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Aufs Dach gestiegen. Die Linkspartei hatte ungebetene Gäste.

© dpa

Braunkohle in Brandenburg: Aufwärts immer

Greenpeace besetzt die Zentrale der Linkspartei – aus Protest gegen Tagbebaupläne in Brandenburg. Dennoch bleibt es dabei: Linke-Minister werden am Dienstag für den neuen Braunkohletagebau Welzow-Süd II und gegen die eigene Parteilinie stimmen.

Berlin/Potsdam - Es war eine typische Kommandoaktion von Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Sie seilten sich vom Dach des Karl-Liebknecht-Hauses in Berlin-Mitte ab und entrollten an der Fassade ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „100 Prozent unglaubwürdig. Die Linke“ – in Anlehnung an den Wahlslogan der Partei „100 Prozent sozial“. Seither halten 30 Greenpeace-Aktivisten die Bundesparteizentrale der Linken besetzt, 10 auf dem Dach, 20 in Zelten auf dem Innenhof. Sie wollen verhindern, dass Brandenburgs rot-rotes Kabinett am kommenden Dienstag den Braunkohleplan für den neuen Tagebau Welzow-Süd II beschließt. Und das unter Beteiligung der Linken. Denn deren Programm ist auf Bundes- und Landesebene der Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohleverstromung und kein Aufschluss neuer Tagebaue.

Tatsächlich ist die Linke in einer Zwickmühle. Es geht wenige Monate vor der Landtagswahl im September und angesichts herber Verluste bei der Kommunalwahl am Sonntag um ihre Glaubwürdigkeit, aber auch um den Erhalt der derzeit einzigen rot-roten Koalition in Deutschland. Vor der Landtagswahl 2009 unterstützte die Linke in Brandenburg noch ein – am Ende erfolgloses – Volksbegehren gegen neue Tagebaue. In den – von der Bundespartei abgelehnten – Koalitionsverhandlungen dann musste sich die Linke der kohlefreundlichen SPD beugen. Dabei ist der Kohleausstieg bis 2040 Parteilinie in Brandenburg, bestätigt selbst unter Rot-Rot auf Landesparteitagen. Selbst Linke-Landeschef Christian Görke ließ vor einem Jahr gegenüber der SPD noch die Muskeln spielen und sagte: „Die Genehmigung von Welzow-Süd ist kein Selbstläufer.“

Eine Entscheidung im von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführten Kabinett mit den Stimmen der Linke-Minister für den neuen Tagebau, in dem der schwedische Energie-Staatskonzern von 2027 bis 2042 rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle für sein Kraftwerk Schwarze Pumpe fördern will, stünde im Widerspruch zur Beschlusslage der Linken. „Ihr verratet euch selbst“, sagte Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid.

Die Bundesspitze der Partei nimmt den Widerspruch durchaus ernst. Schon am Montag bekräftigte der Bundesvorstand einem Beschluss die Position aus dem Bundeswahlprogramm, wonach die Linke den Kohleausstieg, ein Verbot für neue Kraftwerke und für neue Tagebaue fordert. Das letzte Kohlekraftwerk müsse spätestens 2040 vom Netz gehen. Die Linke-Bundestagsfraktion bereite zudem ein Ausstiegsgesetz vor. „Dafür streitet die Linke im Bund und in den Ländern für parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheiten.“

Beim Gespräch mit den Parteizentrale-Besetzern von Greenpeace am Dienstagmittag lehnte Linke-Chefin Katja Kipping eine Weisung der Bundespartei an die Brandenburger Linke ab, ebenso die von Greenpeace geforderte offizielle Aussage, dass die Linke-Bundesspitze gegen den neuen Tagebau ist, für den 800 Menschen in Welzow und ein Agrarbetrieb mit 90 Mitarbeitern umgesiedelt werden müssen. Und mit dem, das räumen selbst Linke-Minister ein, Brandenburg seine Klimaschutzziele zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes (CO2) nicht einhalten kann, zumal die Vattenfall-Kraftwerke in der Lausitz zu den dreckigsten in Europa zählen. Mit einem Braunkohleplan gäbe es nach Raumordnungsrecht grundsätzlich grünes Licht für einen neuen Tagebau, also auch ein politisches Signal, bevor dann die bergrechtlichen Genehmigungen folgen müssen.

Greenpeace lief auch mit der Forderung ins Leere, dass die Kabinettsentscheidung zumindest verschoben werden muss oder dass sich die Linke-Minister den Braunkohleplan ablehnen müssen. „Das wäre der Bruch der Koalition“, sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord, lange Jahre Landeschef der Linken in Brandenburg und einer der Väter des Koalitionsvertrages mit der SPD. Tatsächlich verkündete die Landtagsfraktionschefin Margitta Mächtig parallel in Potsdam, dass alle vier Linken-Minister im rot-roten Kabinett dem Braunkohleplan zustimmen. Auch Umweltministerin Anita Tack, deren Haus die Vattenfallpläne mit Gutachten und Stellungnahmen, wonach der neue Tagebau energiepolitisch völlig unnötig sei, zuvor vehement abgelehnt hatte.

Dennoch wollen sich Vertreter von Greenpeace, der Linken aus Brandenburg und von der Bundespartei erneut am Montag in Potsdam treffen und darüber reden. Die Parteizentrale in Berlin bleibt bis dahin besetzt.

Was den Linken noch alles blühen könnte, deutete Matti Nedoma, Justiziar des Firmenverbundes Proschim, der durch den neuen Tagebau seine Existenz bedroht sieht, an. „Wir haben eine aufgeheizte und polarisierte Situation, wie es sie seit Horno nicht gegeben hat.“ Horno sollte das letzte Dorf sein, das für die Braunkohle abgebaggert wird. So hatte es 1998 der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) versprochen. Und dann, seit 2009, „haben die Menschen ihre Hoffnung auf die Linke gesetzt“, sagte Nedoma. Sie würden nun enttäuscht. Günter Jurischka von der „Allianz für Welzow“ bezeichnete die Linke als Partei der Konzerne, die die Interessen der Konzerne bedingungslos abnicke. Kaum an der Macht, habe sie ihre Vorsätze über Bord geworfen. Alexander Fröhlich

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