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Brandenburg: „Das sind Dinge, die haben einen Hauch von Kuba“

Opposition sieht aktuellen Fall als Beispiel für problematischen Umgang der SPD-geführten Landesregierung mit der Pressefreiheit

Von Matthias Matern

Potsdam - „BER-Eröffnung geplatzt!“ – die Nachricht von der für den 3. Juni 2012 geplante Eröffnung des Flughafens BER in Schönefeld war das Top-Thema des vergangenen Frühjahrs. Kaum ein öffentlicher Termin von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verging, ohne dass der Regierungschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft FBB um Stellungnahme gebeten worden wäre. Am 18. Mai, nur zehn Tage nach Bekanntwerden des Fiaskos, hatte Platzeck wohl die Nase voll: Statt einem RBB-Reporter Rede und Antwort zu stehen, blaffte Platzeck am Rande einer offiziellen Spendenübergabe, er habe zum Thema bereits alles gesagt. Doch gesendet wurde die Sequenz nie – Regierungssprecher Thomas Braune intervenierte erfolgreich bei RBB–Chefredakteur Christoph Singelnstein. Nur ein Fall von vielen, bei denen die SPD-geführte Landesregierung eine zweifelhafte Einstellung zur Pressefreiheit offenbart, kritisiert die Opposition.

„Es reiht sich ein Fall an den anderen“, meint etwa der Fraktionsvorsitzende der FDP, Andreas Büttner. „Die Pressefreiheit ist unser wichtigstes und höchstes Gut.“ Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Marie Luise von Halem, hat grundlegene Zweifel: „Ich habe den Eindruck, dahinter verbirgt sich ein Grundverständnis gegenüber den Medien, wie es in einer Demokratie fehl am Platz ist“, meint von Halem. CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski fühlt sich sogar an die Vorgehensweise diktatorischer Regime erinnert: „Das sind Dinge, die haben einen Hauch von Kuba.“

Revolutionswächter

Den ersten Clinch mit den Medien beschwor Platzeck kurz nach der Regierungsbildung herauf. Wegen der Enthüllung von Stasi-Viten bei Mitgliedern der mitregierenden Partei Die Linke stand die noch junge Landesregierung unter Druck. Auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer im Februar 2010 macht Platzeck seinem Ärger über kritische Berichte Luft: „Wir haben inzwischen eine Schar von Revolutionswächtern, die gehen mir auf den Keks“, schimpfte Platzeck.

Mit Polizei gedroht

In Erklärungsnot gerieten Regierungssprecher Braune und die SPD auch Anfang September 2010. Statt der SPD hatte Braune als Regierungssprecher Journalisten zu einer Hintergrundrunde mit Parteichef Platzeck und SPD-Generalsekretär Klaus Ness über anstehende Sparbeschlüsse und die Diskussionen in der Partei eingeladen. Nicht eingeladen waren die Bild-Zeitung und die Lausitzer Rundschau, der Uckermarkkurier und der Prignitzer. Als der Potsdamer Bild-Korrespondent und ein Journalist, der für die anderen Zeitungen gemeinsam berichtet, im Potsdamer Restaurant „Lehmofen“ erschienen, wurden sie vom Regierungssprecher des Raumes verwiesen. Als beide blieben, um, wie alle anderen Zeitungen und Medien des Landes auch, Informationen zu erhalten, wurde ihnen gedroht, sie von der Polizei des Hauses verweisen zu lassen. Ein Beitrag hierzu gab es durch den RBB nicht. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat der RBB-Chefredakteur im Zusammenhang mit der aktuellen Affäre behauptet, es sei auch nie ein Beitrag geplant gewesen. „Wir haben uns damals gewundert, dass ein Beitrag dazu nicht gesendet wurde. Schließlich habe ich meine O-Töne noch nach dem Schnitt autorisiert“, meint PNN-Chefredakteur Peter Tiede, der als Vorstandsmitglied der Landespressekonferenz Brandenburg (LKP) von einem RBB-Team befragt wurde.

Nur für ausgewählte Journalisten

Heftige Kritik ernteten Platzeck, die Staatskanzlei und Brandenburgs SPD auch Mitte Dezember 2010. Journalistenverbände rügten damals die selektive Einladungspraxis zu einer gemeinsamen Abschiedspressekonferenz mit dem damals gerade erst zurückgetretenen Innenminister und Platzeck-Vertrauten Rainer Speer (SPD). Journalisten der PNN und des Tagesspiegels waren unerwünscht.

Im aktuellen Fall beruft sich Braune auf einen Passus im sogenannten Pressekodex des Deutschen Presserats. Der betreffende RBB-Reporter habe gegen Ziffer 4 des Kodex verstoßen, indem er Platzeck darüber im Unklaren gelassen habe, das die Fernsehkamera laufe, der Journalist habe die Information also unlauter beschafft. Zwar müssten sich Jounalisten grundsätzlich zu erkennen geben, heißt es aber im Kodex, doch seien verdeckte Recherchen im Einzelfall gerechtfertigt. Um eine verdeckte Recherche aber kann es sich wohl kaum gehandelt haben – nach RBB-Angaben soll der für seine BER-Berichte bekannte Reporter auf dem Spendentermin zugunsten der Landesstiftung „Hilfe für Familien in Not“ zuvor eine halbe Stunde mit Platzeck zusammengesessen haben. Matthias Matern

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