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Brandenburg: Busfahrer zeigt Reue

Er raste in einen Stau, tötete fünf Kinder. Er entschuldigte sich. Sein Anwalt forderte Bewährungsstrafe

Von Sandra Dassler

Er raste in einen Stau, tötete fünf Kinder. Er entschuldigte sich. Sein Anwalt forderte Bewährungsstrafe Von Sandra Dassler Oranienburg. Sie sind weit über 60 oder gerade mal 16. Sie arbeiten als Arzt oder Hausmeister. Sie sprechen sächsisch oder berlinern. Gemeinsam haben sie alle nur eines: Sie waren am Sonntag, dem 21. Juli 2002, auf der Autobahn A24 in Richtung Hamburg unterwegs und wurden unschuldig in einen schrecklichen Unfall verwickelt. Gestern saßen sie den dritten Tag im Saal 206 des Amtsgerichts Oranienburg. Sie warteten auf das Urteil über jenen Mann, der möglicherweise schuld daran ist, dass sie ihre Kinder verloren haben, dass sie bis heute krank sind und unter schweren Traumata leiden. Am letzten Verhandlungstag hat der 48-jährige Berliner Busfahrer Harald H. die Prozesspausen genutzt, um sich bei ihnen zu entschuldigen. Manche haben das angenommen, andere nicht. Harald H. ist wegen fahrlässiger Tötung in sechs Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen angeklagt, weil er an jenem Sonntagmorgen mit seinem leeren Reisebus ungebremst in ein Stau-Ende auf der A24 gerast ist. Mehrere Fahrzeuge hatten dort in der Nähe der Abfahrt Kremmen auf der rechten Spur und auf der Standspur gehalten, weil ein roter Nissan nach einer Beinahe-Kollision mit einem weißen Fahrzeug in die Mittelleitplanke der Autobahn gefahren war. Eine Krankenschwester eilte der 22-jährigen Nissan-Fahrerin, die offensichtlich verletzt war, gerade zu Hilfe, als der Bus von Harald H. mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 100 Stundenkilometer in sie hineinfuhr. In einem VW-Kleinbus starben die Zwillinge Katharina und Tobias (8) und ihre Schwester Jennifer (10) aus einem Potsdamer Kinderheim sowie Maria (12) und Sebastian (13). Maria und Sebastian waren die Kinder von Manuela S., die vorne saß und wie der Fahrer des Kleinbusses schwer verletzt wurde. Der Bus raste weiter in den verunglückten Nissan, wo die 22-jährige Fahrerin getötet wurde. Zuvor hatte er noch die hilfreiche Krankenschwester erfasst und schwer verletzt. Nur durch die sofortigen Wiederbelebungsversuche ihres mitfahrenden Freundes – eines Arztes – überlebte die junge Frau. Der Fahrer des Reisebusses hatte zum Unfallzeitpunkt 15 Jahre Berufserfahrung. Vor Gericht sagte er aus, dass er sich an den Hergang des Unfalls nicht erinnert. Er sagt, das erste woran er sich wieder erinnern konnte, war, dass er einen Knall hörte und einen weißen Kleinbus neben sich sah. H. wurde selbst verletzt, versuchte aber, Hilfe zu leisten. Erst im Krankenhaus erfuhr er vom ganzen Ausmaß des Unfalls: „Die Polizisten kamen am Nachmittag und sagten, ich hätte sechs Menschen auf dem Gewissen“, hat er der Vorsitzenden Richterin erzählt und dabei geweint. Denn ihm ist längst klar, dass er diesen Sonntagmorgen nie mehr vergessen wird. Insofern fühle er sich bereits „lebenslänglich“ verurteilt. Auch wenn ihn das Gericht maximal zu fünf Jahren Haft verurteilen kann. Thomas Stötzel, der Anwalt des Busfahrers, plädiert für eine Bewährungsstrafe, da sein Mandant Reue gezeigt habe.

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