wieder bei den Lebensmitteln wären.

Ja, es geht um Nahversorgung. Aber auch darum, dass die Berliner mal Dörflichkeit erleben und sehen, wie in der Landwirtschaft produziert wird. Das ist den Berlinern total verloren gegangen. Auch die Einschätzung, was frische Produkte und die Arbeit in der Landwirtschaft wert sind.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich.

ZUR PERSON: Sabine Toepfer-Kataw, 52, trat 1981 der CDU bei, war 1991 bis 2001 Mitglied des Abgeordnetenhauses und wurde 2011 Staatssekretärin für Justiz und Verbraucherschutz.

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