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Brandenburg: Brauner Speck im Spaßbad

Besucher trägt KZ-Tattoo in Oranienburg. Und keiner nimmt Anstoß – auch die Polizei zunächst nicht

Oranienburg - Der Fall eines mutmaßlichen Neonazis, der am vergangenen Samstag in der Turm-Erlebniscity, das Spaßbad der Stadt Oranienburg (Oberhavel), sein KZ-Tattoo in aller Öffentlichkeit präsentierte, hat in der Polizei interne Untersuchungen ausgelöst. Der Grund: Entgegen der Einschätzung des Staatsschutzes der Polizeidirektion Nord und der Staatsanwaltschaft Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) erfüllt das Tattoo entgegen erster Einschätzungen der Polizei in Oranienburg doch einen Straftatbestand. Nach PNN-Recherchen gab es offenbar Versäumnisse bei der Polizei.

Wie berichtet macht sei einigen Tagen ein Foto von dem Tattoo bei Facebook die Runde. Aufgenommen wurde es am vergangenen Samstag in dem Spaßbad. Zu sehen ist ein Mann Ende 20 von hinten in Badehose, der mit seinem Sohn in dem Bad ist. Über dem Hosenbund ist ein Nazi-Tattoo zu sehen: Die Silhouette eines Konzentrationslagers, darunter in altdeutscher Schrift der Spruch „Jedem Das Seine“, der auch auf dem Haupttor des Konzentrationslagers Buchenwald stand.

Geschossen hat das Foto der Berliner Journalist Alexander M.. Namentlich genannt werden möchte er nicht. „Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, was in der Gesellschaft offenbar geduldet wird“, sagte er am Donnerstag den PNN. Der Mann habe sein Tattoo „selbstverständlich zur Schau gestellt, als wäre es ein „Arschgeweih von 1999. Aber niemand hat sich daran gestört. Das fand ich bemerkenswert“. Weil er das Tattoo als Skandal und „echte Grenzüberschreitung“ empfand, habe er gleich einen Schwimmmeister informiert. „Doch der zeigte sich sehr gleichgültig“, sagte M. Er habe nur erwidert, dass er dagegen nun auch nichts tun könne, er aber nicht die Ansichten des Neonazis teile. „Aber am schlimmsten fand ich, dass kein anderer Badegast Anstoß an dem antisemitischen Tattoo genommen hatte“, sagte M. Er habe dann einen anderen Schwimmmeister erneut auf das Nazi-Tattoo hingewiesen – und dass sie „hier einen echten Skandal riskieren“. Tatsächlich musste der mutmaßliche Neonazi dann das Bad nach etwa einer halben Stunde verlassen.

Für Turm-Geschäftsführer Kay Duberow stellt sich der Vorgang anders dar. Laut Duberow darf der von M. zuerst informierte Schwimmmeister in solchen Fällen kein Hausrecht ausüben und muss am Schwimmbecken bleiben, um den Badebetrieb zu beaufsichtigen. Der Schwimmmeister habe aber nach Dienstvorschrift den diensthabenden Chef im Bad informiert. Die Dienstvorschrift war 2011 eingeführt worden, damals gab es einen Vorfall mit einem Badegast, der mit Hakenkreuz–Tattoo herumlief.

Am Samstag befragte der Chef vom Dienst – wie seither vorgeschrieben – am Telefon die Polizei in Oranienburg wegen des KZ-Tattoos – doch die prüfte nur, ob es sich um Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen handelt. Handelte es sich nicht. Die Polizei sah keinen Verdacht auf eine Straftat – eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte. Dennoch schritt die Badleitung ein und forderte den mutmaßlichen Neonazi auf: T-Shirt überziehen oder das Bad verlassen, was er dann tat.

Am Mittwoch dann konfrontierte die „Bild“-Zeitung die Polizei mit dem Foto vom braunen Rückenspeck. Die leitete gleich Ermittlungen ein. Der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann in Neuruppin erklärte zu dem Tattoo: „Das ist für uns Volksverhetzung.“ Das Problem: Von dem Mann mit KZ-Tattoo wurden keine Personalien aufgenommen. Warum aber die Polizei nicht schon am Samstag einschritt und eine Anzeige aufnahm, wird nun intern geprüft.

Übrigens prangt auch auf dem Bauch des Mannes auch ein Tattoo: ein Reichsadler. Wo sonst das Hakenkreuz stünde, ist der Bauchnabel.Alexander Fröhlich

Alexander Fröhlic

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