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Bundesweite Razzia wegen Terrorverdacht: Anführer der rechten Terrorgruppe in Brandenburg festgenommen

Bundesweit wurden Wohnungen einer rechtsradikalen Reichsbürger-Gruppe durchsucht. Der Anführer, ein "Druide", wurde in Brandenburg festgenommen. Die sieben Beschuldigten sollen Pläne für bewaffnete Angriffe auf Polizisten, Asylsuchende und Juden geschmiedet haben.

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Berlin/Karlsruhe - Die Generalbundesanwaltschaft ist am Mittwochmorgen mit einer umfangreichen Razzia gegen eine militante rechtsradikale Gruppe in der Reichsbürger-Szene vorgegangen. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Gegen sechs Uhr am Morgen rückten die Ermittler in mehreren Bundesländern an. Sie durchsuchten Objekte in Niedersachsen, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, wie den PNN aus Sicherheitskreisen bestätigt wurde. Insgesamt sind nach Angaben der Bundesanwaltschaft zwölf Wohnungen und andere Räumlichkeiten durchsucht worden. Die Razzia richtete sich gegen sieben Beschuldigte. Unter Terrorverdacht stehen sechs von ihnen, sie sind zwischen 35 und 66 Jahre alt. Zwei Männer wurden festgenommen. Darunter ist nach dpa-Informationen ein 62 Jahre alter Hauptverdächtiger aus Schwetzingen nahe Heidelberg. Sicherheitskreise bestätigten, dass der Hauptverdächtige sich als "keltischer Druide" bezeichnet. Er wurde nach PNN-Informationen in Rietz-Neuendorf (Oder-Spree) geschnappt.

Die Gruppe sei vorwiegend über soziale Medien miteinander vernetzt, hieß es. Seit Frühjahr 2016 sollen die Beschuldigten Pläne für bewaffnete Angriffe auf Polizisten, Asylsuchende und Juden geschmiedet haben. Der siebente Reichsbürger soll der Gruppe geholfen haben, Waffen zu beschaffen. Erkenntnisse zu konkreten Anschlagsplanungen lagen der Bundesanwaltschaft am Mittwoch aber noch nicht vor.

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Bei der Razzia sollten vor allem die Vereinigungsstruktur aufgedeckt sowie Beweise "zu den angeblich geplanten Straftaten" und Waffen gesammelt werden. In Berlin durchsuchten Polizisten am Morgen in Berlin-Moabit ein Haus, laut B.Z. wurden dort unter anderem elektronische Geräte sichergestellt.

Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei war vorsichtshalber dabei, weil die Szene spätestens seit den tödlichen Schüssen auf einen Polizisten im Oktober als besonders gefährlich gilt. In Georgensmünd (Bayern) hatte der Reichsbürger Wolfgang P. einen SEK-Mann getötet, als die Beamten in sein Haus eindrangen.

Bei den Razzien wurden laut Bundesanwaltschaft diverse Waffen, eine große Menge an Munition sowie Sprengmittel sichergestellt. "Um was für eine Art Sprengstoff es sich handelt, können wir noch nicht sagen", sagte die Sprecherin der Behörde.

Auch die Wohnung eines Brandenburger Reichsbürgers wurde durchsucht

In Brandenburg durchsuchten Beamte die Wohnung eines Reichsbürgers in Rietz-Neuendorf (Oder-Spree) südöstlich von Berlin, ebenfalls mithilfe des SEK. Es seien Waffen und Munition gefunden worden, erfuhren die PNN aus Ermittlerkreisen. Geführt werden die Ermittlungen im Auftrag der Bundesanwaltschaft vom Landeskriminalamt in Baden-Württemberg.  In dem Bundesland wohne auch der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Burghard B., sagten Sicherheitsexperten. Der 62-Jährige aus der Kleinstadt Schwetzingen bei Karlsruhe bezeichne sich als „Druide“. Er wurde allerdings in Rietz-Neuendorf in Brandenburg vorläufig festgenommen, bei ihm soll die Polizei Waffen entdeckt haben. Nach PNN-Informationen war es ein Zufallstreffer. Die Ermittler wollten alle Hinweise auf B. abklären, waren aber nicht davon ausgegangen ihn ausgerechnet in Brandenburg zu treffen. Einen weiteren Beschuldigten nahm die Polizei in Baden-Württemberg fest.

