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Stress im Job. Seit Langem klagen Lehrer im Land Brandenburg über eine besonders hohe Arbeitsbelastung. Künftig müssen Pädagogen an Grund- und Oberschulen pro Woche eine Stunde weniger unterrichten. Zudem bekommen sie mehr Geld.

© dpa

Brandenburg: „Das war erst der Einstieg“

In den Verhandlungen mit dem Land haben Brandenburgs Lehrer ein doppelt gutes Ergebnis erzielt – ganz zufrieden sind sie nicht

Von Matthias Matern

Potsdam - Mehr Geld für weniger Arbeit – die Verhandlungen über die Anpassung der Beamtenbesoldung an das Ergebnis für den öffentlichen Dienst haben sich für Brandenburgs Lehrer gleich doppelt bezahlt gemacht. Nicht nur sollen verbeamtete Pädagogen in Brandenburg ab Juli 2,65 Prozent mehr Sold und ein Jahr später einen weiteren Zuschlag um zwei Prozent bekommen. Auch die Zahl der zu absolvierenden Unterrichtsstunden soll reduziert werden. So müssen Grundschullehrer ab dem Schuljahr 2014/15 nur noch 27 statt 28 Pflichtstunden absolvieren und Oberschullehrer nur noch 25 anstatt wie bisher 26. Lehrer ab 60 Jahren können ab sofort ein Stunde weniger unterrichten, wer zudem schon 35 Berufsjahre hinter sich hat, bekommt eine weitere freie Stunde geschenkt. Sowohl die Bildungsgewerkschaft GEW als auch der brandenburgische Pädagogenverband loben das Ergebnis vom vergangenen Freitag, mahnen aber weitere Verbesserungen an.

Erst im vergangenen März konnte wie berichtet für die angestellten Lehrer eine Erhöhung der Vergütung um 5,6 Prozent ausgehandelt werden. Auch wenn die Zielmarke für die Beamten nicht ganz erreicht wurde, ist Günther Fuchs, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Brandenburg, zufrieden: „Ich finde, das ist ein gutes Ergebnis, das entlastet das System, aber es ist noch nicht das Paradies.“ Jedem sei aber klar, dass dies erst der Einstieg gewesen sei. Dass die Landesregierung zugesichert habe, die Zahl der Pflichtstunden bis 2019 nicht wieder anzuheben, bedeute ja nicht zwangsläufig, dass sie nicht weitergesenkt werden können, so Fuchs. „Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen außerdem über die Vertretungsreserve reden müssen und wie wir diese erhöhen können. Drei Prozent reichen nicht aus“, sagt der GEW-Landesvorsitzende. Die jetzt verabredete Arbeitszeitkürzung gilt freilich sowohl für verbeamtete Lehrer als auch für angestellte Pädagogen.

Hartmut Stäker, Präsident des Brandenburgischen Pädagogen-Verbandes, hält das Ergebnis aus Lehrersicht ebenfalls für einen Erfolg, sieht aber weiteren Handlungsbedarf. „Auch die Lehrer in den anderen Schularten müssen noch entlastet werden“, fordert Stäker. Als Beispiel nennt der Verbandspräsident Gymnasiallehrer mit Fächerkombinationen, die eine hohen Korrekturaufwand mit sich bringen, weil dort besonders viele Klassenarbeiten anfallen. Zudem hat Stäker seine Zweifel, ob die durch die Stundenreduzierung beabsichtigte Entlastung der Lehrer überhaupt zu spüren ist. „Es ist zu befürchten, dass die frei gewordenen Stunden genutzt werden, um den Vertretungsbedarf abzudecken.“

Wie groß der Bedarf ist, zeigt wie berichtet eine Statistik des brandenburgischen Bildungsministeriums. Demnach hat der Unterrichtsausfall einen neuen Höchststand erreicht. Rund 660 000 Unterrichtsstunden, etwa jede zehnte im Land, finden nicht regulär nach Plan statt. Der Totalausfall stieg im ersten Halbjahr 2012/2013 auf 130 000 Stunden, fast zwei Prozent, und ist damit so hoch wie nie seit dem Jahr 2007. Planmäßig wurden im Zeitraum lediglich 90,1 Prozent der vorgesehenen Unterrichtsstunden abgehalten – was seit vierzehn Jahren der geringste Wert ist. Hauptursache für die Ausfälle sind Erkrankungen von Lehrern, die zugenommen haben: 6,6 Prozent der Unterrichtsstunden finden deshalb nicht statt. Das ist der höchste Wert seit 2003/2004.

Die GEW führt die „besorgniserregende Entwicklung“ unter anderem auf die hohe Arbeitsbelastung der Lehrer zurück. Bereits bei den Demonstrationen im Vorfeld der Tarifgespräche im öffentlichen Dienst Anfang des Jahres als es auch darum ging, die künftigen Gehälter der rund 4800 angestellten Lehrer des Landes auszuhandeln, standen stets die Arbeitsbedingungen im Fokus. Dass die Lehrer nicht nur mehr Geld bekommen, sondern auch noch weniger arbeiten müssen, will man im Bildungsministerium als Entgegenkommen und Signal verstanden wissen – und als zusätzliche Motivation. „Wir gehen davon aus, dass der Effekt auch in den Schulen zu spüren sein wird“, so Ministeriumssprecher Stephan Breiding – also auch für die Schüler und Eltern.

Angesichts der mit dem Ergbenis verbundenen Mehrkosten für das Land ist eine gewisse Erwartungshaltung verständlich. Zu den ohnehin notwendigen Lehrer-Neueinstellungen – je nach Schätzung zwischen 500 und 800 Stellen – muss die Landesregierung im kommenden Jahr jetzt zusätzlich 400 Pädagogen anstellen. Die Kosten dafür dürften sich auf 19 bis 20 Millionen Euro belaufen.

Dass sich die Lage an den Schulen jetzt entspannt, hofft man auch beim Landeselternrat. „Eine zufriedene Lehrerschaft ist Vorraussetzung dafür, dass sich die Qualität verbessert“, meint Elternratssprecher Wolfgang Seelbach. „Wir erwarten von den Lehrern mehr Differenzierung im Umgang mit Schülern, dass die mit erhöhtem Bedarf stärker gefördert werden. Das Ergebniss der Visitation zeigt, dass da noch viel Luft nach oben ist“, sagt Seelbach.

Zumindest was die Pflichstundenzahl betrifft, standen die brandenburgischen Lehrer im Vergleich zu den Pädagogen anderer Bundesländer bislang gar nicht so schlecht da. Dem GEW-Bundesverband zufolge mussten mit Stand Oktober 2012 etwa Grundschullehrer in Hessen 29 und im Saarland 28,5 Pflichtstunden unterrichten, die meisten Länder kamen ebenfalls auf 28. Lediglich in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen waren es weniger. Der Durchschnittsverdienst in Brandenburg aber lag zuletzt gut zwei Prozent unter dem Bundesmittel. In Hamburg lag er fünf Prozent darüber.

Den Arbeitsaufwand der Lehrer ausschließlich an den Pflichtstunden festzumachen, greift zu kurz. Nach dem Unterricht müssen Arbeiten korrigiert, Elterngespräche geführt und neue Stundenkonzepte erarbeitet werden. Laut Bildungsministerium kommen auf eine Unterrichtsstunde im Schnitt anderthalb Stunden zusätzliche Arbeit. Am Ende lande man wieder bei einer 40-Stundenwoche, so Breiding. „Dieser Job ist wirklich hoch anstrengend.“ (mit thm)

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