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Braunkohlekraftwerk der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg),

© Patrick Pleul/dpa

Braunkohle in Brandenburg: Tschechische Oligarchen übernehmen in der Lausitz

Trotz aller Kritik: Schwedens rot-grüne Regierung genehmigt den Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall an eine tschechische Firma. Wie es jetzt in der Lausitz weitergeht.

Potsdam - Wenn nicht noch die Wettbewerbshüter der EU-Kommission dazwischengehen, wird die Lausitzer Braunkohle mit Tagebauen, Kraftwerken und 8000 Mitarbeitern am 31. August ihren Besitzer wechseln. In Stockholm hat die rot-grüne Regierung dem Verkauf des kriselnden Braunkohlegeschäfts des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall in Deutschland an den tschechischen Konzern EPH und den Finanzinvestor PPF zugestimmt.

Für die Lausitz in Brandenburg und Sachsen, die Vattenfall-Mitarbeiter und deren Familien endet damit eine jahrelange Hängepartie. Vattenfalls Verkaufspläne, die mit Schwedens Klimaschutzzielen begründet worden waren, hatten große Verunsicherung ausgelöst. Die ist nun vorbei – vorerst jedenfalls. Genau das ist es auch, was Brandenburgs Landesregierung nach der am Samstag veröffentlichten Zustimmung durch Schwedens Regierung hervorhob: das Ende der Unsicherheit. „Das ist eine gute Nachricht für die Lausitz aus Stockholm“, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Die Mitarbeiter in der Braunkohleindustrie, aber auch Tausende Beschäftigte in den Zuliefer- und Dienstleistungsfirmen könnten nun auf kalkulierbare Rahmenbedingungen in der Region hoffen.

Woidke: Neuer Eigentümer soll sich seiner Verantwortung in der Lausitz stellen

Doch ist der Käufer wirklich kalkulierbar? Zumindest Woidke und Gerber selbst scheinen da trotz aller Willkommensworte ihre Zweifel zu haben. „Vom neuen Eigentümer erwarte ich, dass er sich seiner Verantwortung in der Lausitz genauso stellt wie Vattenfall“, sagte Woidke. Und Gerber erwartet, „dass EPH ein verlässlicher Partner für die Landesregierung und für die Region“ sei.

Dass sich der Regierungschef und sein zuständiger Ressortchef derart äußern, hat einen Grund und ist als deutliches Signal an die EPH und deren Finanzpartner PPF zu verstehen. Niemand glaubt ernsthaft, dass die EPH wie Vattenfall im bisherigen Ausmaß Kultur und Sport in der Lausitz sponsert. Was aber noch schwerer wiegt: Der Ruf der Käufer ist keineswegs der beste.

Die „Energetický a Prumyslový Holding“ besteht seit 2009 und ist der zweitgrößte tschechische Energieversorger. Hinter dem Konzern steckt der tschechische Milliardär Daniel Kretínský über ein Firmengeflecht in Zypern und Luxemburg. Die EPH ist bekannt für seine aggressive Einkaufspolitik vor allem auf den osteuropäischen Energiemärkten. 2009 war die EPH über die Tochterfirma JTSD bei der Mibrag im mitteldeutschen Revier eingestiegen. Es ist Deutschlands drittgrößter Braunkohle-Konzern mit einen Anteil von mehr als zehn Prozent am Braunkohlemarkt.

Vattenfall: Verfall des Strompreises in Deutschland habe Unternehmen heftig zugesetzt

Aus den Erfahrungen bei der Mibrag rühren auch die Vorbehalte gegen den Einstieg der EPH in der Lausitz. Für den bekommen die Tschechen von Vattenfall sogar 1,7 Milliarden Euro mit auf den Weg, nur damit der schwedische Staatskonzern mit einem Schlag seinen Kohlendioxidausstoß von 80 auf 25 Millionen Tonnen pro Jahr senken kann – womit dem globalen Klimaschutz nicht geholfen ist.

Vattenfall hatte den Wert der Lausitz-Sparte in den vergangenen Jahren in den Bilanzen nach unten korrigieren müssen. Oder wie es Schwedens Wirtschaftsminister Michael Damberg sagte: Der Verfall des Strompreises in Deutschland habe Vattenfall in Deutschland heftig zugesetzt.

EPH übernimmt von Vattenfall in der Lausitz nun Vermögenswerte von 1,6 Milliarden Euro, hinzu kommen Schulden und Rückstellungen für Sanierung und Rekultivierung der Kohltagebauen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Kritiker befürchten, die Tschechen könnten sich in ein paar Jahren mit dem Geld einfach davonmachen.

