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Die Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat den Rettungsschirm zum Überstehen der Coronakrise zum zweiten Mal innerhalb einer Woche erhöht. 

© Kay Nietfeld/dpa

Brandenburgs Corona-Finanzhilfe: Rettungsschirm wird auf zwei Milliarden erhöht

Um die finanziellen Folgen der Coronakrise abzufedern, legt Brandenburg noch einmal nach. Anträge auf Soforthilfe können können Klein- und Kleinstbetriebe mit bis zu 100 Mitarbeitern oder Freiberufler stellen.

Potsdam - Unterstützung für insolvenzbedrohte Unternehmer, Hilfe für polnische Pendler, Erlass der Kitagebühren und hohe Anschaffungskosten für Material. Um die Folgen der Coronakrise abzumildern, soll der Brandenburger Rettungsschirm von einer Milliarde auf zwei Milliarden Euro erhöht werden. Darauf haben sich die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grünen am Freitag verständigt. Am Montag kommt der Finanzausschuss des Landtags deshalb zu einer Sondersitzung zusammen, am Mittwoch soll der Rettungsschirm bei der Plenarsitzung des Landtags verabschiedet werden. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen rund um die geplanten Finanzhilfen des Landes.

Der Rettungsschirm war doch diese Woche erst erhöht worden. Warum nun noch einmal?

Tatsächlich hat der Finanzausschuss des Landtages erst am Mittwoch einer Erhöhung des Rettungsschirms von ursprünglich 500 Millionen auf eine Milliarde Euro zugestimmt. Es werfe ein fragwürdiges Licht auf die Lagebeurteilung der Landesregierung, im Wochentakt die Summe zu verdoppeln, sagte der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, am Freitag. „Ein Kabinett mit dem Informationsstand und der Ressourcenausstattung wie in Brandenburg muss in der Lage sein, die Größenordnung realistisch abzuschätzen. Dies scheint derzeit nicht gegeben zu sein“, so Vida.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) begründete die erneute immense Aufstockung am Freitag so: Man müsse mit weiteren Maßnahmen in der Coronakrise und damit weiteren Ausgaben rechnen. Vor diesem Hintergrund sei es notwendig, den Rettungsschirm des Landes deutlich weiter aufzuspannen als bislang vorgesehen. „Wir ziehen dabei alle Register von massiven Soforthilfen für die Wirtschaft über die Erstattung von Kita-Beiträgen bis hin zur Unterstützung unserer Krankenhäuser.“ CDU-Fraktionschef Jan Redmann begründete die Aufstockung in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz der Koalitionsfraktionsspitzen am Freitag in Potsdam auch mit dem Ansturm auf die Soforthilfen für Klein- und Kleinstbetriebe.

Wie viele Anträge auf Soforthilfe, die seit Mittwoch gestellt werden können, sind inzwischen eingegangen?

Bei der Investitionsbank Brandenburg sind bislang rund 37 000 Anträge auf Soforthilfe des Landes eingegangen. „Alle Antragsteller, die einen korrekten Antrag eingereicht haben und berechtigt sind, werden Soforthilfe erhalten“, betone der Vorstandsvorsitzende der Investitionsbank Brandenburg, Tillman Stenger, am Freitag. Die ersten Gelder seien bewilligt. Rund 2,5 Millionen Euro stünden zur Auszahlung an. Einen Antrag auf Soforthilfe können Klein- und Kleinstbetriebe mit bis zu 100 Mitarbeitern oder Freiberufler stellen.

Was ist mit Hilfen für polnische Pendler, die nach Anordnung aus Polen in Quarantäne müssen, sobald sie dort wieder einreisen?

Brandenburgs finanzielles Hilfsangebot für pendelnde polnische Arbeitnehmer stößt nach Aussage von Finanzministerin Katrin Lange (SPD) auf großes Interesse. Es hätten sich bereits viele Arbeitnehmer gemeldet, die bei der Rückreise nach Polen zwei Wochen in Quarantäne müssten und dann nicht an ihre Arbeitsplätze in Brandenburg zurückkehren könnten, sagte Lange am Freitag im rbb-Inforadio: „Unsere Telefone, E-Mail-Accounts laufen über.“ Die Aufwandsentschädigung trage entscheidend dazu bei, das Wirtschaftsleben in Brandenburg aufrecht zu halten, betonte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Freitag. Er appellierte noch einmal an die polnischen Pendler, in Brandenburg zu bleiben. Nach den am Donnerstag abgestimmten Regelungen bekommen Unternehmen, die polnische Grenzpendler beschäftigen ab sofort eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 65 Euro pro Tag. Hinzu kommen 20 Euro täglich für jedes sich im Land Brandenburg aufhaltende Familienmitglied der Beschäftigten. 

Betroffen von der seit Freitag geltenden polnischen Quarantäne-Anordnung sind Kliniken, Pflegeheime, Agrarbetriebe, Logistikfirmen. „Uns fehlen dann zehn von 24 Kardiologen“, sagt Rüdiger Heicappell, Ärztlicher Direktor der Asklepios-Klinik in Schwedt (Uckermark) mit Blick auf die neue Verordnung. „Insgesamt sind vielleicht sogar 45 von 140 Medizinern nicht mehr da.“ Insgesamt pendeln rund 15 000 Polen zum Arbeiten regelmäßig nach Brandenburg. Hinzu kommen die Erntehelfer, die etwa auf den Spargelfeldern in Beelitz zum Einsatz kommen.

