zum Hauptinhalt
Gut unterrichtet. Die Schüler in Brandenburg sind im Deutschland-Vergleich gut betreut. Das Bundesland hat sich mit 13,8 Schülern je Lehrer inzwischen sogar auf Platz 3 aller Länder vorgearbeitet.

© dpa

Brandenburgs Schüler starten in neues Schuljahr: Nicht alle Lehrer sind schon da

An Brandenburgs Schulen startet wieder der Unterricht, mit 1400 neuen Lehrern – und alten Problemen. Ein Überblick über die aktuelle Situation.

Potsdam - Nach den Sommerferien geht es nun wieder los: Ab Montag beginnt im Land Brandenburg für 281 000 Kinder und Jugendliche der Unterricht. Genügend Lehrer sind da, der Unterricht an allen Schulen ist gewährleistet. Das war die wohl wichtigste Botschaft von Bildungsminister Günter Baaske (SPD) am Donnerstag in Potsdam auf der Pressekonferenz zum Start des neuen Schuljahres 2016/2017: „Noch im Frühjahr war ich skeptisch, ob das gelingt, 1400 Lehrer zu gewinnen.“ Wie steht es aktuell um das Schulsystem? Ein PNN-Überblick.

Brandenburg lockt 1400 Lehrer

Alle Bundesländer suchen neue Lehrer – wie Brandenburg. Trotzdem hätten die vier staatlichen Schulämter „die Bewährungsprobe mit Bravour“ bestanden, sagte Baaske. So beginnen jetzt 1400 neue Lehrer ihren Dienst, womit Brandenburg nunmehr 19 300 Lehrer an den staatlichen Schulen beschäftigt. Das sind rund 2000 mehr als noch vor ein paar Jahren. Auch gegenüber dem Vorjahr ist es ein deutliches Plus: 600 Pädagogen gingen jetzt in Pension. Knapp 200 der neuen Lehrer mit unbefristeten Jobs sind gestandene Lehrer aus anderen Bundesländern, davon 110 aus Berlin, die nun nach Brandenburg wechseln. Hier lockt – anders als in Berlin und in Sachsen – der Beamtenstatus. „Ohne Verbeamtung finden wir die Lehrer nicht“, sagte Baaske. Die neu eingestellten Lehrer sind im Schnitt 37,4 Jahre alt, Brandenburgs Lehrer 49,9 Jahre. Unter den Neueinstellungen sind 300 Lehrkräfte mit befristeten Verträgen. Dies seien vor allem Schwangerschafts- und Elternzeitvertretungen, erklärte Baaske. Bei befristeten Lehrern setzt das Land auch auf 225 „Seiteneinsteiger“, von denen jeder zweite einen Hochschulabschluss hat.

Drittbeste Ausstattung in Deutschland

Brandenburg hatte nach 1990 fast zwei Jahrzehnte eins der am schlechtesten ausgestatteten Schulsysteme Deutschlands. Es wurden fast keine neuen Lehrer eingestellt. Das hat sich erst seit 2009 mit der rot-roten Regierung verändert, mit jährlichen Aufstockungen des Bildungsetats. Zwar klagt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach wie vor über Überlastungen und Unterbesetzungen. Doch im Deutschland-Vergleich steht Brandenburg inzwischen gut da, wie eine Erhebung der Kultusministerkonferenz (Stand Schuljahr 2014/2015) zur Schüler-Lehrer-Relation von öffentlichen und freien Schulen belegt. Brandenburg hat sich mit 13,8 Schülern je Lehrer danach inzwischen sogar auf Platz 3 aller Länder vorgearbeitet. Nur Thüringen (12,1) und Sachsen-Anhalt (13,0) stehen noch besser da. Zum Vergleich: In Bayern, dessen Schulsystem oft als vorbildlich angeführt wird, liegt die Schüler-Lehrer-Relation nach der KMK-Statistik bei einem Wert von 14,7, in Baden-Württemberg bei 14,5, in Schleswig-Holstein - dem Schlusslicht der Bundesrepublik - bei 16,1 und Bremen bei 15,7.

