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Coronakrise in Brandenburg: Das Land macht weiter dicht

Nach Kitas und Schulen werden in Brandenburg auch Geschäfte schließen. Alle Lebensbereiche sind von der Krise betroffen.

Potsdam - Nun sorgt auch in Brandenburg die Coronakrise innerhalb kurzer Zeit für weitreichende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Die Zahl der Infizierten, die im Vergleich zu anderen Bundesländer immer noch gering ist, steigt nun auch hier von Tag zu Tag an und hat bald den dreistelligen Bereich erreicht. Das Krisenmanagement der Landesregierung, der Landkreise und Kommunen, bringt teils drastische Einschränkungen für viele Menschen mit sich. Zu den ab Mittwoch landesweit geschlossenen Kindertagesstätten und Schulen kommt nun auch die Schließung von Spielplätzen sowie Geschäften, die nicht für die lebensnotwendige Versorgung da sind. Das teilte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Potsdam nach einer Sondersitzung des Kabinetts mit. Ein aktueller PNN-Überblick zur aktuellen Corona-Lage in Brandenburg.

ÖFFENTLICHES LEBEN

Das öffentliche Leben in Brandenburg wird wegen der Ausbreitung des Coronavirus weiter drastisch eingeschränkt. Der Betrieb von Gaststätten werde auf die Öffnung zwischen 6 und 18 Uhr begrenzt, sagte Woidke am Montag. Geschäfte sollen schließen. Ausgenommen sind der Lebensmitteleinzelhandel, Wochenmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Tankstellen, Drogerien, Sparkassen und der Großhandel. Auch Lieferdienste sollten nach der Empfehlung weiterarbeiten. „Alles andere ist für den Publikumsverkehr zu schließen“, betonte er. Dies solle am Mittwoch in Kraft treten. Zuvor hatte es eine Telefonkonferenz zwischen der Bundesregierung und den Ländern gegeben, bei der man sich auf dieses bundeseinheitliche Vorgehen verständigt habe. Das Brandenburger Kabinett will dazu eine Rechtsverordnung an diesem Dienstag beschließen.

Leere Cafés. Das öffentliche Leben wird eingeschränkt aufgrund der Coronakrise. 
Leere Cafés. Das öffentliche Leben wird eingeschränkt aufgrund der Coronakrise. 

© Ottmar Winter PNN

Auch Spielplätze dürfen ab Mittwoch landesweit nicht mehr genutzt werden. Es bringe nichts, die Kitas und Schulen zu schließen, wenn sich dann große Gruppen von Kindern und Eltern auf den Spielplätzen treffen würden, so Woidke. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) betonte aber, dass es in Brandenburg keine Ausgangssperre gebe und das zur Zeit auch nicht geplant sei. Sie rate dringend dazu, nach draußen an die frische Luft zu gehen – wenn auch nicht in größeren Gruppen. Ihr Haus habe schon Anrufe von besorgten Hundebesitzern bekommen, die sich fragten, ob sie nun nicht mal mehr mit ihrem Tier Gassigehen dürften. Das sei natürlich möglich, so Nonnemacher.

REGIERUNG

Nun hat auch Brandenburgs Kabinett seinen ersten Quarantäne-Fall: Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU), der ein paar Tage in Tirol zum Skiurlaub war, konnte an der Krisensitzung nicht teilnehmen. Er arbeitet vorsorglich im Homeoffice von zu Haus aus. Das entspricht den Empfehlungen von Bundesgesundheitsministerium und Robert-Koch-Institut für Österreich-Rückkehrer. „Minister Guido Beermann hat dem sofort Folge geleistet“, erklärte die Staatskanzlei. „Der Minister hat nach derzeitigem Stand keinerlei Symptome, es geht ihm gut, er ist voll arbeitsfähig und von zu Hause aus im Einsatz sowie im ständigen Kontakt mit seinem Ministerium.“

Ohne Kinder. Auch Spielplätze sollten nicht mehr in Gruppen besucht werden. 
Ohne Kinder. Auch Spielplätze sollten nicht mehr in Gruppen besucht werden. 

© PNN / Ottmar Winter

PARLAMENT

Es geht um den Souverän, die Volksvertretung, das höchste Gremium im Land. Die Spitzen des Brandenburger Landtags wollen darüber entscheiden, ob und wie die Plenarsitzung und mehrere Fachausschüsse angesichts der Corona-Pandemie noch stattfinden. Das Präsidium werde an diesem Dienstag in einer Sondersitzung darüber beraten, sagte Landtagssprecher Mark Weber am Montag in Potsdam. Der Landtag soll nach bisheriger Planung vom 1. bis 3. April zusammenkommen. Bis dahin sind auch mehrere Landtagsausschüsse vorgesehen. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) hatte erwogen, dass die Plenarsitzung in verkürzter Form zustande kommt und möglicherweise mit mehr Abstand zwischen den Abgeordneten. Es solle darüber nachgedacht werden, ob noch Ausschusssitzungen stattfinden. Die Pressekonferenzen nach den Fraktionssitzungen am Dienstag sollen weiter stattfinden – allerdings wird der Raum vergrößert.

