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Am 10. April war Cottbus Schwerpunkt einer Großrazzia der Polizei in vier Bundesländern gegen die rechtsextreme Szene. 

© Michael Helbig/dpa

Brandenburg: Wie rechts ist Cottbus?

Cottbus gilt als Hotspot des Rechtsextremismus in Brandenburg. Im vergangenen Jahr geriet die Stadt mit Übergriffen und rechtsgerichteten Demonstrationen bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Und heute?

Cottbus - Freundlich präsentiert sich Cottbus in diesen Tagen. Blumen blühen in gepflegten Parks, Paddler auf der Spree legen sich schon mächtig ins Zeug, die Cafés in der Innenstadt sind gut besucht - auch von vielen ausländischen Studenten der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU). Nichts deutet darauf hin, dass es hier im vergangenen Jahr Übergriffe auf Asylbewerber und Ausländer gab, dass rechtsgerichtete Demonstrationen unter Teilnahme von Rechtsextremisten stattfanden. Doch der Schein trügt. Die Lage in Cottbus bleibt heikel.

Erst Mitte April war die Stadt ein Schwerpunkt einer Großrazzia der Polizei in vier Bundesländern gegen die rechtsextreme Szene. Die Polizei durchsuchte Wohnungen und Geschäftsräume vor allem im Milieu von Hooligans und Kampfsportlern. Sie fand Macheten, Schlagringe und Sturmhauben und laut Polizei auch eine ganze Reisetasche, fertig gepackt mit Hinweisen zum schnellen Losschlagen gegen Zuwanderer und Linke. Derzeit wird gegen 16 Menschen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. 50 Straftaten wurden registriert - darunter Körperverletzung, Verstöße gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung.

Die rot-rote Landesregierung bewertet die Razzia positiv für die Situation in Cottbus. "Es hat sich grundsätzlich schon dadurch verbessert, dass jetzt die Staatsanwaltschaft offen ermittelt und damit auch klar ist: Wir haben viele von denen, die dort für Unruhe gesorgt haben, auf dem Radar", sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). "Ich gehe davon aus, dass es bei der Auswertung dessen, was bei den Durchsuchungen gefunden wurde, zu so viel Potenzial kommt, dass dann auch Anklage erhoben werden kann gegen die Hauptverdächtigen."

400 rechtsextreme Personen

Cottbus ist ein "Hotspot" des Rechtsextremismus im Land - das ist die Einschätzung des Verfassungsschutzes in Brandenburg. Referatsleiter Heiko Homburg spricht von rund 400 rechtsextremen Personen. Die rechtsextreme Szene im Raum Cottbus versuche, auch ökonomisch Fuß zu fassen, sagt Homburg. Eine wirtschaftliche Grundlage für Mitglieder der Szene seien etwa Tattoo-Studios, Plattenlabel oder Shops, die rechte Modelabels oder Fitnesspräparate verkauften.

Im Januar des vergangenen Jahres war die Situation in der Stadt eskaliert. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Syrern in der Stadt. Das führte dazu, dass das Innenministerium in Potsdam veranlasste, zunächst keine weiteren Flüchtlinge aus der Zentralen Erstaufnahme des Landes in Eisenhüttenstadt nach Cottbus zu schicken.

Immer wieder ausländerfeindliche Proteste

In den Monaten danach wurde es kaum ruhiger. Immer wieder gab es ausländerfeindliche Proteste. Mitinitiator war häufig der Spreewälder Verein "Zukunft Heimat". Brandenburgs AfD-Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz nannte die Demonstrationen sinnvoll und berechtigt. Die Polizeipräsenz in der Stadt wurde verstärkt. "Es drohte ein Riss durch Cottbus zu gehen", erinnert sich Oberbürgermeister Holger Kelch.

Die Stadt musste reagieren - zu spät, wie einige sagen. Kelch versucht seitdem, durch Bürgerdialoge die Diskussion um Zuwanderung zu versachlichen. In den vergangenen Monaten hat er zudem das Thema Sicherheit in der Stadt zur Chefsache gemacht. Eine Mixstreife aus Kollegen des Ordnungsamtes und der Polizei soll zusätzlich für Sicherheit sorgen.

Ein Sicherheitszentrum in der Cottbuser Innenstadt

Ende April sollte zudem ein "Sicherheitszentrum" öffnen, als Anlaufstelle für Sicherheit und Ordnung für Bürger in der Cottbuser Innenstadt. Auch dort werden Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeiten. Sensible Einrichtungen wie das Stadion des FC Energie Cottbus werden vom Verfassungsschutz genauer unter die Lupe genommen. Insbesondere die Ordner bei Heimspielen kommen oft aus dem rechten Kampfsport-Milieu, der Verfassungsschutz prüft die Namen.

Viele Cottbuser sind verunsichert, andere aber auch wütend. Sie wollen das schlechte Image der Stadt nicht mehr mittragen. Unter dem Motto "Cottbus ist bunt" organisiert das Bürgerbündnis "Cottbuser Aufbruch" Proteste und Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Universität BTU forscht außerdem zu den Ursachen von Rassismus und hat dazu eine Plattform gestartet. Auf der können Bürger mit Wissenschaftlern chatten, Beiträge einstellen oder sich an Projekten beteiligen. Doch reicht das aus?

Die AfD in Brandenburg bringt sich derweil vor der Kommunalwahl mit Blick auf das Abschneiden in der Lausitz in Stellung. Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz hob bei Veranstaltungen die Bedeutung einer Zusammenarbeit mit dem Spreewälder Verein "Zukunft Heimat" und dem islamfeindlichen Pegida-Bündnis hervor. "Wir sind nur gemeinsam stark - zusammen mit ,Zukunft Heimat', zusammen mit Pegida Dresden", sagte Kalbitz.

Wähler wenden sich ab von traditionellen Parteien

Das Ergebnis der Kommunalwahlen am 26. Mai im Raum Cottbus wird auch von Politikwissenschaftler Gideon Botsch mit Spannung erwartet. Botsch ist der Ansicht, dass sich Wähler von größeren, traditionellen Parteien entfernen und hin zu populistischen Parteien gehen - oder auch zu Wählervereinigungen, die nicht als Partei organisiert sind und bürgernahe Themen von vor Ort wählen. 

"Das ist durchaus auf kommunaler Ebene ein Trend", sagt der Professor, der über Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam forscht. (dpa)

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