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Illegal entsorgter Müll liegt in einem Wald im Norden Brandenburgs.

© Patrick Pleul/dpa (Symbolbild)

Brandenburg will durchgreifen: Der Müllmafia auf der Spur

Brandenburg hat als erstes Bundesland eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität eingerichtet. Sie befasst sich nicht nur mit Abfallsünden, sondern hat auch anderes Unrecht im Blick.

Potsdam - Bundesweit gab es schon mehrere Vorstöße. Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) hat es einfach gemacht. Sie hat eine Schwerpunkstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität eingerichtet – und damit hohe Erwartungen geweckt.

„Kampf der Müllmafia!“ So reagierte etwa der CDU-Kreisverband Dahme-Spreewald auf die Nachricht, dass Brandenburg eine solche Staatsanwaltschaft bekommt. Etwas verhaltener, aber nicht minder erwartungsfroh fiel die Reaktion beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Potsdam aus. „Wir halten dies für einen guten Schritt, da wir uns für eine konsequente Ahndung von Umweltstraftaten einsetzen“, schrieb der BUND auf seiner Facebook-Seite. 

Auch Benjamin Raschke, Fraktionsvorsitzender und rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Brandenburger Landtag hofft, dass Umweltstraftaten jetzt besser verfolgt und aufgeklärt werden, wie er auf PNN-Anfrage mitteilte. „Das gilt für den illegalen Abschuss von Wölfen ebenso wie für illegale Abfallentsorgung“, so Raschke.

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„Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der schweren Wirtschafts- und Umweltkriminalität im Land Brandenburg“ – das ist die amtlich korrekte Bezeichnung für die neue Abteilung bei der Staatsanwaltschaft Potsdam, die am 15. Juli offiziell eingerichtet wurde, so neu aber gar nicht ist. Ihre Zuständigkeit wurde lediglich auf den Bereich schwere Umweltkriminalität ausgeweitet. Mit komplizierten Wirtschaftsstrafsachen hat sie sich schon zuvor befasst. „Diese Expertise soll genutzt werden“, antwortet das Justizministerium auf Anfrage.

Beide Kriminalitätsformen haben tatsächlich mehr miteinander zu tun als so mancher zunächst vermuten mag. Profitgier ist ein weitverbreitetes Motiv auch bei Umweltdelikten und hinter einer Tat steckt nicht selten ein komplexes Geflecht von Firmen. Die Aufklärung, so das Ministerium, sei besonders arbeitsintensiv – „zum Beispiel wegen der Notwendigkeit überregionaler Ermittlungen oder weil die Täter als Bande oder als kriminelle Vereinigung organisiert sind“.

Illegale Deponien und Exporte

Eine Gruppierung, die mit Umweltverbrechen besonders auffällt, ist die Müllmafia. Dabei handelt es sich um keine Organisation, sondern um ein Netzwerk von Entsorgern und anderen Akteuren, mal mehr, mal weniger fest verknüpft, die, wenn sich die Gelegenheit ergibt, keine Skrupel haben, Abfälle illegal zu verklappen. Harry Jäkel, Leiter des 2011 gegründeten Kommissariats Schwere Umweltkriminalität beim Landeskriminalamt (LKA) in Eberswalde, spricht auch von „Tatgelegenheitsstrukturen“ und „struktureller Kriminalität“. 

Eine Folge dieser Strukturen: 130 schwarze Deponien allein in Brandenburg, die bis heute nicht geräumt sind. Eine andere: illegale Müllexporte nach Polen. Berend Wilkens, Geschäftsführer der für Genehmigungen und Kontrollen im internationalen Müllhandel zuständigen Sonderabfallgesellschaft SBB, sagte im Februar im Gespräch mit den PNN, dass Unternehmen aus Berlin und Brandenburg „willentlich“ gegen geltendes Recht verstießen.

Die schmutzigen Deals mit Müll sind aber nicht alles. Brandenburg bietet offenbar auch für andere Umweltvergehen günstige Gelegenheiten, wie sich dem aktuellsten „Lagebericht zu Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität“ von 2019 der Polizei Brandenburg entnehmen lässt. Darin heißt es: „Weiterhin werden Straftaten im Zusammenhang mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz begangen.“ Beispielhaft wird das ungenehmigte Betreiben von Biogasanlagen und Windkrafträdern angeführt. Außerdem weist der Bericht auf Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz hin, konkret auf die „Abholzung von Bäumen mit Horsten geschützter Greifvögel in Windparkplanungsflächen“.

Wer soll es bearbeiten?

All dies wären auch Fälle für die Potsdamer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschafts- und Umweltkriminalität. Fraglich ist nur, ob ihre 17 Mitarbeiter – zwei Oberstaatsanwälte, zwölf Staatsanwälte, zwei Wirtschaftsprüfer und ein Buchhalter – diese zusätzlichen Aufgaben bewältigen können. Der Personalbestand wurde nämlich nicht aufgestockt. Die personelle Ausstattung sei auskömmlich, heißt es dazu aus dem Justizministerium. Und weiter: „Je nach Entwicklung des Fallaufkommens kommt eine personelle Nachsteuerung in Betracht.“

Bundesweite Unterschiede

Der Ruf nach Strafverfolgungsbehörden, die sich schwerpunktmäßig der Umweltkriminalität widmen, hallt schon länger durch die Bundesrepublik. Nordrhein-Westfalen hat sich nach mehreren Umweltskandalen bereits vor rund 15 Jahren mit dieser Idee befasst - und wieder verworfen. Die Landesregierung Thüringens schrieb 2014 in ihren Koalitionsvertrag, dass sie das Vorhaben prüfen will. Das Ergebnis: Keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, wegen geringer Fallzahlen, wie es im vergangenen Jahr aus Erfurt hieß. Auch Brandenburgs Regierung lehnte zunächst ab. 

„Die Errichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Umweltkriminalität ist nicht beabsichtigt“, antwortete sie noch im Februar 2019 auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Raschke. Sie verwies auf die Sonderdezernate der örtlichen Staatsanwaltschaften, die bei Umweltdelikten ermittelten und dabei mit Umweltschutzbehörden zusammenarbeiteten. Diese Verfahrensweise habe sich bewährt. Mit dem Regierungswechsel in Potsdam vor einem Dreivierteljahr von der rot-roten zur rot-schwarz-grünen Koalition hat sich diese Einschätzung geändert.

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