FLUGHÄFEN UND BER-BAUSTELLE

Im neuen BER-Hauptgebäude, in dem ab 31. Oktober 2020 die ersten Passagiere abgefertigt werden sollen, und auch gleich daneben am Zusatzterminal (T2) für Billigairlines wurde am Montag gearbeitet. Auf den Parkplätzen standen Pkw von Baufirmen, aber auch des TÜV Rheinland, der für die Abnahmen zuständig ist. Es habe einige Fälle bei Baufirmen gegeben, dass ausländische Arbeitskräfte etwa aus Tschechien wegen der Lage an den Grenzen nicht angereist sind, hieß es übereinstimmend aus der Flughafengesellschaft (FBB) und dem Landkreis Dahme-Spreewald, dessen Baubehörde für den BER zuständig ist. Einen Baustopp, einen Abzug von Baufirmen wegen Corona – die Gerüchteküche hatte dazu gebrodelt – gebe es aber nicht. Trotzdem hat der Einbruch im Flugverkehr gravierende Auswirkungen auf die wegen des BER schon jetzt tiefrote Zahlen schreibende Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB), weil er neue Löcher in die Kassen reißt. Am Montag beriet in Schönefeld der Finanzausschuss des BER-Aufsichtsrates über das Geld. „Natürlich trifft Corona die Flughäfen. Wir haben erhebliche Verluste bei Passagieren und Flugbewegungen“, sagte Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider den PNN. Eine abschließende Beurteilung der Auswirkungen sei derzeit noch nicht möglich. Am Freitag ist die nächste reguläre Sitzung des 20-köpfigen Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft geplant, wie immer im Verwaltungsgebäude des Flughafens Tegel. Nach Auskunft von Bretschneider soll sie, das war der Stand am Montag, stattfinden, womöglich mit zugeschalteten Teilnehmern über Telefon- oder Videokonferenzen. Der Raum in Tegel ist nicht so groß. Und es gelten in Berlin ja inzwischen strenge Abstandsvorgaben bei solchen Anlässen.

Das brandenburgische Parlament.
Das brandenburgische Parlament.

© Monika Skolimowska/dpa

WIRTSCHAFT

Seit dem Wochenende ist die deutsch-polnische Grenze zu, darf man nur noch in Ausnahmefällen nach Polen einreisen. „Der Warenverkehr ist davon aber nicht betroffen und auch nicht der kleine Grenzverkehr, also die Berufspendler“, betonte Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) am Montag gegenüber den PNN. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise werden trotzdem auch in Brandenburg mit jedem Tag spürbarer. Unmittelbar betroffen sind bereits Hotellerie, Gastronomie und Veranstalter. Bei kleinen und mittleren Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern wachsen existenzielle Sorgen, die das von Jörg Steinbach (SPD) geführte Wirtschaftsministerium sehr ernst nimmt. Die CDU-Politiker Frank Bommert und Saskia Ludwig verwiesen am Montag auf das umfangreiche Hilfsprogramm der Bundesregierung, mit Liquiditätshilfen, Steuererleichterung und dem Kurzarbeitergeld. „Wir begrüßen es, dass die Landesregierung diese Maßnahmen zügig umsetzt und mit der Anpassung des Konsolidierungs- und Standortsicherungsprogramms (KoSta) erste, eigene Schritte auf den Weg bringt“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Landtagsabgeordneten. 

Tarifverhandlungen verschoben

Kurzfristig abgesagt wurde die diesjährige Tarifrunde für die rund 100.000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, die am Montag beginnen sollte. Die Gesundheit stehe an erster Stelle, betonten IG Metall und Arbeitgeberseite einvernehmlich. Die Verhandlung werde nachgeholt, dafür gibt es aber noch keinen Termin. Im Osten hatte die Gewerkschaft als oberstes Ziel dieser Tarifrunde den Einstieg in die 35-Stunden-Woche ausgegeben. Die Arbeitgeber hatten darauf zurückhaltend reagiert und vor Kostenbelastungen gewarnt.

Die geschlossenen Grenzen zwischen Polen und Deutschland beeinträchtigen die Wirtschaft.
Die geschlossenen Grenzen zwischen Polen und Deutschland beeinträchtigen die Wirtschaft.

