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Elterntaxis sollten aus Sicht der Experten vermieden werden.

© Marijan Murat/dpa

Dekra-Verkehrsreport: Immer mehr Kinder verunglücken in Brandenburg

Während die Zahl der Verkehrstoten sinkt, steigt die der Verletzten. Das zeigt der aktuelle Dekra-Report für Brandenburg. 

Potsdam - Es sind harte Bilder, die eine harte Realität widerspiegeln: Kinder auf dem Schulweg, die einen in Südafrika, die anderen in Frankreich. Sie laufen über Zebrastreifen, müssen eine Autobahn queren und rennen beim Spielen unüberlegt auf die Fahrbahn. Am Ende passiert ein Unfall. 500 Mal am Tag gibt es so eine Situation mit tödlichem Ende.

Mit solch drastischen Bildern wollen die Dekra-Niederlassungen Potsdam und Oranienburg bei der Vorstellung ihres Verkehrssicherheitsreports auf die Lage der verletzlichsten Gruppe der Verkehrsteilnehmer hinweisen. Ein Kind starb im vergangenen Jahr in Brandenburg bei einem Verkehrsunfall – eines zu viel, meint die Prüforganisation, die seit Jahren jährliche Berichte mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten herausgibt. 2017 hatte Brandenburg die Vision von null Unfalltoten bei den Kindern schon erreicht. Im Gegenzug steigen die Unfall- und Verletztenzahlen seit Jahren allerdings kontinuierlich. 958 Kinder verunfallten 2013, fünf Jahre später waren es 1129.

Die Zahl der Verletzten steigt

Dahinter steckt ein größerer Trend: „Die Schwere der Unfälle nimmt ab, es gibt weniger Tote, dafür geht aber die Zahl der Verletzten hoch“, fasst der Potsdamer Dekra-Niederlassungsleiter Dirk Benndorf die Entwicklung zusammen. Die EU-weite „Vision Zero“ stagniert derzeit, statt des gewünschten linearen Abwärtstrends geht die Kurve seit etwa fünf Jahren eher wieder leicht nach oben – im europäischen wie im deutschen Trend.

In Deutschland verunglückten 2017 insgesamt 89 Prozent weniger Kinder unter 15 Jahren bei Verkehrsunfällen im Vergleich zu 1991. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Verkehrstoten von 11 300 auf 3270. „Durch Gesetzgebung wie das Höchsttempo von 100 Stundenkilometern auf Landstraßen oder die Möglichkeit der Begrenzung auf Tempo 30 in innerstädtischen Gebieten haben wir deutlich weniger tödliche Unfälle“, erklärt Benndorf. „In den letzten Jahren merken wir aber die Folgen des demografischen Wandels: Elektrische Kleinfahrzeuge wie E-Bikes führen zu mehr Unfällen.“ Dazu komme das stetig zunehmende Verkehrsaufkommen bei gleichbleibender Infrastruktur – mehr Autos, Roller, Busse und Fahrräder, aber gleichbleibender Straßenraum sorgen für Gedrängel und Konflikte.

Vor allem auf Alleen passieren fatale Unglücke

Nicht nur bei der Zahl der Verunglückten gibt es in Brandenburg Raum für Verbesserung: Brandenburg belegt Platz zwei in der deutschlandweiten Statistik der Verkehrstoten je eine Million Einwohner. Damit hat sich das Land zwar um einen Platz verbessert, dennoch sind 57 Tote auf eine Million Einwohner eine sehr hohe Zahl im Vergleich zu neun Toten in Bremen. Jens-Peter Schultze von der Dekra-Niederlassung Oranienburg erklärt das schlechte Abschneiden Brandenburgs unter anderem mit den Alleen, auf denen häufig fatale Unfälle passieren. „Wir haben hier schon viel getan, etwa durch Leitplanken und Hinweise auf Gefahrenschwerpunkte.“ Ganz vermeiden lassen würden sich Unfälle dort aber nicht. „Wenn wir nicht komplett auf unsere Alleen verzichten wollen, dann müssen wir uns mit einem Platz auf den hinteren Rängen wohl vorerst abfinden.“

Warum Alleen auch für Fahrradfahrer und Fußgänger gefährlich sein können, zeigte eine der Animationen der Dekra, die auf echten Unfällen basieren: Ein Kind quert eine Allee an deren Ende, tritt aus dem Schatten heraus auf die Fahrbahn. Das heranfahrende Auto kann es wegen der flackernden Wechsel von Licht und Schatten kaum sehen. Als das Auto sich dem Kind nähert, bleibt dieses stehen, will zurückgehen, das Lenkrad verdreht sich und das Auto erfasst das Kind.

"Elterntaxis sollten vermieden werden"

„Kinder bringen noch keinen Erfahrungsschatz mit“, sagt Jens-Peter Schultze. „Sie tasten sich erst an den Straßenverkehr heran.“ Eltern sollten deshalb aber mitnichten ihre Kinder in Watte packen, so die Position der Dekra. Vielmehr sollten sie gemeinsam mit ihren Kindern den Schulweg proben, egal ob zu Fuß, auf dem Rad oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Elterntaxis sollten vermieden werden. Außerdem sollte Verkehrserziehung so früh wie möglich einsetzen. Zudem muss Dirk Benndorf zufolge die Gesetzgebung vorschreiben, dass Notbremssysteme verpflichtend werden.

Michael Jungclaus, verkehrspolitischer Sprecher der brandenburgischen Grünen, pflichtete den Forderungen der Dekra bei: „Es darf nicht sein, dass die Zahl der verunglückten Kinder und Jugendlichen im zweiten Jahr in Folge gestiegen ist“, teilte er mit. Jungclaus fordert die Ausweitung von Tempo-30-Zonen auf Schulwege und die Straßen vor Spielplätzen sowie mehr Radwege.

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