Kranke, Schwänzer, Problemregionen

Es war vor einem Jahr, auf der gleichen Pressekonferenz, als Baaske auf ein Phänomen des Blaumachens von Lehrern hinwies. Er brach damit ein Tabu, löste prompt einen Sturm der Entrüstung bei Lehrergewerkschaften wie der GEW aus. Er sagte, dass zu Ferienbeginn der Krankenstand der Lehrerschaft signifikant sinke, und pünktlich zum Schuljahresbeginn wieder ansteige. Wie es heute aussehe? Baaskes Antwort: „Nicht anders.“ Überhaupt ist der Krankenstand nach seinen Worten – mit allein 500 dauerkranken Lehrern – eine Belastung, „besonders für die Kollegen an den Schulen“. Es werde auch im neuen Schuljahr eine der größten Herausforderungen sein, den Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten. Es bleibe daher beim Vertretungsbudget von zehn Millionen Euro, aus dem Schulen Ersatzlehrer – etwa Pensionäre – bezahlen können. Und es gibt zudem weiterhin Regionen, in denen es schwierig ist, genügend Lehrer zu finden. So waren am Donnerstag landesweit 81 Stellen noch nicht besetzt, mit einem Ausreißer: Im für Ostbrandenburg zuständigen Schulamtsbezirk Frankfurt an der Oder fehlten noch 50 Pädagogen, im Amtsbezirk Brandenburg an der Havel (auch Potsdam gehört dazu) waren es 22 und in Cottbus 3. Es sei schwierig, für diese von Berlin entfernte Gegend an der polnischen Grenze Lehrer zu finden, so Baaske. Seine früher verfolgte Idee, mit einer „Buschzulage“ Lehrer in berlinferne Regionen zu locken, hat der Bildungsminister inzwischen beerdigt. „Es hat nicht gefruchtet.“ Brandenburgs Schulsystem brauche endlich eine vorrausschauende Personalpolitik, forderte der CDU-Bildungsexperte Gordon Hofmann. Er sprach sich für ein Landeslehrerstipendium aus, das die CDU vor dem Sommer vorgeschlagen hatte.

Nachholbedarf an Potsdamer Universität

Auch in den nächsten Jahren wird Brandenburg die Werbetrommel für neue Lehrer rühren müssen, damit es nicht zu Engpässen im Unterricht kommt. „Wir werden jedes Jahr 800 bis 900 Lehrer einstellen müssen“, sagte Baaske. Schon aus der Zahl ergibt sich, dass Brandenburg selbst nicht genügend Lehrer ausbildet. Die Uni Potsdam, die einzige Hochschule für werdende Pädagogen, verlassen jedes Jahr 450 Absolventen. Baaske macht keinen Hehl daraus, dass das aus seiner Sicht zu wenig ist. Es habe dazu bereits einen regen Schriftverkehr mit der früheren Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) gegeben, auch Gespräche mit der Uni: „Ich wünsche mir, dass da ein bisschen mehr passiert.“

Flüchtlingskinder

An Brandenburgs Schulen werden inzwischen 6000 Flüchtlingskinder unterrichtet. Allerdings dauere es manchmal zu lange, ehe nach Ankunft in der Kommune der Schulbesuch gewährleistet werde, sagte Baaske. Es gebe Schulen, deren Kapazität an Grenzen stoße. Er deutete auch an, dass es Landkreise gibt, die mauern. „Wir werden Verzögerungen nicht hinnehmen. Da ist mehr Phantasie gefragt.“ Die Ausbildung von Lehrern, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten können, werde gegenwärtig massiv ausgeweitet. Und bei der Frage, wie Integration im Alltag der Schulen klappe, wurde Baaske, sonst eher ein burschikoser Typ, sogar sentimental. „Ich habe Unterricht erlebt, mit Syrern, Irakern, Afghanen, der hat mir vor Rührung die Tränen in die Augen getrieben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false