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In der Kritik. Saskia Ludwig kandidiert bei der Bundestagswahl am 24. September für den Wahlkreis 61, zu dem Potsdam und Umgebung gehören.

©  Kai-Uwe Heinrich

Bundestagswahl: CDU-Kandidatin in Potsdam: Ludwigs Bier? Nur für Erwachsene

Die Trickserei-Vorwürfe gegen die Potsdamer CDU-Politikerin Saskia Ludwig werfen neue Fragen auf. Warum Alkohol für einen Azubi beim DAK-Firmenlauf? Darf ein Schüler beim Azubi-Wettkampf rennen? Vor allem aber: Steht hinter allem eine SPD-Verschwörung?

Potsdam – In der Trickserei-Affäre der Potsdamer CDU-Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig haben sich nun erstmals die Veranstalter des DAK-Firmenlaufs auf PNN-Anfrage zu Wort gemeldet. Zentrale Vorwürfe, die Ludwig gegen die Recherchen und die Berichte der PNN erhebt, rücken sie zurecht. 

Zugleich ist am Mittwoch auf Weisung der DAK die Siegerliste des Potsdamer Firmenlaufes vom 14. Juni in der Kategorie „Azubi“ korrigiert worden. Die Presseabteilung der Krankenkasse ist auf die PNN-Berichte zu dem Fall aufmerksam geworden. Daher ist nun ein 37 Jahre alter Polizist, der für das Team „Saskia Ludwig 2017“ als Azubi antrat,  als Gewinner gestrichen worden. Nun steht Maximilian Wollnik, ein Zehntklässler des Leibniz-Gymnasiums, offiziell auf Platz eins.

Facebook-Post statt Antwort auf PNN-Anfrage

Ludwig, die zur Bundestagswahl für die CDU als Direktkandidatin in Potsdam antritt, in der Landespartei isoliert ist, zeigt aber weiterhin kein Einsehen. Eine PNN-Anfrage, verschickt am Freitag vergangener Woche mit Frist bis Montagmittag, bleibt unbeantwortet. Stattdessen äußerte sie sich nun erstmals öffentlich via Facebook. Über den Schüler schrieb sie: „Ist der junge Mann nun Azubi oder Schüler? Wenn der junge Mann Schüler ist, wer ist denn dann der ,wirkliche‘ Gewinner des Laufes? Gerne würden wir uns auch bei ihm entschuldigen. (Bitte vorab Altersangabe)“. Dazu hat Ludwig ein Zwinkersmiley gesetzt. Zudem erklärte sie, dass der Preis beim DAK Firmenlauf für den schnellsten Azubi ein Fass Bier war.

Wie berichtet war Ludwigs Ehemann am Montag in der Firma erschienen, für die der 10-Klässler bei dem Lauf als Schülerpraktikant gestartet war. Mit dabei hatte Ludwigs Gatte zwei Fässer Bier – ein Fass war der Preis für den schnellsten Azubi, das zweite Fass brachte er zur Entschuldigung. Der Schüler selbst hatte an diesem Tag frei. Zugleich hatte aber CDU-Landeschef Ingo Senftleben am Dienstag erklärt, Ludwig habe ihm in einem Telefonat gesagt, dass sie in Kontakt zur Familie des Schülers stehe und alles geklärt werde.

Ein Schüler beim Azubi-Wettlauf - laut Veranstalter in Ordnung

Die PNN haben deshalb beim Veranstalter des Firmenlaufes nachgefragt. Es ist Mittwochnachmittag, Anruf bei Michael Rieß, Geschäftsführer bei „Die Sportmacher GmbH“. Er habe schon von der Sache gehört, sagt er. Dass der Schüler in der Azubi-Wertung angetreten war, sei völlig in Ordnung. Eine Kategorie für Schüler gebe es auch nicht. Mitlaufen dürften Jugendliche ab 14 Jahren mit schriftlicher Erlaubnis der Eltern, ab 16 Jahren auch ohne sogenannten Mutti-Zettel.

