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Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) verteidigte die Beschränkungen im Landtag.

© Soeren Stache/dpa

Corona-Sondersitzung des Brandenburger Landtags: Regierung sieht keinen Grund zur Entwarnung

Im Landtag wurde am Mittwoch über die neuen Corona-Beschränkungen gestritten. Für einen - geplanten - Eklat sorgte die AfD.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht im Kampf gegen die Corona-Pandemie keinen Grund zur Entwarnung. „Die Infektionszahlen sind weiter zu hoch, und das Ziel, diese Zahlen zu senken, wurde leider nicht erreicht“, sagte Woidke am Donnerstag in einer Sondersitzung des Brandenburger Landtags. „In all den Beratungen der Länderchefs mit dem Bund eint uns gemeinsam ein ganz klarer Wille: Wir müssen die Pandemie zurückdrängen, wir müssen die Pandemie beherrschbar halten“, sagte Woidke. „Wir haben Maßnahmen getroffen, und diese Maßnahmen haben Wirkung gezeigt: Wir konnten es verhindern, dass es einen weiteren exponentiellen Anstieg gegeben hat.“ Woidke erklärte, „bei bestmöglichem Verlauf“ könne schon Mitte Dezember mit Impfstoffen gerechnet werden. Diese seien entscheidend, um künftig mit weniger oder ganz ohne Kontaktbeschränkungen auskommen zu können. „Bis es aber so weit ist, müssen wir weiter wachsam und geduldig sein“, sagte Woidke. Die Zahl schwerer Verläufe habe deutlich zugenommen. Immer mehr Betten seien belegt, immer mehr Beatmungsgeräte würden gebraucht. „Es sterben wieder mehr Menschen mit oder an der Corona-Infektion“, sagte Woidke. „Diesen Trend müssen wir drehen: Es geht hier um die Rettung von Menschenleben.“

AfD verlässt den Saal

Die Sondersitzung des Landtags vor dem am heutigen Freitag geplanten Beschluss des Landeskabinetts über eine neue Corona-Verordnung hatten sämtliche Fraktionen außer der AfD beantragt – letztere hatte am Montag einen eigenen Antrag eingereicht, und eine Sitzung schon vor der Videokonferenz der Ministerpräsidenten der Länder mit der Kanzlerin gefordert. Am Donnerstag sorgte die AfD im Landtag dann für einen Eklat: Während die Abgeordneten hellblaue Schilder mit dem Wort „Scheindebatte“ in die Luft hielten, erklärte Fraktionschef Hans-Christoph Berndt, „ein Zeichen setzen“ zu wollen. Anschließend verließ die ganze Fraktion den Saal. Zuvor hatte Berndt nach dem Sinn der Sondersitzung gefragt. Die AfD habe eine Sitzung vor der Videokonferenz gefordert, um der Landesregierung Aufträge dafür mit auf den Weg zu geben. Die Reihenfolge, erst Beschlüsse der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten der Länder abzuwarten, sei in Wirklichkeit „ein Kotau vor der Exekutive“, so Berndt, der den Landtag zudem mit der DDR-Volkskammer und einem „FDJ-Parlament“ verglich. Für das Zeigen der Schilder erhielten die Abgeordneten Dennis Hohloch und Lars Günther einen Ordnungsruf der Präsidentin.

Empörung bei den anderen Fraktionen

Die übrigen Fraktionen reagierten auf den Auftritt der AfD empört. Vor dem Erlass der Landesverordnung eine Debatte durchzuführen, sei ein hohes Gut, sagte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Péter Vida. Man brauche „Gesundheitsschutz so viel wie möglich, Beschränkungen nur soweit wie nötig.“ In einem Antrag setzten sich BVB/Freie Wähler für eine Wiedereröffnung von Gaststätten und Kultureinrichtungen ein. Ihre Schließungen führten dazu, dass es mehr Begegnungen im Privaten gebe. Katrin Dannenberg (Linke) erinnerte daran, dass auch die NSDAP Anfang 1933 den Reichstag verlassen hat, weil sie ihren Willen nicht bekommen habe. „Die AfD steht in der Tradition der NSDAP und ist eine Gefahr für die Demokratie.“ Inhaltlich sprach sich Dannenberg vor allem für andere Maßnahmen an den Schulen aus – etwa die Anschaffung von Luftfiltern, eine stärkere Entlastung des Schülerverkehrs und Antigen-Schnelltests, die unabhängig von den Infektionen in den Schulen durchgeführt werden sollten. 

Grüne für Feuerwerksverbot in Brandenburg

Doch auch aus den Reihen der Koalition gab es Wünsche an die Landesregierung. So setzte sich der Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke entsprechend einem Beschluss des Parteirats seiner Partei für ein komplettes Feuerwerksverbot in Brandenburg ein. Damit wolle man die Krankenhäuser von den an Silvester zu erwartenden Feuerwerksopfern entlasten, sagte Raschke. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag, Björn Lüttmann (SPD), sprach sich in seiner Rede für eine Öffnung der Außenbereiche von Tier- und Freizeitparks aus. Insgesamt sei es „wichtig und richtig, dass die Corona-Maßnahmen immer wieder abgewogen werden“, sagte Lüttmann. Er setze dabei stark auf das geplante Parlaments-Beteiligungsgesetz. „Ich glaube, mit einer stärkeren Beteiligung des Parlaments stärken wir auch das Vertrauen der Menschen in die Politik.“

Nonnemacher: Weitere Maßnahmen "unerlässlich"

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) verwies darauf, dass Brandenburg einen landesweiten Inzidenzwert von 130 pro 100.000 Einwohnern hat. „Brandenburg nähert sich den bundesweiten Durchschnittsinzidenzen von unten“, sagte Nonnemacher. Sachsen stelle landesweit einen Hotspot dar. „Die neuen Hochburgen heißen Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Cottbus.“ Große Sorge bereite ihr, dass das Infektionsgeschehen auch in die Gruppe der vulnerablen Alten eingebrochen sei. „Es ist eine Illusion, in einer offenen Gesellschaft einzelne Gruppen konsequent schützen zu können“, sagte Nonnemacher. „Das generelle Zurückfahren des Infektionsgeschehens schützt uns alle.“ Stringentere Maßnahmen und eine Ausweitung der Maßnahmen seien unerlässlich. Als „Silberstreifen am Horizont“ bezeichnete Nonnemacher allerdings die Aussicht von Impfstoffen. Mehrere Impfstoffe stünden unmittelbar vor der Zulassung. „Millionen Menschen in der Pandemie ein Impfangebot zu machen, ist eine logistische Herausforderung, die wir so noch nie hatten“, sagte Nonnemacher. Sie sei sehr dankbar, dass der Haushaltsausschuss des Landtags 289 Millionen Euro für die Impfstrategie beschlossen habe. Die Landesregierung werde sich mit aller Kraft für eine transparente und informative Information der Brandenburger einsetzen. „Wir müssen die Brandenburger von der Sinnhaftigkeit der Impfung überzeugen“, sagte Nonnemacher. Trotz der Beschleunigung hätten alle Impfstoffe die nötigen Verfahren absolviert und dabei nur wenige Nebenwirkungen gezeigt. „Ein Impfstoff bietet die Möglichkeit, über die angestrebte Herdenimmunität die Pandemie zu besiegen und einem normalen Leben zurückzukehren“, sagte Nonnemacher. „Das Licht am Ende des Tunnels ist sichtbar.“

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