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Der überwiegende Teil der Brandenburger lebt gern auf dem Land.

© Sebastian Gollnow/dpa

Brandenburger schätzen das Landleben: Umfrage zur Lebensqualität auf dem Land

Schlechte Infrastruktur, mieses Netz, wenig Jobs – warum die Brandenburger sich trotzdem auf dem Land wohlfühlen.

Potsdam - Die Menschen in ländlichen Regionen Brandenburgs schätzen nach einer Umfrage die Lebensqualität außerhalb der großen Städte. Das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, Mobilfunk und Internet, die medizinische Versorgung und im Kulturbereich wird aber oftmals als unzureichend empfunden. Und mehr als die Hälfte der 16- bis 24-Jährigen im ländlichen Raum will die Heimat in den nächsten Jahren verlassen. Dies geht aus der Befragung von mehr als 1000 Menschen außerhalb des Speckgürtels hervor, die die Enquete-Kommission des Landtags zur „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ in Auftrag gegeben hatte. Die Enquete-Kommission mit Vertretern aus allen Fraktionen soll ein Konzept für die Entwicklung der ländlichen Regionen in Brandenburg erarbeiten und Empfehlungen abgeben. Sie will bis Ende des Jahres einen Zwischenbericht vorlegen.

Mehr als 50 Prozent der Befragten empfehlen das Landleben

Der Vorsitzende der Kommission, Wolfgang Roick (SPD), sagte, mehr als 50 Prozent der Befragten würden einem guten Freund empfehlen, auch in ihren Ort zu ziehen. Jeder Achte würde laut Studie dagegen davon abraten. Er sei von den Ergebnissen positiv überrascht, sagte Roick. Das sei ein Zeichen für die hohe Integrationskraft in den Regionen. Die Mehrheit lebe gerne in den ländlichen Regionen Brandenburgs und schätze unter anderem die Natur. Ein Schlüssel für die Zukunft sei der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur.

Der Vize-Vorsitzende des Gremiums, Henryk Wichmann (CDU), verwies darauf, dass rund 56 Prozent der Befragten den Eindruck hätten, dass Landes- und Kommunalpolitiker sich nicht für die Belange vor Ort interessierten. Im Klartext: Die Möglichkeiten zur Mitbestimmung vor Ort und das Vertrauen in politischen Akteure werden mehrheitlich negativ bewertet. Dagegen besteht am meisten Vertrauen zu den Verwaltungen in den Gemeinden und Städten: Das äußerten 59 Prozent der Befragten.

Mehr als 1000 Menschen befragt

Wichmann erklärte, die Bürger fühlten sich von der Politik verlassen – dies sei ein Beleg dafür, dass es falsch sein, auf größere Gemeindestrukturen zu setzen oder auch – wie von der Regierung geplant – Kreise zu fusionieren. Der AfD-Abgeordnete Sven Schröder erklärte, die Zahlen zeigten, dass in der ländlichen Bevölkerung ein großes Unbehagen über die etablierte Politik herrsche. Für die Umfrage der Info GmbH waren in der ersten Julihäfte mehr als 1000 Menschen ab 16 Jahren in Brandenburg telefonisch befragt worden. Ausgewählt wurden dabei nur Menschen, die außerhalb des Speckgürtels um Berlin wohnten – als Grenze gilt in etwa der Berliner Autobahnring. Mehr als die Hälfte aller Brandenburger lebt außerhalb der Großstadtregion um Berlin.

In der Studie wurden allerdings nicht nur Menschen in kleinen Gemeinden, sondern auch in Frankfurt (Oder) oder Cottbus befragt. Vergleiche zum Speckgürtel gibt es nicht. Die Grünen forderten, die Studie in regelmäßigen Abständen zumindest in Teilen zu wiederholen, um eine Tendenz erkennen zu können. Die Kosten der Studie wurden mit etwa 30.000 bis 40.000 Euro angegeben.

Rund die Hälfte kritisiert die medizinische Versorgung

Im Einzelnen kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent der Befragten die Lebensqualität im ländlichen Raum gut bewerten. 81 Prozent fühlen sich vor Ort wohl. Gesunde Umweltbedingungen, Verfügbarkeit von Hilfen im Notfall und Einkaufsmöglichkeiten werden zu rund 90 Prozent positiv bewertet. Rund die Hälfte beurteilt das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, die medizinische Versorgung sowie Kulturangebote oder Treffpunkte vor Ort aber negativ.

Die Verfügbarkeit von geeigneten Arbeitsplätzen wird überwiegend negativ bewertet: 61 Prozent bewerteten diese als schlecht. Die Jüngeren sehen das optimistischer: Nur 43 Prozent von ihnen bewerteten die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen als schlecht. Die 16- bis 24-Jährigen ziehen daraus auch Konsequenzen. Immerhin 51 Prozent wollen in den kommenden drei Jahren, 21 Prozent binnen eines Jahres fortziehen. Insgesamt plant jeder achte Brandenburger im ländlichen Raum, innerhalb der nächsten drei Jahre aus seiner Gemeinde wegzuziehen. Deutlich häufiger gaben die Befragten dies an, wenn sie in kleineren Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern leben.

Rückkehrer finanziell besser gestellt

Und noch ein Ergebnis, das für Ausgleich sorgen könnte: Der Anteil der Zuzügler ist mit 53 Prozent relativ hoch, besonders in größeren Kommunen. Besonders gern ziehen Menschen im Alter ab 41 Jahren aufs Land. Und zwölf Prozent der Befragten sind Rückkehrer, die in der Gemeinde bereits einmal gelebt haben. Die meisten Rückkehrer gibt es unter den 25- bis 40-Jährigen im ländlichen Raum: Den Angaben zufolge ist es in dieser Altersgruppe jeder Fünfte. Die Rückkehrer haben mit einem Wert von 33 Prozent auch am häufigsten Kinder unter 14 Jahren. Sie sind in der Regel besser gebildet, ein Drittel von ihnen hat eine Fachhochschulreife oder Abitur. Und ihnen geht es finanziell besser als jenen, die immer in ihrem Heimatort geblieben sind. (mit dpa)

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