Die Wertungen – Einzeln, Teams, schnellster Chef, Sekretärin und eben Azubis – habe man vor zehn Jahren eingeführt. „Damals haben wir nicht gedacht, dass das so ernst genommen wird“, sagt Rieß. „Es geht ja um nichts.“ Wichtig sei, dass die Firmen sich präsentieren, die Mitarbeiter gemeinsam laufen. Der Effekt in den Unternehmen: Mehr Teamgeist, mehr Motivation, die Mitarbeiter tun gemeinsam etwas für ihre Gesundheit. Daher gebe es auch keine explizite Beschreibung, wer denn als Azubi gilt, um für seine Firma mitlaufen zu können. „Das ist sehr weit gefasst“, sagt Rieß. so könne auch der Schülerpraktikant als Azubi verstanden werden, der absolviere schließlich auch eine Art Ausbildung. Die Teilnahme des Potsdamer Schülers beim Firmenlauf als „Azubi“ sei daher völlig korrekt gewesen.

Bier für Gewinner - nur wenn sie erwachsen sind

In der Kategorie Azubis habe es nicht das erste Mal Beschwerden gegeben - etwa darüber, dass ein Teilnehmer gar nicht bei der Firma sei. „Wir haben auch nicht die Möglichkeit, das bei jedem zu kontrollieren“, sagt Rieß. Die Linie der Veranstalter ist deshalb klar: Firmen und Läufern müsse bewusst sein, dass sie in der Öffentlichkeit stehen. Und bei Tricksereien wie im Fall des Teams von Saskia Ludwig? „Die Leute sollten wissen, sie bekommen den öffentlichen Widerhall.“  

Und was ist mit dem Bier? Bekommen die Sieger in der Kategorie Azubi tatsächlich Alkohol? Das werde spontan entschieden, wenn der Sieger auf die Bühne kommt. Erst ab einem Alter von 18 Jahren werden die Gewinner dann gefragt, ob sie ein Fässchen Bier oder eine Flasche Sekt im Präsentkorb haben wollen. Im Klartext heißt das: Wäre der Polizist aus dem Team Ludwig nicht als Azubi angetreten, hätte der Schüler als Sieger auch kein Bier bekommen. Aber auch das hat Ludwig offenbar nicht gewusst, als sie am Montag als Entschuldigung zwei Fässer Bier an die Firma und den 15-Jährigen schickte. Wie berichtet hatte sie zuvor auf zwei Beschwerden der Familie des Zweitplatzierten seit Juni nicht reagiert. 

Ludwig vermutet billigen SPD-Wahlkampf - nicht nur bei den PNN

Was bleibt? Ludwig liegt weiter im Streit mit dem Journalisten Hans-Rüdiger Karutz, 76, um dessen geplatzte Anstellung als Presseberater in ihrem Wahlkampf. Karutz pocht auf eine mündliche Vereinbarung, die Ludwig über ihren Anwalt bestreitet. Es geht um rund 9000 Euro. Die Kanzlei von Peter-Michael Diestel, der Karutz vertritt, bereitet eine Klage und eine Strafanzeige gegen Ludwig vor.

Daneben bleibt - abgesehen von der bislang nicht beantworteten PNN-Anfrage - auch bei ihrem ersten Statement zu dem Fall via Facebook: nichts. Bis auf ein Detail. Ludwig ist in der CDU-Landtagsfraktion medienpolitische Sprecherin. Doch mit den Medien hat sie bekanntlich ein Problem. Zu den Recherchen und Berichten der PNN  erklärte Ludwig: Es liege „die Vermutung nahe, dass es sich um billigen Wahlkampf mit allen Mitteln handelt“. Sie verweist auf einen „Aggrowahlkampf“ der SPD, die massiv Stimmung gemacht habe. Tatsächlich ging SPD-Vize Ralf Stegner via Kurznachrichtendienst Twitter auf Ludwig los und bezeichnete sie als „AfD-Sympathisantin vom Stahlhelmflügel der Union“. 

