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In schwerem Fahrwasser. Brandenburgs Wirtschaft ist in der Coronakrise auf schnelle Hilfe angewiesen.

© picture alliance / dpa

Brandenburgs Wirtschaft in der Coronakrise: Ansturm auf Soforthilfe in Brandenburg

17.000 Anträge erhielt die Investitionsbank von Brandenburger Betrieben allein am ersten Tag. Massive Folgen auch für das Handwerk befürchtet. 

Von Matthias Matern

Potsdam - Das erste Geld aus dem neuen Soforthilfeprogramm des Landes war noch vor der Mittagspause unterwegs. „Die erste Zahlungsanweisung war bereits nach knapp zweieinhalb Stunden fertig“, sagte Ingrid Mattern, Sprecherin der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB). Am gestrigen Mittwoch ist das angekündigte Hilfspaket für die von der Coronakrise stark betroffene brandenburgische Wirtschaft gestartet. Insgesamt seien am ersten Tag bis 18 Uhr 17.000 Anträge eingegangen, teilte Mattern am Abend mit. Allein bis zum Mittag seien es knapp 5000 gewesen. Eigentlich hatte die ILB insgesamt nur mit rund 15.000 Anträgen gerechnet. 

Land stellt zunächst 7,5 Millionen Euro bereit

Die Höhe der Hilfen richtet sich wie berichtet nach der Zahl der Beschäftigten: Für bis zu fünf Erwerbstätige sind maximal 9000 Euro möglich, für bis zu 15 Erwerbstätige maximal 15.000 Euro, Betriebe mit bis zu 50 Erwerbstätigen erhalten höchstens 30.000 Euro, mit bis zu 100 Erwerbstätige höchstens 60.000 Euro. Das Land stellt zunächst 7,5 Millionen Euro sofort bereit, weitere Mittel sollen aus dem geplanten Nachtragshaushalt kommen, über den der Landtag kommende Woche entscheiden wird. 

100 Sachbearbeiter der ILB im Einsatz

Laut Mattern ist die Bandbreite der Antragssteller ebenfalls groß. „Es ist das gesamte Spektrum vom kleinen Solo-Selbstständigen bis zum Großbetrieb mit 80 Angestellten.“ Rein subjektiv sei aber auch eine große Zahl an Physiotherapeuten und Psychotherapeuten unter den Antragsstellern. „Aber auch sehr viele freiberufliche Künstler.“ Bei der ILB kümmern sich Mattern zufolge derzeit etwas mehr als 100 Sachbearbeiter um die Anträge. „Wir haben Mitarbeiter aus den anderen Fachbereichen abgezogen und in Windeseile geschult“, so die ILB-Sprecherin. 

Auch Handwerk stark betroffen

Derweil wird immer deutlicher, wie weitreichend die wirtschaftlichen Folgen der Krise sind. Durch Absagen aller Veranstaltungen, Schul- und Kita-Schließungen, Produktionsunterbrechungen oder Quarantänemaßnahmen sind laut dem Brandenburgischen Handwerkskammertag inzwischen alle Gewerke der mehr als 40.000 Betriebe von der Krise betroffen. „Am stärksten trifft es natürlich durch die verschärften Maßnahmen seit dem Wochenende die Friseure und Kosmetiker“, erklärte das Gremium. In Brandenburg mussten demnach fast 4400 Friseur- und Kosmetikunternehmen schließen. Auch Betriebe in Kombination mit Einzelhandel gehörten zu den Betroffenen, wie der Handwerkskammertag berichtete. Beispiel Kfz-Gewerbe: Der Verkauf musste schließen, die Werkstätten dürfen weiter geöffnet bleiben. Aber auch Bäcker und Fleischer hätten mit erheblichen Umsatzrückgängen zu kämpfen, da weniger Menschen in die Geschäfte kämen. Zudem sei auch hier das Café-Geschäft – „ein wichtiges Standbein bei den Bäckern“ – weggebrochen.

IHK: Liquidität für den Fortbestand der Firmen wichtig

Derweil ermunterten gestern die kulturpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grüne im Landtag auch Kulturschaffende und Kulturbetriebe, sich auf die Soforthilfe des Landes zu bewerben. Weitere Hilfsangebote für die Kultur würden zudem gerade zwischen dem Land und dem Bund abgestimmt, hieß es.  Auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK), Peter Heydenbluth, rief Unternehmen auf, sich bei der ILB zu melden und Hilfe zu beantragen. „Wichtig ist jetzt die Liquidität für den Fortbestand Ihrer Firmen“, mahnte Heydenbluth. Der IHK zufolge seien in den vergangenen Tagen rund 1000 Telefonate und E-Mails von Unternehmen eingegangen. Die vorwiegenden Themen seien die schnelle Liquiditätssicherung durch Bundes- und Landeshilfen, Stundungen, Kurzarbeit und Schließungen. 

Kontaktloser Runder Tisch zum Tourismus

Auch viele Gastwirte und Hoteliers befinden sich laut ILB unter den Antragsstellern für die Soforthilfe. Durch das Ausbleiben der Touristen war die Branche eine der ersten, die die Folgen der Krise zu spüren bekam. Am heutigen Donnerstag lädt deshalb die Veranstaltergemeinschaft des Brandenburgischen Tourismustages zu einem kurzfristigen Branchendialog mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ein. Die Veranstaltung wird ab 15 Uhr ohne Publikum durchgeführt und über die Kanäle Facebook und YouTube live übertragen. Teilnehmen sollen unter anderem Ellen Rußig, Stellvertretende Vorsitzende des Landestourismusverbandes, Olaf Schöpe, Präsident, und Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands in Brandenburg, sowie Dieter Hütte, Geschäftsführer, TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH.

UVB: Nahverkehr muss aufrecht erhalten bleiben

Unterdessen warnte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck, gestern davor, das Angebot im öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadtregion angesichts der Coronakrise weiter zu reduzieren. „Die Beschäftigten wollen zuverlässig und vor allem sicher zur Arbeit kommen. Angesichts des reduzierten Zug-Angebots etwa bei der BVG ist das derzeit aber nicht überall gegeben“, so Amsinck. Damit bestünde die Gefahr, dass das Wirtschaftsleben noch stärker eingeschränkt wird als ohnehin schon. 
Um die Folgen der Krise möglichst abzufedern, zeigen weiterhin viele Unternehmen der Region Kurzarbeit an. „Die Zahl der Anzeigen liegt inzwischen deutlich im vierstelligen Bereich“, sagte Doreen Ließ, Sprecherin der Agentur für Arbeit Potsdam, gestern den PNN. Die Agentur stünde vor der Herausforderung, die Anzeigen so schnell zu bearbeiten, wie es sich die Firmen wünschen. Nur: „Wir kommen nicht hinterher“, sagte Ließ und bat um Verständnis. „Jeder bekommt sein Geld.“ Derzeit werde die Zahl der zuständigen Mitarbeite „massiv auf bald 80 Kollegen“ aufgestockt. Vor einer Woche waren es noch gut 20. 

Erleichterung will auch die Krankenkasse AOK Nordost bieten. Kleinunternehmern könnte unbürokratisch der Sozialbeitrag gestundet werden, heißt es in einer Erklärung. Ein entsprechender Antrag könne ab sofort über das Servicetelefon 0800 2650800 oder online unter www.aok.de/nordost/mailgestellt werden. (mit dpa)

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