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Chaos in der CDU: Aufstand gegen Senftleben

Gegner proben vor den Sondierungsgesprächen den Aufstand gegen CDU-Parteichef Ingo Senftleben.

Potsdam - Kurz vor den Sondierungsgesprächen über eine neue Regierung im Land Brandenburg stürzt die CDU in einen innerparteilichen Machtkampf. In der konstituierenden Sitzung der neuen Landtagsfraktion kam es am Dienstag zum offenen Aufstand gegen Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben, der als Verhandlungsführer das sechsköpfige CDU-Team für die Sondierungen anführt, die die SPD als Wahlsieger am Donnerstag beginnt. Zuerst will SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der ein Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen anpeilt, mit der Union sondieren. Grundsätzlich hat Woidke bereits als ein Kriterium formuliert, dass für eine stabile Regierung, die Brandenburg brauche, auch innere Stabilität der beteiligten Partner nötig sei. Doch in der CDU gerät Senftleben weiter unter Druck.

Nachdem es schon seit dem Wahlabend einzelne Rücktrittsforderungen gegen Senftleben gab, der für das verheerende Abschneiden der Union bei der Landtagswahl verantwortlich gemacht wird, rumort es nun in der auf 15 Abgeordnete geschrumpften Fraktion. Die Union hatte mit 15,6 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1990 eingefahren.

Kampdkandidatur von Frank Bommert

In der konstituierenden Sitzung versuchten Senftleben-Gegner um die frühere Landesvorsitzende Saskia Ludwig, die zur konservativen Werte-Union gehört und Kreischefin in Potsdam-Mittelmark ist, die sofortige Wahl eines Fraktionsvorsitzenden durchzusetzen. Und zwar für eine Kampfkandidatur des Abgeordneten Frank Bommert, Kreischef in Oberhavel, der gegen Senftleben für den Vorsitz antreten wollte. „Ich hätte mich der Frage gestellt, ich stand bereit“, sagte Bommert. „Dazu ist es nicht gekommen. Nun werden wir sehen, was in zwei Wochen passiert.“ Er wiederholte seine Forderung, dass Senftleben zurücktreten sollte.

Um die Sondierungen nicht zu belasten, hatte sich die CDU-Spitze am Vorabend im Landesvorstand darauf verständigt, die Wahl des Fraktionsvorsitzenden zu vertagen und erst später vornehmen zu lassen. Er habe dieses Angebot gemacht, sagte Senftleben. „Ich habe gesagt: Ich muss einen Beitrag leisten, Brücken zu bauen, sowohl in der Gesellschaft als auch in der CDU.“ Zwar scheiterte der Aufstand, eine Sofortwahl zu erzwingen, mit sechs Ja-Stimmen gegen neun Nein-Stimmen. Doch das Abstimmungsergebnis ist ein Indiz für die Kräfteverhältnisse und Unwägbarkeiten in der Fraktion. Eine Kenia-Koalition hätte eine Mehrheit von fünf Stimmen im Landtag.

Saskia Ludwig fordert Rücktritt

Wie tief die Gräben sind, offenbarte diese Szene: Ludwig, Bommert sowie die Abgeordneten Björn Lakemacher und André Schaller verfolgten bereits als Gäste in den Zuschauerreihen den Auftritt Senftlebens in der Pressekonferenz nach der Fraktionssitzung im Landtag. Als die vorbei war, stellten sich seine Gegner selbst den Fragen der Journalisten. Eine davon: Ist es Ihnen wichtiger, Herrn Senftleben loszuwerden, als eine Regierungsbeteiligung der CDU zu erreichen? „Ganz im Gegenteil“, antwortete Ludwig – und legte mit einer Rücktrittsforderung nach. „Um eine vernünftige Sondierung und auch stabile Koalitionsverhandlungen führen zu können, müssen wir mit einem glaubwürdigen und starken Verhandlungsführer in diese Verhandlungen gehen.“ Das sei Senftleben mit dem Wahlergebnis nicht. „Er hatte am 1. September die Möglichkeit, ehrenvoll die Verantwortung zu übernehmen.“ 

Ludwig fürchtet, Senftleben könnte untergebuttert werden

Es sei einmalig in Deutschland, kritisierte Ludwig, dass zu einer konstituierenden Fraktionssitzung keine Vorstandswahl durchgeführt werde. Das sei mehrheitlich entschieden worden: „Aber sechs Stimmen haben klar gesagt: Wir möchten diese Wahlen, das ist Usus.“ Außerdem äußerte Ludwig die Befürchtung, dass die CDU mit Senftleben als Verhandlungsführer in Sondierungen oder Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen untergebuttert würde. „Die Grünen haben rote Linien definiert, die SPD strotzt vor Kraft, die CDU sollte das auch deutlich machen und zwar mit jemandem, der aus der Stärke heraus, auch aus dem Landesverband dort verhandeln kann“, sagte Ludwig. Welche Linien sollte die CDU denn ziehen? „Wir sollten erst einmal überhaupt irgendwelche Linien definieren.“ Was wirft Ludwig Senftleben vor? „15,6 Prozent und das Blinken nach links sind ein wichtiger Punkt, worüber man diskutieren muss.“

Am Vortag hatte Senftleben die Unterstützung der CDU-Bundesspitze erhalten, die auf „Kenia“ in Brandenburg setzt: Senftleben habe die volle Rückendeckung des CDU-Präsidiums und des CDU-Vorstandes, sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Man habe Senftleben „ermuntert und ermutigt“, dieser Verantwortung gerecht zu werden, um Rot-Rot-Grün zu verhindern. „Für Brandenburg geht es darum, eine stabile Regierung zu gestalten.“ Für den 16. November ist ein CDU-Parteitag angesetzt. Auf der Tagesordnung steht neben der Abstimmung über den Koalitionsvertrag turnusmäßig auch die Wahl eines Landesvorsitzenden.

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