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Führungsfigur. Maik Eminger bei einem Aufmarsch im Frühjahr 2015 in Werder (Havel).

© Hardy Krüger

Brandenburg: Dem Ausländer das Leben retteten

Maik Eminger ist eine Führungsfigur in der Neonazi-Szene, weit über Brandenburg hinaus. Doch in seiner Geschichte gibt es einen Bruch

Grabow/Potsdam - Maik Eminger ist so etwas wie ein mustergültiger Neonazi, wenn es denn so etwas geben kann. Der 35-Jährige lebt seit 2005 mit seiner Frau in Grabow, einem kleinen Ortsteil der Gemeinde Mühlenfließ im ländlichen Potsdam-Mittelmark, mitsamt ihren fünf Kindern, sie sollen germanische Namen tragen, eines mit dem dritten sogar Adolf.

Es ist ein altes Haus, abgeschottet von der Außenwelt. Hier werden germanische Bräuche gepflegt, die Sommerwende gefeiert, Hakenkreuz-Plätzchen werden im Hause Eminger gebacken, einen „Elektrojuden“ – einen Fernseher – aber gibt es nicht. So hatte die „Zeit“ einmal in einem ausführlichen Porträt über den Mittdreißiger geschrieben. Es geht völkisch zu auf dem Hof.

Maik Eminger ist nicht irgendwer. Er ist nicht einfach nur der Zwillingsbruder von André Eminger, dem als der Unterstützer des Mörder-Trios NSU derzeit vor dem Münchner Landgericht der Prozess gemacht wird, der als der wichtigste Gehilfe von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gilt. Und den Beamte der GSG9 Ende November 2011, nachdem Mundlos und Böhnhardt starben und Zschäpe sich der Polizei stellte, auf dem Gehöft seines Bruders in Grabow festnahmen.

Maik Eminger, der als der klügere der beiden Brüder gilt, war vielen Neonazis in Brandenburg und Sachsen schon vor Bekanntwerden der NSU-Morde ein Vorbild, und er ist es heute wieder. Sein Führungsanspruch ist sogar stärker geworden. Seine Fähigkeit, die oft in sich zerstrittene rechte Szene zu einen, stellt er seit Monaten mit unzähligen Aufmärschen und einem Zuspruch, von dem die NPD nur noch träumt, unter Beweis. Und mit der Splitterpartei „Der III. Weg“, die sich selbst als Elite der Neonazi-Szene begreift. Eminger ist einer der Hauptredner beim deutschlandweiten Neonazi-Treffen „Tag der deutschen Zukunft“ am heutigen Samstag im nordbrandenburgischen Neuruppin. Denn er ist, so die Einschätzung der Sicherheitsbehörden, eine der Führungsfiguren der Neonazi-Szene – nicht nur in Brandenburg, sondern weit darüber hinaus. Er ist nicht der Schläger, er ist der Ideologe der Bewegung.

Das Aufdecken des NSU aber war ein Bruch in der Neonazi-Karriere von Maik Eminger, zumindest zeitweise. Zuvor war er bei der 2006 verbotenen „Bewegung Neue Ordnung“ und beim „Schutzbund Deutschland“ aktiv, war für mehrere Flugblätter verantwortlich. Er blieb eine Führungsfigur, er konnte Jüngere an sich binden. Das zeigt sich 2008, als er Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten, dem schon militanten Nachwuchs der NPD, in Potsdam wurde. Er führte Schulungen durch, seine Jünger mussten pauken, es ging um Rasse und Volksgemeinschaft. Sein Geld verdient er als wandernder Tatöwierer über Brandenburgs Landesgrenzen hinaus.

Nach dem Bekanntwerden des NSU war es lange ruhig um Eminger. Erst 2014 legte er wieder los – mit illegalen Fackelmärschen, Demonstrationen, Kundgebungen. In seinen Reden hetzt er gegen das System, gegen die Überfremdung. Jeder sei in Zukunft sein erklärter Feind, der „sich nicht als Deutscher zum deutschen Volke“ bekenne. Zudem sei „jeder unweigerlich verloren, der nicht weiß, wo er hingehört“. Und „ein friedliches Zusammenleben verschiedenartiger Rassen und Völker“ könne er sich nicht vorstellen. Er spricht von einer „Überfremdungspolitik des herrschenden Systems“, das „unser Volk in den sicheren Tod führen wird“. Und: „Jahrzehntelang hat das Bürgerliche in uns zugelassen, dass Millionen Fremde in unser Land eindringen konnten. Dadurch stehen wir heute am Rande unserer Existenz.“ Maik Eminger meint es ernst mit der Blut-und-Boden-Ideologie der NSDAP.

Auf einer Internetseite, deren Texte nach Angaben von Sicherheitsbehörden teils von Eminger stammen, heißt es etwa: Das deutsche Volk bestehe „nur noch aus Völker- und Rassenbastarden“. Wie ernst er es meint, zeigt auch ein Telefonat mit seinem Bruder André kurz vor dessen Festnahme. Darin erzählt André, dass seine Frau Susann eine Türkin als Bekannte habe. Maik geht ihn hart an, so etwas sei nicht in Ordnung.

Dass er sich nach der Hausdurchsuchung 2011 im Zuge der NSU-Ermittlungen gegen seinen Bruder zurückzog, erscheint nachvollziehbar. Es gibt da aber noch ein – bislang nicht bekanntes – Ereignis in dieser Zeit bis 2014, als er wieder in Erscheinung trat.

Es war ein schwerer Verkehrsunfall, irgendwo im Brandenburgischen. In der Mitteilung der Polizei aus dem Sommer 2013 heißt es, ein Pkw-Fahrer habe einen parkenden Wagen überholt und stieß mit einem entgegenkommenden Motorrad frontal zusammen. Auf dem Motorrad saß Maik Eminger. „Der Motorradfahrer erlitt schwere Verletzungen und wurde mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus verbracht“, hieß es damals. Was nicht in der Polizeimeldung stand: Der Unfall geschah in einem Dorf direkt vor einem Döner-Imbiss. Die Mitarbeiter, Zuwanderer, Ausländer also, leisteten Erste Hilfe. Man könnte auch sagen, sie retteten Eminger das Leben. Zu ihrem Schutz werden der genaue Ort und die Personen an dieser Stelle nicht näher benannt.

Für Eminger ändert das nichts, für ihn bleiben Ausländer Fremdkörper inmitten der deutschen Volksgemeinschaft. Dabei wäre es interessant zu wissen, was seine braunen Kameraden davon halten, dass Ausländer sein Leben retteten. Aber über den Unfall damals reden will er nicht. Er steht an seiner Haustür in Grabow, hört sich die Frage, was damals war, an, dreht sich weg, sagt nur: „Oh man ey.“ Und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

nbsp;Alexander Fröhlich

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