Ludwig schlägt Interview-Anfrage des Blickpunkt aus

Jedenfalls wirft Ludwig dem Korrespondenten der PNN nun namentlich vor,  mit seinen Berichten über sie im Dienste der SPD Wahlkampf zu betreiben. Wörtlich schreibt sie: „Nur immer wieder schade, dass sich Journalisten wie (…) finden, die sich dafür hergeben.“

Es ist in diesen Wochen nicht das erste Mal, dass die medienpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion gegen die Medien keilt und offenbar eine Verschwörung wittert. Ein Beispiel dafür liefert die Anzeigenzeitung „Blickpunkt“. Die Potsdamer Redaktion hatte sechs Direktkandidaten für ein Interview zur Bundestagswahl angefragt, das Motto lautete: Sechs Kandidaten, sechs Fragen. Jetzt aber sind es nur noch fünf Kandidaten.

Was war geschehen? Die Redaktion nahm Kontakt zu den Kandidaten auf, informierte auch über die Fragen zu sechs Themen. Das Interview sollte auch gefilmt werden, Zwischenfragen sollte es nicht geben, das Video ungeschnitten veröffentlicht werden. Besser kann es für Politiker nicht laufen.

Auf Anfrage stellt Ludwig Gegenfrage nach Anzeigengeschäft mit der SPD

Saskia Ludwig hat mit der Blickpunkt-Redaktion aber kein Termin für das Interview vereinbart. Stattdessen veröffentlichte sie bei Facebook „meine Antwort als offenen Brief“. Darin nimmt sie Bezug auf zwei Kommentare des Blickpunkt, einer über Ludwigs Nähe zur AfD, der andere zum Wahlkampf der Direktkandidaten von CDU über SPD bis Grüne und Linke. Jedenfalls erklärte Ludwig via Facebook, wegen des „aktuellen Kommentars“ und zur Interview-Anfrage habe sie „folgenden Fragen“ an die Zeitung. Darin stellte sie einen Bezug her zwischen möglichen SPD-Anzeigen und der politischen Linie der Blattes.

Wörtlich schrieb Ludwig am 21. August um 20.17 Uhr: „Hat die SPD im Vorfeld der Bundestagswahl am 24. September 2017 Anzeigen im Blickpunkt gebucht? Wenn ja, wie hoch ist das finanzielle Volumen der Anzeigenschalten in Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming und wann wurden sie in Auftrag gegeben?“ 

Ein "Haha"-Smiley für die "SPD Lückenpresse"

In einem zweiten Punkte fragte Ludwig unter Hinweis auf die Kommentare im Blickpunkt: „Beinhaltet die Buchung von Anzeigen durch die SPD auch eine negative Berichterstattung im redaktionellen Teil des Blickpunktes über die Gegenkandidatin?“ Schließlich will Ludwig auch wissen, wie hoch die Reichweite der Internetseite ist, wie lang die Interviewvideos werden, in welcher Reihenfolge sie erscheinen. 

Und Ludwigs Vater schriebt unter dem Facebook-Post: „SPD Lückenpresse“. Der Begriff Lückenpresse wird derzeit gern von der AfD verwendet – anstelle des Nazi-Begriffs Lügenpresse. Eine Wortkreation also, um dem Nazi-Vorwurf zu umgehen. Doch Widerspruch auf diesen Kommentar kommt von der für Medienpolitik zuständigen CDU-Landtagsabgeordneten nicht. Stattdessen quittierte sie den Kommentar mit einem lachenden „Haha“-Smiley. 

Das Wahlprogramm der Union zur Pressefreiheit

Im Wahlprogramm der Union zur Bundestagswahl heißt es übrigens: „Freie und starke Medien sind ein zentrales Element unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung.“ Man dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn Deutschland von einigen Wenigen schlecht geredet werde: „Von linken und rechten Populisten und radikalen Kräften, die unsere demokratischen Institutionen und unsere freie Presse diffamieren und versuchen, unser Land zu spalten.“

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