© Sebastian Gabsch PNN

VERKEHR

Auf den Straßen und Schienen in Brandenburg rollt der Verkehr, so sah es jedenfalls am Montag noch aus, in weiten Teilen des Landes wie in normalen Zeiten weiter. Ausnahme ist die Landeshauptstadt Potsdam, deren Verkehrsbetrieb (VIP) auf den Ferienfahrplan umstellt. Im Nachbarlandkreis Potsdam-Mittelmark teilte der Verkehrsbetrieb regiobus mit, dass der Fahrplan weiter „ohne Reduzierung“ gefahren wird. Doch es wird für Regionalzüge in Berlin und Brandenburg ein Notfahrplan vorbereitet, teilten die Länder und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) am Montag mit. Wann er in Kraft gesetzt wird, ist aber noch offen. Der Verkehr laufe bis auf weiteres wie geplant, hieß es. Nur von und nach Polen fahren keine Züge mehr. „Sollte es zu weiteren Einschränkungen kommen, werden wir zeitnah darüber informieren.“ Der Verkehrsverbund ist dafür zuständig, im Auftrag der Länder und Kommunen Zugverkehr zu bestellen, etwa bei der Deutschen Bahn oder der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (Odeg). Die Deutsche Bahn teilte am Montag mit, der Zugverkehr laufe stabil. Ähnlich hatte die Odeg am Sonntag erklärt, die Züge führen unverändert. Kurzfristige Einschränkungen in den kommenden Tagen seien aber nicht auszuschließen. Brandenburgs Infrastrukturminister Beermann sagte zur Brandenburger Verkehrslage den PNN: „Wir fahren auf Sicht.“

POLIZEI

Bislang ist die Brandenburger Polizei, anders als die Berliner, von Coronafällen und damit zusammenhängender Quarantäne von vielen Beamten verschont geblieben. Es habe in den vergangenen Woche vereinzelte Prüffälle auf Coronaverdacht auch bei Beamten des Präsidiums geben, teilt der Sprecher des Landespolizeipräsidiums in Potsdam, Torsten Herbst, auf PNN-Anfrage mit. „In der Mehrzahl der Fälle gab es zuvor im privaten Bereich Kontakte zu Verdachtsfällen oder Beamte sind aus sogenannten Krisengebieten zurückgekehrt“, so Herbst. Zum jetzigen Zeitpunkt liege im Polizeipräsidium aber kein bestätigter Corona-Verdachtsfall vor. Die Brandenburger Polizei sieht sich insgesamt für die Coronakrise gerüstet, wie der Sprecher des Landespolizeipräsidiums in Potsdam, Torsten Herbst, auf Anfrage erklärt. Grundsätzlich sei das Coronavirus zwar neu, „aber der Umgang mit Epidemien ist für die Polizei nicht neu“, so Herbst. Insofern existierten in der Polizei schon seit vielen Jahre vorbereitete Pläne, die in solchen Fällen greifen – auch bei einem neuartigen Virus. Verhaltensregeln im Umgang mit der Coronavirus-Infektion seien bereits vor Wochen an die Beamten kommuniziert worden. 

Polizei mit Infektionsschutzsets

Die Schutzausrüstung der Polizei sei zur Zeit ausreichend vorhanden. Alle Streifenwagen seien mit sogenannten Infektionsschutzsets ausgestattet. Darüber hinaus seien bereits vor Wochen zusätzliche Atemschutzmasken sowie Schutzanzüge beschafft worden. „Auch Einweghandschuhe und Desinfektionsmittel wurden zusätzlich beschafft uns sind aktuell ausreichend vorhanden“, so Herbst. Eine Koordinierungsstelle im Polizeipräsidium sammelt, bewertet, steuert und koordiniert sämtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Bei entsprechendem Bedarf unterstütze die Polizei die Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen der Amts- und Vollzugshilfe. Dazu sind sämtliche Informationsbeziehungen zu den Gesundheitsämtern bereits seit Tagen etabliert. Denkbar wären auf Anforderung der zuständigen Stellen etwa Verkehrs- und Absperrmaßnahmen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz des Rettungswesens, die Durchführung von Lautsprecherdurchsagen oder aber auch die zwangsweise Durchsetzung von gesundheitsbehördlichen Verfügungen im Rahmen der Vollzugshilfe, teilt das Polizeipräsidium mit.

Die Regionalzüge in Brandenburg sollen vorerst nach normalem Fahrplan weiterfahren.
Die Regionalzüge in Brandenburg sollen vorerst nach normalem Fahrplan weiterfahren.

© PNN / Ottmar Winter

BILDUNG

Die ab Mittwoch geltenden Schulschließung führt nach Ansicht der Lehrer zu einigen Komplikationen. Die Schüler, die schon an diesem Montag zuhause geblieben seien, hätten die Information nicht, wie sie weiter an Stoff für Fernunterricht kämen und wie die E-Mail-Ketten aufgebaut würden, sagte der Präsident des Brandenburgischen Pädagogen-Verbands, Hartmut Stäker, am Montag. Außerdem würden noch Klassenarbeiten geschrieben. Er sieht auch für Abiturienten ein Problem: „Wenn sich das fortsetzt bis zum Ende des Schuljahres, fehlen Noten. Dann werden sie nicht zum Abitur zugelassen.“

Unterdessen gibt es auch im Wissenschaftsbereich weitere Einschränkungen, wie Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) am Montag mitteilte. So sind alle Hochschul-Bibliotheken geschlossen. Die Bücherausleihe ist an den meisten Hochschulen nicht mehr möglich. Die Online-Angebote der Bibliotheken sind aber weiterhin nutzbar. Alle von den Studentenwerken Potsdam und Frankfurt (Oder) betriebenen Mensen und Cafeterien sind spätestens ab Dienstag voraussichtlich zum 20. April geschlossen.

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