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Ingo Senftleben (CDU) will Brandenburgs nächster Ministerpräsident werden. Dann würde er den neuen gemeinsamen Landesentwicklungsplan „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ beschließen.

© J. Carstensen/dpa

Brandenburgs CDU-Chef Senftleben: "Ich werde den Vertrag mit Berlin kündigen"

Brandenburg und Berlin wollen einen neuen gemeinsamen Landesentwicklungsplan beschließen. Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben schildert im PNN-Interview, warum er gegen dieses Vorhaben ist.

Potsdam/Berlin - Das Kabinett in Potsdam und der Berliner Senat werden am Dienstag auf einer gemeinsamen Sitzung den neuen gemeinsamen Landesentwicklungsplan „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ beschließen. Er legt für Jahrzehnte fest, dass neue Wohn- und Gewerbegebiete vorrangig in Orten entlang der Bahntrassen aus der Mark in die Metropole ausgewiesen werden dürfen, dem berühmten „Siedlungsstern“, während für die Gebiete dazwischen wie bisher Bau-Restriktionen gelten. Im PNN-Interview fordert nun CDU-Chef Ingo Senftleben, der nach der Landtagswahl am 1. September Ministerpräsident werden will, eine Abkehr von dieser Strategie.

Herr Senftleben, was stört Sie am neuen Landesentwicklungsplan?
Schon der Name steht stellvertretend für das Kernproblem: Es geht allein um die Hauptstadtregion, nicht um das gesamte Land Brandenburg. Er wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht, behindert Entwicklungen.

Wie kommen Sie darauf?

Die Metropole Berlin wächst, wird weiter stark wachsen. Gemeinsames Ziel muss es doch sein, dass dies auf Brandenburg ausstrahlt, weit über den Speckgürtel hinaus. Denn auch Berlin profitiert davon, weil es Druck vom dortigen Wohnungsmarkt mit rasant steigenden Mieten nimmt, wenn mehr Menschen nach Brandenburg ziehen können. Dafür braucht es aber mehr Wohnraum, Kindergärten, Schulen und bessere Verkehrsanbindungen. Zudem bietet die Digitalisierung die Chance, Jobs anders zu organisieren, weil man auch von zu Hause kommunizieren und arbeiten kann, vielleicht nicht pendeln muss. Das alles kommt überhaupt nicht vor. Das Problem ist, dass von dieser Dynamik zu viele Orte in Brandenburg ausgeschlossen bleiben oder in ihrem Wachstum behindert werden sollen.

Verrät Ministerpräsident Dietmar Woidke damit Brandenburger Interessen?
Ich sehe das so. Aber es ist schlimmer. Eigentlich verraten beide, Herr Müller in Berlin und Herr Woidke in Brandenburg, jeweils ihr Bundesland. Man muss doch dieses Wachstum endlich so denken, dass die Bevölkerung in Brandenburg und Berlin davon profitiert, beide davon etwas haben. Aber das geschieht nicht.

Brandenburgs Regierung wirft Ihnen vor, maßlos zu übertreiben, Unsicherheit zu schüren.
Das hat man vor der Absage der Kreisgebietsreform auch getan. Aber wir haben ja gute Zeugen, fast achthundert Zeugen aus Brandenburg, nämlich Gemeinden, Städte und Landkreise, die im Beteiligungsverfahren alle kritische Stellungnahmen abgegeben haben, insgesamt mehrere tausend Hinweise: Der Tenor ist einhellig, die Sorge groß, dass dieser Landesentwicklungsplan in den Regionen nicht mögliches Wachstum befördert, sondern eine Wachstumsbremse ist, weil Kommunen nicht frei entscheiden können, neue Wohnbaugebiete auszuweisen. Und zwar im Speckgürtel und in entfernteren Regionen.