Auch die Restaurants in Potsdam sind geschlossen. 
Auch die Restaurants in Potsdam sind geschlossen. 

© Ottmar Winter

Bei Gaststättenbetreibern gibt es Unsicherheit, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können. Wie ist da die Lage?

Die Gaststätten sind nach einer Verordnung des Landes zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung geschlossen, nur noch Lieferservice ist erlaubt. Nach Einschätzung des Potsdamer Rechtsanwaltes Thorsten Purps entspricht das einem beruflichen Tätigkeitsverbot gemäß Infektionsschutzgesetz. Für diesen Fall stünde nach seiner Rechtsauffassung jedem Mitarbeiter eines Gaststättenbetreibers sowie dem Gastronom selbst ein Verdienstausfallsanspruch für die ersten sechs Wochen zu. 

Ab der siebten Woche bestehe ein Anspruch in Höhe des Krankengeldes. „Leider sind die Vertreter im Wirtschaftsministerium ebenso wenig wie im Gesundheitsministerium oder beim Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit derzeit einig darüber, ob den Gaststättenbetreibern die Ansprüche zustehen“, sagt Purps. Gastronomen sollten sich nicht alleine auf die angelaufene Corona-Soforthilfe des Landes verlassen, sondern vorsorglich Anträge auf Verdienstausfallentschädigung beim Landes für Arbeitsschutz stellen, rät der Rechtsanwalt.

Wird das Geld auch für die dringend benötigte Ausstattung der Krankenhäuser eingesetzt?

Ja, das ist geplant. Mehr Beatmungsgeräte für Patienten und mehr Schutzausrüstung für Ärzte, Schwestern und Pfleger soll angeschafft werden. Die Preise dafür seien inzwischen horrend, der Kampf ums Material weltweit entbrannt, so Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). „Als Landesregierung unternehmen wir alles, was in unserer Macht steht, um Einschnitte für die Bevölkerung und die Wirtschaft abzufedern und die gesundheitliche Versorgung aufzustocken“, sagte Nonnemacher am Freitag.

Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. 
Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. 

© Sebastian Rost

Wie wird Eltern finanziell geholfen, die wegen geschlossener Kitas und Schulen zu Hause bleiben müssen?

Eltern, die ihre Kinder wegen der Schließung von Kitas und Schulen zu Hause betreuen müssen, sollen wie berichtet ab 1. April vorerst keine Beiträge zahlen müssen. Das Bildunsgsministerium schätzt das Fördervolumen auf rund 14 Millionen Euro pro Monat. Rund 187 000 Kinder werden im Land laut Ministerium betreut, davon seien derzeit rund sieben Prozent in Notbetreuung, die für Eltern in wichtigen Berufen wie Krankenschwestern oder Polizisten angeboten wird. Die oppositionelle Linksfraktion fordert auch das Aussetzen der Kitagebühren für diejenigen, die ihre Kinder derzeit in die Kitas schicken müssen. Jetzt, da der Rettungsschirm noch einmal aufgestockt werde, müsse das Geld dafür da sein.

Woher nimmt Brandenburg überhaupt so viel Geld?

Aus Sicht von Finanzministerin Katrin Lange (SPD) ist für den Rettungsschirm mit einer weiteren Erhöhung der Neuverschuldung des Landes zu rechnen. Die tatsächliche Höhe werde sich erst im Laufe des Jahres herausstellen. „Wir sprechen hier von Ermächtigungen zur Kreditaufnahme. Man muss sie nicht voll in Anspruch nehmen, wenn das nicht notwendig ist“, erklärte Lange am Freitag. Die zusätzliche Milliarde steht zudem unter der Bedingung, dass der Haushaltsausschuss weiteren Ausgaben aus dem Topf zustimmen muss. Der Kredit für den Rettungsschirm soll „binnen der nächsten 30 Jahre zurückgezahlt werden“, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. „Das bedeutet für jedes Haushaltsjahr eine zusätzliche Belastung in Höhe von 66 Millionen Euro.“

Werden geplante Investitionen des Landes etwa in Kitas und Straßenbau ausfallen?

Das kann niemand komplett ausschließen. Finanzministerin Lange rechnet mit rund einer Milliarde Euro geringeren Steuereinnahmen in Brandenburg im Jahr 2020. „Es kann auch noch schlimmer kommen“, so Lange. Michael Stübgen (CDU) sprach von wirtschaftlichen Schäden „von historischem Ausmaß“. SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte, die Höhe des Schirms klinge nach einer schwindelerregenden Summe. Aber: „Wir müssen uns das leisten.“

Die Frage ist: Was kann sich Brandenburg noch leisten, wenn die Krise überstanden ist? Die geplanten Qualitätsverbesserungen in den Kitas seien auch über das Gute-Kita-Gesetz des Bundes abgesichert, sagte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke am Freitag. Der Zukunftsinvestitionsfonds der Kenia-Koalition für kommunale Projekte etwa zur Verbesserung der Infrastruktur in Höhe von einer Milliarde Euro, der vor der Coronakrise aufgelegt wurde, bleibe unberührt, sicherte auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann zu. (mit hah/dpa)

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