Erhalt der Arbeitsplätze bis 2020

Zwar mussten sich die Käufer der Lausitz-Sparte verpflichten, dem Unternehmen in den ersten drei Jahren keine Gewinne zu entnehmen, in den folgenden zwei höchstens die Dividende. Hinzu kommt der vereinbarte Erhalt aller Arbeitsplätze bis Ende 2020. Doch ein Blick in die Konzernbilanz von JTSD für das Jahr 2014 zeigt, wie eng die Tschechen rechnen. Oder wie es ein hoher Beamter aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium sagt: „Die rechnen spitz, das sind die Männer mit den Excel-Tabellen.“ Die Bilanzen sind auf Kante genäht.

Der Konzernabschluss offenbart denn auch vor allem die Risiken: fallende Strompreise, steigende Preise für Klimaschutz-Emissionszertifikate, die besonders bei den Braunkohlekraftwerken mit ihrem hohen Kohlendioxid-Ausstoß zu Buche schlagen. Und dann sind da noch die hohen „Umweltsanierungskosten“. Es geht um die teure Rekultivierung der Tagebaue, wenn sich mit der Braunkohle kein Cent mehr verdienen lässt. Schon 2015 wies die EPH-Tochter auf Risiken im „Zusammenhang mit unserem Finanzprofil“ hin. Ein Großteil des Geldes geht für die Begleichung von Krediten und Zinsen drauf. Im Bericht stellt das Unternehmen fest, dass „wir im Vergleich zu unseren Konkurrenten einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt werden, und zwar insofern, dass diese nicht so stark fremdfinanziert sind oder größere finanzielle Ressourcen haben“.

Kaum Geld für Rekultivierung angespart

Für Rückstellungen und Sparkonten zur Finanzierung der Sanierung ist da kaum Platz. So geht das Unternehmen auch davon aus, etwa die Sanierungskosten für den Tagebau Profen in Sachsen- Anhalt „mit Mitteln aus dem laufenden Betrieb zu finanzieren“. Für das Bergwerk Vereinigtes Schleenhain wolle man nach 2030 „mit der Akkumulation von erheblichen Barreserven beginnen“. Soll heißen: Für Rekultivierung ist noch kaum Geld angespart.

Bis Ende Dezember 2014 hatten die Mibrag und deren Tochter Helmstedter Revier in Ost-Niedersachsen Rückstellungen von 312 Millionen Euro für die Rekultivierung gebildet – allerdings waren die nicht zahlungswirksam und keine tatsächlichen Reserven, sondern nur Buchwerte für Verbindlichkeiten.

Das Unternehmen warnt wegen dieser Risiken in seinem Bericht sogar, dass Sachsen-Anhalt Sicherheiten für die Rekultivierung einfordern könnte. Brandenburgs Landesregierung hatte dies jedenfalls trotz der Risiken bei EPH bislang abgelehnt.

Nun sei die Bundespolitik gefragt

Kritiker befürchten, dass die EPH in ein paar Jahren neben Kapital auch Rückstellungen aus der Lausitz abzweigen könnte, wenn die Verpflichtungen zur Gewinnabschöpfung ausgelaufen sind, oder die Sparte knallhart auf Gewinn getrimmt wird. Die Umweltorganisation WWF erklärte, es sei zu befürchten, dass der auf Kohle setzende tschechische Investor nur sehr geringe Mittel für die Sanierung der enormen Umweltschäden durch den Braunkohletagebau zurückstelle. Eva Bulling-Schröter, Klimaexpertin der Linken-Fraktion im Bundestag, sagte, auf keinen Fall dürfe die öffentliche Hand auf den Kosten für Bergbauschäden sitzen bleiben. Nun sei die Bundespolitik gefragt.

Und die Energieexpertin der Grünen-Landtagsfraktion in Brandenburg, Heide Schinowsky, verwies darauf, dass EPH nur darauf wette, dass die Strompreise wieder anziehen – ebenso ein Risikofaktor im Konzernabschluss der Mibrag-Mutter. Und dass die Finanzholding an anderen Standorten wie in der Slowakei versuche, die Löhne der Beschäftigten zu drücken.

René Schuster, Braunkohle-Experte des Umweltverbandes Grüne Liga, sagte, die Landesregierungen von Sachsen, Brandenburg und der Bund müssten „jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um die langfristigen Folgekosten der Tagebaue nicht dem Steuerzahler aufzubürden“. Das Geld für Rekultivierung und Schäden am Wasserhaushalt in der Lausitz „muss absolut sicher hinterlegt sein, bevor Gewinne in die Taschen der Oligarchen fließen dürfen“. Die Potsdamer Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, das Agieren der EPH „in anderen Regionen zeigt, dass das Unternehmen eher auf das schnelle Geld aus ist“. Mit Blick auf das von der Landesregierung erklärte Ende der Unsicherheit durch den Verkauf an die Tschechen sagte Baerbock: „Dieser Verkauf bringt keineswegs Sicherheit. Die Beschäftigten werden nun mit einem Fünf-Jahres-Versprechen ruhiggestellt.“ Und die Unsicherheit der Dörfer, die weiter von Abbaggerung für neue Tagebaue bedroht sind, bleibt.

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