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Diktaturbeauftragte. Maria Nooke folgte im Amt auf Ulrike Poppe.

© P. Pleul/dpa

Brandenburg: Viele ehemals Verfolgte leben an der Armutsgrenze

Aufarbeitungsbeauftragte Maria Nooke hofft auf Bundesratsinitiative Brandenburgs für SED-Opfer

Potsdam - Ob und welchen Einfluss das rot-rot regierte Brandenburg unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf die Bundespolitik hat, wird man vielleicht auch am Ergebnis ablesen können: Die Landes-Aufarbeitungsbeauftragte Maria Nooke jedenfalls setzt große Hoffnungen auf eine aktuelle Bundesratsinitiative aus Brandenburg, mit der es künftig mehr SED-Opfern und politisch Verfolgten als bisher ermöglicht werden soll, staatliche Unterstützungen nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz zu erhalten. Als sie am Montag in Potsdam den Tätigkeitsbericht ihrer Behörde für die Jahre 2016 und 2017 vorstellte und an Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) übergab, sagte Nooke: „Ich hoffe, dass die Landesregierung sich so gut vernetzt, dass der Antrag auch Erfolg hat.“ Derzeit werde der Antrag, der auf einen einstimmigen Beschluss des Landtages vom November 2017 zurückgeht, mit dem Land Berlin abgestimmt. Danach wird es in der Länderkammer ernst.

Das Problem: Noch immer fallen viele Betroffene durch das Netz, „leben in Brandenburg viele ehemals politisch Verfolgte an der Armutsgrenze“, so Nooke. Bislang gebe es vor allem eine Opferrente für strafrechtlich Rehabilitierte. Also für politisch Verfolgte, die vor 1989 Gefängnisstrafen verbüßten. „Unser Vorhaben zielt darauf, den Kreis zu erweitern.“ Und zwar auf politisch Verfolgte, die andere massive Nachteile in Kauf nehmen mussten, zu DDR-Zeiten etwa ihre Berufe nicht ausüben durften, denen das Abitur und damit ein Studium verwehrt wurde, was sich nun bei der Rente rächt. Ziel sei es, so Nooke, „allen ehemals politisch Verfolgten ein Altern in Würde zu ermöglichen.“

Brandenburg hat als einziges Bundesland einen Härtefallfonds für ehemals politisch Verfolgte eingerichtet

Zwar hat Brandenburg als einziges Bundesland bereits einen Härtefallfonds für ehemals politisch Verfolgte eingerichtet, mit dem 2016 rund 30 000 Euro und 2017 dann 50 000 Euro bereitstanden. Geholfen wurde in beiden Jahren 28 Betroffenen, was die Lösung des Grundproblems nicht ersetzen kann. Nooke formulierte das so: „Wer künftig monatlich eine kleine Rente bekommt, muss bei uns nicht mehr Reisekosten für eine Therapie beantragen.“

So spiegelt die Stoßrichtung der Bundesratsinitiative wider, was die Arbeit der Behörde ausmacht, die einen Jahresetat von zwei Millionen Euro und eine Kernbelegschaft von elf Mitarbeitern hat. Weitere zehn Mitarbeiter arbeiten in den beiden Beratungsstellungen, die sich um frühere DDR-Heimkinder und um Opfer von Psychiatrie und Behinderteneinrichtungen kümmern, in die zu DDR-Zeiten auch Minderjährige eingewiesen worden waren. „Bei einem Teil von ihnen geschah dies ohne medizinische Indikation“, so der Bericht.

„Noch nicht an dem Punkt, wo wir sagen könnten: Es läuft gut.“

Brandenburg hatte 2009 mit Ulrike Poppe erstmals überhaupt eine Diktaturbeauftragte berufen, als letztes Ost-Bundesland. Vorher galt das Land als „keine DDR“, hatte sich kaum um SED-Opfer gekümmert. Nachdem Poppe aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand ging, hatte Nooke im Oktober das Amt übernommen. Nach dem Tätigkeitsbericht wandten sich auch 2016/2017 wieder einige Tausend Betroffene an die Behörde. Es gab insgesamt 5000 Beratungskontakte, sagte Nooke. Davon seien 1500 Erstkontakte gewesen, „und 800 Menschen, die wir teilweise seit vielen Jahren begleiteten.“ Im Vergleich zum Tätigkeitsbericht für 2014/2015 mit damals 6000 Beratungen sind die Zahlen rückläufig. Das sei fast drei Jahrzehnte nach dem Sturz der SED-Diktatur auch normal, hieß es. „Es sind weniger Fälle. Aber die Beratungsfälle sind sehr viel komplizierter geworden. Der Arbeitsaufwand ist gewachsen. Es wird schwieriger“, betonte Nooke. Das betreffe insbesondere die Anerkennung gesundheitsbedingter Folgeschäden.

Allein 621 Betroffene suchten deshalb Rat, neben der Einsicht in Stasi-Akten (800) war das der häufigste Beratungsgrund. Die Behörde helfe mit Stellungnahmen für die Verfahren am Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV) oder den Gerichten. Als Erfolg bezeichnete es Nooke, dass mit der Landesbehörde ein verbindlicher Kriterienkatalog entwickelt würde, welche Voraussetzungen die Gutachter in diesen Verfahren mitbringen müssen. Dazu gehören auch Erfahrungen „in Diagnostik und Therapie von Traumafolgeschäden“ oder ein „Nachweis über die Teilnahme an Veranstaltungen über das DDR-Repressionssystem und dessen Geschichte.“ Brandenburg ist das erste Bundesland mit dieser verbindlichen Regelung. Und auch bei Gerichten wünscht sich Nooke  – wie ihre Vorgängerin Poppe  – in solchen Verfahren mehr Sensibilität für ehemals Verfolgte. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir sagen könnten: Es läuft gut.“

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