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Brandenburg: Brisante Spuren der NSU-Affäre

Ein Bericht zu den Ermittlungspannen in Thüringen wirft Fragen zu einem V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes auf

Potsdam - Der Bericht der sogenannten Schäfer-Kommission zur Aufarbeitung der Versäumnisse der thüringischen Sicherheitsbehörden in der NSU-Affäre hat Irritationen in Brandenburg ausgelöst. Denn bislang ergab sich aus den internen Ermittlungen des Innenministeriums, dass es in Brandenburg keine Verfehlungen im Zusammenhang mit dem Neonazi-Mördertrio gab. Auch gab es bislang keinerlei Hinweise darauf, dass „von Brandenburger Sicherheitsbehörden Quellen zu den Mitgliedern des NSU geführt worden sind“. Durch den Bericht des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer und zusätzlich befeuert durch neue Medienberichte steht nun aber der Verdacht im Raum, dass auch der brandenburgische Verfassungsschutz möglicherweise tiefer in die Affäre um schwere Pannen und komplettes Versagen der verschiedenen Behörden bei den Ermittlungen gegen das NSU-Mördertrio verstrickt ist – und damals die Kontrolle über einen V-Mann verloren haben könnte, der 1998 bei der Beschaffung von Waffen für das damals untergetauchte NSU-Trio mitgeholfen hat.

Ein Sprecher des Innenministeriums wies am Donnerstag auf PNN-Anfrage den Verdacht zurück. „Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags ist über den Komplex informiert worden“, sagte er. „Wir erforschen den Sachverhalt nach wie vor.“ Dabei geht es um Brandenburgs berühmtesten V-Mann, Carsten S., Deckname „Piato“, in den 90er Jahren ein bekannter Neonazi und Waffendealer in Brandenburg, 1995 wegen versuchten Mordes an einem nigerianischen Asylbewerber verurteilt, aber vorzeitig entlassen. Er war lange Zeit die wichtigste Quelle aus der rechten Szenen , durch ihn wurden geplante Anschläge mit Rohrbomben und Waffenkäufe durch Neonazis verhindert. 1998 war Piato eine der wenigen Quellen deutschlandweit mit wichtigen Hinweisen zum NSU-Trio, die aber in Sachsen und Thüringen versickerten. Von dem V-Mann hatten die Verfassungsschützer in Brandenburg die Informationen erhalten, dass drei sächsische Skinheads, eine Frau und zwei Männer, auf der Flucht und untergetaucht seien und sich Waffen beschaffen wollten, um sich damit bei Banküberfällen Geld für eine Flucht nach Südafrika zu beschaffen.

Piato selbst hatte auch Kontakt zu Jan W., den damaligen Chef der braunen Netzwerks „Blood & Honour“ in Sachsen, der für Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe Waffen besorgen wollte. Im Zuge einer Telefonüberwachung von Jan W. stellten die Sicherheitsbehörden laut Schäfer-Bericht mehrere Anrufe von und zu einem Handy fest, das auf das brandenburgische Innenministerium angemeldet war. Nach PNN-Informationen war es das für den V-Mann Piato bereitgestellte Handy. Wie aus dem Schäfer-Bericht hervorgeht, schrieb W. am 25. August 1998 um 19.21 Uhr per SMS an Piato: „Hallo, was ist mit den Bums.“ Die Ermittler gehen davon aus, dass mit „Bums“ Waffen gemeint sind. Das alles sei plausibel, räumen Brandenburgs Verfassungsschützer ein, sie waren informiert.

Brisant daran aber ist vor allem, dass sich laut Schäfer-Bericht Piatos Handy zu dieser Zeit in Chemnitz befunden haben soll, wo das NSU-Trio dank der Unterstützung der lokalen Neonazi-Szene 1998 untergetaucht war. Dass Piato zu dieser Zeit in Chemnitz war, schließt der brandenburgische Verfassungsschutz allerdings aus. Vielmehr habe sich ein Verfassungsschützer mit Piato getroffen und ihn zurück in die Haftanstalt Brandenburg/Havel gebracht. Dass Piatos SIM-Karte von jemand anderes in Chemnitz benutzt worden sein könnte, sei nicht plausibel.

Dem NSU-Trio werden eine Mordserie an neun Migranten und an einer Polizistin sowie Sprengstoffanschläge und Banküberfälle zur Last gelegt. Mundlos und Böhnhardthaben sich selbst umgebracht. Gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer wird im April vor dem Oberlandesgericht München der Prozess eröffnet.

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