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Update

CDU-Parteitag: Aufstand gegen Senftleben

Es sollte ein Aufbruch werden. Doch Brandenburgs CDU kürt ihren Chef Ingo Senftleben nur mit einem miesen Ergebnis zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Was ist los bei der Union?

Potsdam - Es wurde ein schwarzer Tag für ihn. „Wer das Risiko eingeht, muss mit dem Risiko leben“, sagte Ingo Senftleben, Brandenburgs CDU-Chef. Natürlich habe er sich „mehr Rückenwind gewünscht.“ Er bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht all zu sehr anmerken zu lassen, obwohl der Wahlkampf für die Landtagswahl am 1. September nun noch schwerer wird. Der 44-Jährige, der die Union aus dem Tief zum Sieg führen und erster CDU-Regierungschef in Brandenburg werden will, wurde auf einer Landesvertreterversammlung in Potsdam am Samstag mit einem miesen Ergebnis zum Spitzenkandidaten gekürt. Für Senftleben votierten 82 Delegierte, 30 stimmten mit Nein, es gab 6 Enthaltungen. Das sind 69,5 Prozent, ohne Gegenkandidaten. Zwar nennt die CDU, die Enthaltungen herausrechnet, 73,2 Prozent. Aber selbst das ist in der jüngeren Landesgeschichte ohne Vorbild. Und dann ließen die Delegierten auch noch von Senftlebens Vorschlag für die CDU-Landesliste wenig übrig. Es war nach PNN-Informationen ein präzise vorbereiteter Aufstand, für den in den letzten Tagen hinter den Kulissen die Strippen gezogen, die Gegenmehrheiten organisiert worden waren. 

Ausgerechnet jene Frauen wie Vize-Parteichefin Karin Lehmann, Kreischefin in Oder-Spree, Geschäftsführerin des Kreissportbundes dort oder die Fürstenberger Sparkassenchefin Annett Polle, die Senftleben als neue Gesichter und als Signal für eine modernere Partei vorn und aussichtsreich auf der Liste platzieren wollte, scheiterten dann an  den geplanten Kampfkandidaturen. Am Ende schafften es - im Jahr 2019, nicht 1919 - nur fünfFrauen in die  Top-20 der CDU-Liste. Bei Senftlebens Vorschlag wären es acht Frauen gewesen, davon 5 sogar unter den ersten zehn.   

Für seine Rede hatte Senftleben noch stehende Ovationen erhalten. Er hatte versucht, die auch wegen der letzten Umfrage verunsicherte Partei - erst nach AfD und SPD folgt die Union mit 17 Prozent gleichauf mit den Grünen - mitzureißen. „Auch ich kenne die Anzeigetafel“. Es sei völlig egal, wer zur Halbzeit ein Tor mehr oder weniger habe. „Das Endergebnis zählt“. Er werde alles geben. Die CDU werde angreifen am 1. September, um „stärkste Kraft zu werden, Brandenburg braucht den Wechsel“. Und Gast Daniel Günther, Schleswig Holsteins CDU-Regierungschef, zog Parallelen zu seinem Bundesland. „Es ist definitiv möglich,  in Brandenburg den Regierungswechsel zu schaffen.“ Und dass Senftleben Ministerpräsident werde. Er selbst habe 2017 gewonnen, was vorher auch kaum einer für möglich gehalten habe. Man habe sich nicht verunsichern lassen, sich untergehakt, „und meine Kritiker haben die Zähne zusammengebissen.“ Dazu waren Senftlebens innerparteiliche Gegner nicht  bereit, weder bei der Kür als Spitzenkandidaten,  noch bei der Landesliste.  

Zwar verteidigte der CDU-Chef gleich offensiv seinen Vorschlag, den er im Alleingang vorgelegt hatte. Mit seinem Vorschlag seien erstmals alle 18 Kreisverbände unter den ersten 21 Plätzen und so viele Frauen vertreten wie noch nie. „Wer Kritik üben will, dann bitte an mir: Ingo Senftleben war es!“ Man könne es so machen wie bisher immer, dass die großen Kreisverbände gewinnen. Das war schon fast prophetisch. 