Können Sie Beispiele nennen?
Natürlich, uns sind ja viele bekannt. Uns haben ja viele angeschrieben. Nehmen wir die Gemeinde Nuthe-Urstromtal, vierzig, fünfzig Minuten von Potsdam entfernt. Da beklagt der Bürgermeister, dass dort in den nächsten Jahren nur wenige Wohnungen gebaut werden dürften, obwohl der Bedarf eigentlich da ist. Im Norden, in der Prignitz gibt es dieselbe Kritik etwa aus den Ämtern Putlitz, Meyenburg. Ein Amtsdirektor aus dem Süden Berlins hat mir berichtet, dass er kein Haus, keine Wohnung, keine Baufläche mehr anbieten dürfte. Solche Klagen hören wir aus Gemeinden, die ungefähr eine Stunde Fahrtzeit von Berlin oder Potsdam entfernt liegen, die für Pendler attraktiv sein können, wo Menschen hinziehen würden.

Vielleicht sind es trotzdem Wunschträume?
Ich weiß auch nicht, ob jede Hoffnung vor Ort so aufgehen wird. Aber schlimmer wäre es doch, von vornherein zu reglementieren, dass es gar nicht erst gelingen kann.

Wollen Sie riskieren, dass das Berliner Umland völlig zersiedelt wird oder "grüne Lungen" der Metropole bebaut werden?
Auch wir sind dafür, dass Entwicklung geordnet funktioniert, Brandenburg ein Bundesland ist, wo die Natur ein Aushängeschild bleibt. Aber das kann doch nicht dazu führen, dass die Hälfte der Uckermark zum Freiraumverbund um Berlin gehört - und vor Ort dann ein Hotel nicht erweitert werden darf oder dass in einem Ort nur eine Handvoll neuer Einfamilienhäuser erlaubt werden. Wir wollen nicht, dass kommunale Entscheidungen derart von der Landesplanung reglementiert werden, zu wenig Rücksicht auf die Regionen genommen wird.

Im neuen Landesentwicklungsplan wird der neue Hauptstadt-Airport als Single-Standort für Berlin und Brandenburg festgeschrieben. Haben Sie auch damit ein Problem?
Wir brauchen endlich den BER, als Flughafen für Berlin und Brandenburg. Unsere Position ist aber auch: Für eine Übergangszeit, bis am BER wirklich genügend Kapazitäten da sind, wird Tegel weiter benötigt. Nicht dauerhaft, aber einige Jahre. Mit dem veränderten Landentwicklungsplan könnte man sich Luft verschaffen, dass Tegel nicht ein halbes Jahr nach BER-Start geschlossen werden muss. Oder auch zulassen, dass Brandenburger Regionalflughäfen - ich denke da an Neuhardenberg - Entlastungsfunktionen für den BER übernehmen dürfen, Geschäftsflieger erlaubt werden, was bislang ausgeschlossen ist. Das geschieht nicht. Es wird auch hier zu eng gedacht. Man beraubt sich selbst der Chancen.

In Brandenburg wird am 1. September gewählt. Sie sind designierter Spitzenkandidat der CDU, wollen Ministerpräsident werden. Welche politische Konsequenz ziehen Sie, wenn der Landesentwicklungsplan jetzt unverändert beschlossen wird?
Es gibt die berühmten ersten einhundert Tage, wenn man eine Wahl gewonnen und erfolgreich eine Regierung gebildet hat. Ich sage ganz klar: Als Ministerpräsident Brandenburgs werde ich noch in der ersten Woche in einem Brief an das Land Berlin den Landesentwicklungsplan kündigen. Etwas anderes kommt nicht in Frage, natürlich mit dem Hinweis, dass wir zu Neuverhandlungen bereit sind: Berlin und Brandenburg auf Augenhöhe.

Das Interview führte Thorsten Metzner

Zur Person: Ingo Senftleben, 44, ist Vorsitzender der CDU Brandenburg und Fraktionschef im Landtag. Er will nach der Landtagswahl im September Ministerpräsident in Brandenburg werden.

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