Am Dienstag waren die Landeskriminalämter der anderen betroffenen Bundesländer informiert und um Amtshilfe gebeten worden. In dem Einsatz seien etwa zweihundert Polizeibeamte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt beteiligt gewesen.

Die Berliner Sicherheitsbehörden hatten gleich nach dem Vorfall in Georgensmünd alle bekannten Reichsbürger in der Stadt auf Waffenbesitz überprüft. Bei mehr als 100 Personen wurde die Polizei vorstellig. Fünf Reichsbürger hatten eine Waffenbesitzkarte. Das Verfahren zum Widerruf der Karten laufe, heißt es in Sicherheitskreisen. Einem Reichsbürger sei eine Waffe entzogen worden. Bei einem weiteren Reichsbürger sei der Antrag auf eine Waffenbesitzkarte abschlägig beschieden worden. In Brandenburg sollen Reichsbürger auf Waffenbesitz in diesem Jahr überprüft werden, 2016 seien Reichsbürger in Einzelfällen bereits Waffen und Waffenscheine entzogen worden, erklärte das Polizeipräsidium.

Sicherheitskreise warnen, etwa zehn Prozent der Reichsbürger bundesweit hätten eine Waffenbesitzkarte. Verfassungsschützer gehen inzwischen davon aus, dass die Szene mehrere tausend Personen umfasst, möglicherweise sogar über 10 000. Das Bundesamt für Verfassungsschutz war nach den Schüssen in Georgensmünd in die Beobachtung des heterogenen Spektrums eingestiegen.

Brandenburg war Vorreiter

Mehrere Landesbehörden für Verfassungsschutz beobachten die Szene schon seit Jahren. Vorreiter dabei war die Verfassungsabteilung im brandenburgischen Innenministerium. Seit vier Jahren steht dort die Reichsbürgerbewegung bereits unter Beobachtung, wofür die Brandenburger von anderen Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern zunächst als alarmistisch belächelt wurde, die Reichsbürger galten als vor allem als skurril. Nach den tödlichen Schüssen von Georgensmünd hat sich das geändert. Bislang sind die Reichsbürger damit aufgefallen, Straf- oder Steuerzahlungen zu verweigern, Behördenmitarbeiter zu bedrohen und Justizbedienstete mit Schadenersatzforderungen mittels Schuldtiteln aus Übersee zu überziehen.

Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches an. Aus ihrer Sicht ist die BRD eine GmbH, sie gründen eigene fiktive Staaten, schmeißen ihre Personalausweise weg und basteln sich eigene. Beim Brandenburger Verfassungsschutz ist von einem neuen Extremismusphänomen die Rede. Es handle sich um ein Brückenspektrum zwischen Rechtsextremismus und Formen des Populismus, es sei revisionistisch und nationalistisch. Es gebe auch Kooperationen mit einschlägigen Verlagen, die auch der AfD nahestehen. Gefährlich ist aus Sicht der Brandenburger Behörde, dass das Reichsbürger-Milieu für sich das Recht beansprucht, Gewalt anzuwenden und die politischen Eliten nicht über Wahlen abzulösen, sondern „in Form eines Putsches hinwegzufegen“. Besondere Sorgen bereiten dem Verfassungsschutz seit vergangenem Jahr eigene Projektionen für die nächsten Jahre. Es bestehe die Gefahr, dass sich die gut vernetzten Reichsbürger die sogenannte Freeman-Bewegung und die rechtsextremistischen, bewaffneten Milizen in den USA zum Vorbild nehmen – und dann zum militanten Kampf gegen den Staat übergehen. (mit dpa)

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NPD und Neonazis, Hass-Kommentatoren, Skins, Rocker und Pegida: Das rechtsextreme Spektrum reicht weit über über die Radikalen hinaus >>

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Die Landeszentrale für Politische Bildung in Brandenburg hat eine Broschüre über Reichsbürger veröffentlicht. Darin schildern die Autoren das Phänomen der Reichsbürger, insbesondere in Brandenburg und Sachsen, und wie man in der Verwaltungspraxis mit ihnen umgehen sollte. Hier geht es zur Broschüre >>

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