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Corona-Inzidenz in Brandenburg. 

© Rita Böttcher, Foto: Ottmar Winter

Bund-Länder-Treffen zu Corona: So will Deutschland die vierte Welle brechen

Bund und Länder haben eine Impfpflicht für Ärzte und Pfleger, flächendeckend 2G und die Möglichkeit eines regionalen Lockdowns für Ungeimpfte beschlossen. Brandenburg stellt die Kontaktnachverfolgung an Schulen nahezu ein. 

Potsdam - Deutschland verschärft sein Corona-Krisenmanagement, da die Lage zunehmend außer Kontrolle zu geraten droht. Die amtierende Bundesregierung unter Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der designierte neue Ampel-Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefinnen und -chefs der 16 Länder haben sich am Donnerstag auf ein Paket an Gegenmaßnahmen geeinigt, das unter anderen eine bundesweit bislang einmalige Impfpflicht für Beschäftigte von Krankenhäusern und Pflegeheimen, eine 3G-Regel im Regional- und Fernverkehr, Impfmöglichkeiten für 30 Millionen Menschen bis Jahresende und bundesweite 2G-Regelungen umfasst. 

Danach dürfen, wie bereits in Brandenburg Praxis, Ungeimpfte keine Restaurants, Kinos, Hotels oder vergleichbare Angebote besuchen. „Wir haben uns untergehakt. Deutschland handelt gemeinsam“, sagte Scholz. Merkel machte deutlich, dass sie weitergehende Maßnahmen für richtig gehalten hätte. 

Regionale Lockdowns für Ungeimpfte

Zu den Vereinbarungen gehört, das regional Lockdowns mit möglichen Schulschließungen und Ausgangssperren für Ungeimpfte verhängt werden können, wenn in den nächsten Wochen andere Maßnahmen nicht greifen und sich die Krankenhäuser weiter so schnell mit Covid-19-Patienten füllen. Als Grenzwert dafür wurde eine Hospitalisierungsrate von 9 festgelegt. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen mit einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen.

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In Brandenburg lag dieser Wert am Donnerstag bei 3,52. Dazu ist inzwischen mehr als jeder zehnte Platz auf ohnehin vollen Intensivstationen des Landes mit Covid-Patienten belegt. Die Lage im Land verschärft sich mit den sich rasant ausbreitenden Infektionen mittlerweile so stark, dass auf Empfehlung des Gesundheitsministeriums unter Ursula Nonnemacher (Grüne) die Gesundheitsämter die umfassende Kontaktnachverfolgung einstellen sollen. Sie sollen diese wegen mangelnder Kapazitäten allein auf den Schutz vulnerabler Gruppen wie Bewohner von Pflegeheimen konzentrieren. „Das Coronavirus breitet sich extrem schnell aus“, teilte das Ministerium mit. „Eine intensive und umfangreiche Nachverfolgung aller Kontaktpersonen ist in dieser Lage nicht mehr möglich.“

"Sinnlose Ressourcenverschwendung"

Was das in der Praxis unter anderem bedeutet, geht aus einem den PNN vorliegenden Brief der Amtsärztin des Havellandes an Eltern von Kita- und Schulkindern hervor. Danach geht ab sofort unter Verweis auf die Landesempfehlung allein das infizierte Kind samt Familie in Quarantäne, während für alle anderen Schüler in der Klasse der Unterricht ohne jedwede Maßnahme fortgesetzt wird – selbst für den Banknachbar, der nicht einmal mehr ermittelt wird. „Durch die Höhe der Fallzahlen und den rasanten Anstieg lassen sich Infektionsketten nicht mehr erkennen und unterbrechen. Containment ist nicht mehr möglich. Es fortzuführen wäre sinnlose Ressourcenverschwendung“, heißt es in dem Havelland-Schreiben. „Deshalb wechselt man zu diesem Zeitpunkt die Strategie und legt den Fokus auf den Schutz vulnerabler Gruppen.“ 

Ausweitung der Booster-Impfung

Bund und Länder einigten sich am Donnerstag darauf, die Corona-Schutzimpfungen mit nötigen Auffrischungsimpfungen für alle Erwachsenen drastisch auszuweiten und dafür kurzfristig Angebote zu schaffen. In Brandenburg ist das eine besondere Herausforderung, da das Land bei vollständig Geimpften mit einer Quote von 61,5 Prozent auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer liegt und bei den Auffrischungsimpfungen mit einer Impfquote von vier Prozent Schlusslicht in der Bundesrepublik ist. Um das Impfmanagement und den Corona-Kurs waren in der Brandenburger Kenia-Koalition von SPD, CDU und Grünen in den letzten Wochen wiederholt Konflikte aufgebrochen. 

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat für Freitag (19.11.) zu einem Online-Impfgipfel aller Beteiligten eingeladen, um das schleppende Impftempo zu erhöhen. In einem den PNN vorliegenden Schreiben von Woidkes Staatskanzleiministerin Kathrin Schneider (SPD) an Gesundheitsministerin Nonnemacher wird ultimativ die Vorgabe formuliert, dass schnellstmöglich flächendeckend in Brandenburg mindestens 100 Impfstellen aufgebaut werden müssen und alle über 60-jährigen Brandenburgerinnen und Brandenburger schriftliche Einladungen zu den Erst- sowie Auffrischungsimpfungen erhalten müssen. Unterdessen warnte Lothar Wiehler, Chef des Robert Koch-Instituts, die Politik vor Zögerlichkeit: „Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“

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