Kritiker erkämpft sich vierten Listenplatz

Doch er hatte sich geweigert, den auf eine breit und kompetent aufgestellte künftige Regierungsfraktion ausgerichteten Vorschlag mit den Kreisvorsitzenden abzusprechen. Das rächte sich. So wurde vorher ein  anderes Bündnis geschmiedet, von mitgliederstarken Kreisverbänden wie Potsdam-Mittelmark, Oberhavel, der Jungen Union und anderen, für eine Gegenliste - mit Erfolg auf fast allen Positionen, auf denen angegriffen wurde.  Zwar schaffte es die Landtagsabgeordnete Kristy Augustin, Vorsitzende der Frauen Union, die für eine zeitgemäße Familienpolitik steht, die jede Familie akzeptiert, noch auf Platz Zwei. Doch schon den vierten Listenplatz erkämpfte sich statt Karin Lehmann der Unternehmer, Landtagsabgeordnete und Oberhavel-Kreischef Frank Bommert, der mit Platz 25 bestraft werden sollte. Bommert verband seine Kampfkandidatur mit Kritik an Senftlebens Ansage, notfalls auch mit den Linken zu koalieren. „Das ist mit mir nicht zu machen.“ Dieses Signal müsse vom Parteitag ausgehen. Wenn die CDU mit den Linken koaliere, bleibe nach fünf Jahren von der Partei nichts mehr übrig. Dann erwischte es Annett Polle, Sparkassenchefin in Fürstenberg, gegen die  Andre Schaller, Bürgermeister von Rüdersdorf, antrat - und gewann. Der Junge-Union-Chef Julian Brüning kickte CDU-Urgestein und Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski, seit 20 Jahren im Parlament, zu DDR-Zeiten als Oppositioneller im Gefängnis, vom Listenplatz sieben weg. Auch der Versuch von Dombrowski, es auf Platz 20 zu versuchen, scheiterte später. Auf der Gegenliste kam Dombrowski, Kreischef im Havelland, von vornherein nicht vor, und diese Mehrheit stand.   

Auf Platz acht kürten die Delegierten die konservative frühere Landesvorsitzende und Kreischefin von Potsdam-Mittelmark, Saskia Ludwig, die auch Senftleben dort vorgesehen hatte,  um sie einzubinden. Sie holte mit 95 Stimmen eins der besten Ergebnisse.  Ohne die Stimmen aus ihrem, dem mitgliederstärksten Kreisverband wäre der Aufstand nicht möglich gewesen. So schaffte es Anja Schmollack aus Treuenbrietzen    nicht auf Platz 19.  Sie ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr dort, die für den Einsatz im vorigen Jahr beim Großwaldbrand dort mit dem deutschen Feuerwehr-Oscar ausgezeichnet worden war.  Ludwig schlug  Franz Herbert Schäfer aus Groß Kreutz vor, der es schaffte. Vergeblich hatte Schmollack  appelliert, ein Signal an die Freiwilligen Feuerwehren im Land zu senden ...

In seiner Rede hatte Senftleben, vor dem Einbruch, erklärt:   „Die CDU ist eine bunte Partei.“ Nach der Listenaufstellung, die an alte Zeiten der CDU erinnerte, äußerte sich der Parteichef zum Ergebnis so: "Das ist ein demokratischer Prozess und so zu akzeptieren. Ich persönlich bedauere es, dass wir weniger Frauen auf den vorderen Plätzen haben, als es gut für eine moderne Partei gewesen wäre." Da setzte prompt die politische Konkurrenz an. Die Potsdamer SPD-Landtagsabgeordnete Klara Geywitz, die im Landtag die rot-rot-grüne Mehrheit für das Partite-Gesetz einer Pflichtquote für alle Parteien maßgeblich geschmiedet hatte, sagte: "Ohne Paritätsgesetz müssten die Frauen in Brandenburg ewig auf Gleichberechtigung warten."  Das habe der CDU-Parteitag trotz bester Absichten der Parteiführung eindrücklich bewiesen. Und  Grünen-Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher erklärte: "Mit Paritätsgesetz wär das nicht passiert."  Ohne   gesetzliche Regelungen gehe   es bei unwilligen Parteien bei der Gleichstellung nicht voran. "Gestärkt geht dagegen der rechte Flügel um Saskia Ludwig aus diesem Parteitag hervor. Damit kehrt die CDU Brandenburg zur alten Streitkultur zurück." 

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