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Brandenburg: Das Gift vom Maisfeld

Von Landwirten eingesetzte Pestizide belasten kleinste Gewässer. Die Folgen für Tiere und Pflanzen sind verheerend. Am Ende könnten sie auch Menschen gefährden

Potsdam - Es ist nur ein kleines Fleckchen Erde, mittendrin ein Tümpel, gerade einmal einen halben Hektar groß, 70 mal 70 Meter, gelegen beim Dorf Herzberg, einem Ortsteil der Gemeinde Rietz-Neuendorf im Landkreis Oder-Spree. Der Krollspfuhl ist ein gesetzlich geschützer Biotop und ein Flächennaturdenkmal. Fachleute sprechen von einem Feldsoll, gelegen mitten in einem Maisacker. Doch was Laboranten jetzt in den Wasserproben des Tümpels gefunden haben, ist alarmierend. In keinen anderen von 14 stichprobenartig getesteten Kleinstgewässern wurden so viele Pestizide festgestellt wie hier. Der Grund ist naheliegend: Die Gifte stammen aus der Bewirtschaftung der umliegenden Ackerflächen.

In Auftrag gegeben haben die Testreihe die Umweltorganisation BUND und die Grünen-Landtagsfraktion. Von den 14 im August genommenen Proben in Kleinstgewässern in den Landkreisen Barnim, Uckermark und Oder-Spree seien lediglich zwei nicht belastet gewesen, sagte der BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat am Montag in Potsdam.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der BUND 12 Kleinstgewässer vorwiegend in der Uckermakr beproben lassen. Damals wurden in drei von zwölf Proben keine Pestizide nachgewiesen. Neun verschiedene Substanzen wurden entdeckt.

Die von den Landwirten auf ihren Felden eingesetzten Pestizide gegen Schädlinge, Unkraut und Pilze sind zwar nicht verboten. Und der Einsatz ist eigentlich streng geregelt, auch welcher Abstand zu Wasserflächen und geschützten Biotopen eingehalten werden muss. Pflanzenschutzmittel dürften auch gar nicht eingesetzt werden, wenn sie sich schädlich auf den Naturhaushalt auswirken. Dennoch gelangen die Gifte in die Kleinstgewässer, obwohl sie dort nicht hingehören.

Die Solle sind nicht umsonst streng geschützt. Inmitten der meist monotonen Agrarlandschaft sind sie ein Rückzugsort für seltene Tier- und Pflanzenarten. Nach dem Gesetz ist alles verboten, was das Leben in den Biotopen zerstört oder erheblich beeinträchtigt, dazu gehört auch der „Eintrag von Stoffen“.

Dass die Pestizide dennoch in die Tümpel gelangen, hat nach Ansicht von Kruschat damit zu tun, wie in Brandenburg Landwirtschaft betrieben wird. Es sind meist riesige Flächen, die hier bewirtschaftet werden. Von der Vermaisung Brandenburgs ist schon lange die Rede. Es herrschen Monokulturen vor, die besonders anfällig für Schädlinge und Pilze sind. Daher muss die Chemiekeule eingesetzt werden. Das Problem dabei: Nach einer vom Umweltbundesamt im Jahr 2006 vorgenommenen, aber nie veröffentlichten Studie, hält sich die Hälfte der Landwirte nicht an die Sicherheitsvorschriften beim Einsatz der Pestizide. Auch Axel Kruschat sieht in den Laborergebnissen einen klaren Hinweis, dass die Landwirte nicht „immer sach- und fachgerecht“ damit umgehen. „Der Eintrag von Pestiziden ist ein wesentlich größeres Problem als lange angenommen“, sagte der BUND-Geschäftsführer. Es sei nach dem Zulassungsrecht der EU für Pestizide noch nicht einmal klar, welche Wechselwirkungen diese Stoffe haben – oder ob sie sich sogar gegenseitig verstärken.

Unter den gefundenen Pestiziden sind auch Totalherbizide, die alle Pflanzen vor der Neuaussaat vernichten. Andere Stoffe werden eingesetzt, damit Getreide gerade in weniger guten Jahren kurz vor der Ernte einheitlich braun gefärbt ist. Das verkauft sich besser. Zwar sehen Behörden bislang keine toxische Gefahr für Menschen. Doch unabhängige Studien sehen einige der nun gefundenen Stoffe als krebserregend an. Andere sind giftig für Vögel, Insekten und Regenwürmer. Viele sind Wassergifte, sie wirken auf Amphibien, Fische und sind gefährlich für das Grundwasser.

Der BUND und die Grünen-Fraktion sehen deshalb auch Risiken für Menschen. Bislang war nämlich wenig bekannt darüber, warum große Flüsse wie Elbe und Oder stark pestizidbelastet sind. Ihre Untersuchung der Kleinstgewässer könnte nun erste Hinweise darauf geben. Zwar verfügen Solle über eine wasserdichte Erdschicht, aber die Wasserströme im Erdreich verlaufen auch vertikal. „Irgendwann kommen die Pestizide auch in Vorflutern und Bächen an und damit im Grundwasser und in großen Gewässern“, sagte Kruschat.

Der Umweltverband will die Landwirte nicht an den Pranger stellen, wie Kruschat erklärte. Doch man wolle gemeinsam mit den Bauern nach Lösungen suchen. Noch im vergangenen Jahr jedoch lehnte der Landesbauernverband Gespräche mit dem BUND über „phytomedizinische Mittel“ ab und warf dem Verband „effektheischende Polemik“ vor. Jetzt zeigte sich der Bauernverband offener, kritisiert aber dennoch, dass die 14 Proben nach der Richtlinie für Grundwasser bewertet wurden. Die kleinen Gewässer über einer Sperrschicht aus Ton oder Stein hätten aber keinen Zugang zum Grundwasser. Den Landwirten werde auch Hilfe beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten angeboten, hieß es.

Es wäre also das Land gefragt. Doch das kümmert sich nach Ansicht der Grünen nicht ausreichend um dieses Problem.. „Es werden zu wenige Proben genommen“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Michael Jungclaus. Auch fehlten Grenzwerte für die kleinen Gewässer. Die Landwirte sollten zudem intensiver über die richtige Anwendung der Mittel informiert werden. „Oft könne man mit weniger auskommen“, sagte er. Die Pflicht zu fünf Meter breiten Schutzstreifen an den kleinen Gewässern sei durchzusetzen, damit keine Pestizide hineingelangen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen–Fraktion vom September hatte das Umweltministerium mitgeteilt, das eine pauschale Erweiterung der Kontrollen trotz der alarmierenden Ergebnisse nicht vorgesehen sei.

nbsp;Alexander Fröhlich

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