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Brandenburg und Berlin: Klimawandel: Der extreme Osten

Brandenburg und Berlin werden die größeren Folgen des Klimawandels wohl früher als andere Bundesländer spüren.

Von Sandra Dassler

Potsdam/Berlin - 30 Grad im Mai, Sonne pur mehr als 16 Stunden am Tag, fast übergangslose Wechsel zwischen Winter und Sommer – gefühlt hat der Klimawandel die Hauptstadtregion längst erreicht. In den nächsten Tagen werden die hohen Temperaturen anhalten, sagt Tanja Kraus-Lamprecht von Meteogroup. Was Sonnenanbeter jubeln lässt, bringt Bauern und Gärtnern bestenfalls viel Arbeit und schlechtestenfalls trotzdem wenig Lohn ein. Denn anhaltender Regen sei nicht in Sicht, sagt die Meteorologin – höchstens Gewitter mit Starkregen. Und der schafft es nicht, in den ausgetrockneten Boden einzudringen.

„Gerade im Frühjahr, während der Blühphase, benötigt das Getreide aber besonders viel Regen“, sagt Christina Koppe vom Deutschen Wetterdienst: „Außerdem bildet sich auf trockenem Boden ein wasserabweisender Film, der sich erst nach längerem Regen auflöst.“ Was daraus entstehen kann, haben Berlins Badelustige im vergangenen Sommer zu spüren bekommen. „Da haben sich die Blütenpollen wochenlang auf den Straßen und Plätzen gesammelt und wurden vom Starkregen alle auf einmal und teils auch noch zusammen mit ungeklärtem Abwasser in die Gewässer gespült“, sagt der Naturexperte und Wildtierbeauftragte des Berliner Senats, Derk Ehlert. Die Folge waren zeitweilige Badeverbote in einigen Seen und Flüssen. In diesem Jahr sind die Berliner Gewässer noch sauber – und noch ist auch genug Sauerstoff im Wasser, sagt Derk Ehlert, aber bei Starkregen kann sich das schnell ändern. Der Mai wird wie der April einer der trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden und darunter werden in der Hauptstadt vor allem die Rasenflächen in den Parks und die Bäume leiden. Dass das Wasser zum Gießen knapp wird, ist nach Aussagen von Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben nicht zu befürchten. Trotz des trockenen Klimas und des verstärkten Zuzugs habe Berlin zu Zeiten des Mauerfalls wegen der vielen Industriebetriebe etwa 40 Prozent mehr Wasser verbraucht als jetzt, sagt er: „Wir sind solche Situationen gewohnt und können damit umgehen. Jedenfalls so lange keine zusätzlichen Belastungen auftreten – wie beispielsweise ein Anstieg der durch den Braunkohletagebau in der Lausitz verursachten hohen Sulfatwerte in der Spree.“

Wochenlang kaum Regen in der Lausitz

In der Lausitz hat man derzeit allerdings noch mehr Probleme. Hier ist seit Wochen kaum Niederschlag gefallen. Hinzu kommen laut Wettervorhersage Temperaturen über 30 Grad. Tatsächlich wird nach Ansicht der Experten Brandenburg am frühesten und extremsten vom Klimawandel betroffen sein. Nicht umsonst als märkische Streusandbüchse bezeichnet, ist es wegen der vielen Sandböden mit Abstand das trockenste Bundesland. Und dort, wo es jetzt schon trocken ist, wird es nach fester Überzeugung der Klimaforscher noch trockener. Hinzu kommen die immer schnelleren Übergänge der Jahreszeiten. „Viele erinnern sich noch, wie sie in ihrer Kindheit im Frühling sehnsüchtig darauf warteten, dass es mindestens eine Woche lang über 20 Grad warm war“, sagt Thomas Deutschländer. Heute seien die Übergänge sehr viel kürzer und schroffer, sagt der Klimaexperte vom Deutschen Wetterdienst – und das werde extremer, je weiter man nach Osten komme. Manchmal dauere der Frühling nur drei Tage.

Viele Menschen würden immer noch denken, dass ein Temperaturanstieg um zwei, drei Grad nicht dramatisch sei, sagt Deutschländer. Aber mehr Wärme bedeute auch mehr Wasser in der Atmosphäre, das oft zu schweren Gewittern führe. Von den dramatischen Folgen habe die Region im vergangenen Jahr einen Vorgeschmack bekommen, als Straßen, Häuser und Keller tagelang nach Starkregen überschwemmt waren. Auch in Berlin, denn die Stadt liegt nun einmal mitten in Brandenburg. Die materiellen Schäden durch Wasser, Blitz oder vom Sturm entwurzelte Bäume steigen nach Aussagen von Versicherungen schon jetzt stark an, sagt Deutschländer: „Am Ende wird man sogar oftmals froh sein müssen, mit Leib und Leben davonzukommen.“

„Gras mähen und Heu machen – viel mehr kann man in diesen Tagen nicht tun“

Ärzte warnen außerdem vor gesundheitlichen Risiken durch Hitzekollaps, Dehydrierung oder Hautkrebs. Das gilt vor allem für Menschen, die im Freien arbeiten. So muss sich auch der Präsident des brandenburgischen Bauernbunds, Marco Hintze, schützen, der in Krielow bei Werder (Havel) rund 560 Hektar bewirtschaftet. „Gras mähen und Heu machen – viel mehr kann man in diesen Tagen nicht tun“, sagt er. Oft geht sein Blick sorgenvoll zu den Getreidefeldern. „Das Korn ist gut gewachsen, aber jetzt müssen sich die Ähren ausbilden, und wenn es weiter so trocken bleibt, wird das nichts“, sagt er. Alle Flächen zu bewässern sei nicht möglich beziehungsweise zu kostspielig. Zwar gibt es immer mal wieder Hilfen aus Brüssel, weil Brandenburg in der EU wegen der Sandböden und des hohen Waldanteils als landwirtschaftlich benachteiligte Region gilt, aber die kommen vor allem den großen Agrargenossenschaften zugute und nicht den kleinen Betrieben, sagt Hintze.

Sorge bereitet Landwirten, die ihre Felder nahe an Wäldern haben, die hohe Brandgefahr. Am Samstag herrschte in allen Brandenburger Landkreisen bis auf die Uckermark die höchste und zweithöchst Alarmstufe. Kleinere Brände waren an verschiedenen Orten ausgebrochen, sie konnten alle relativ schnell gelöscht werden. „Es ist so trocken und dazu geht auch noch Wind – da reicht ein kleiner Funke, um eine Katastrophe auszulösen“, sagt Carsten Brudek von der Leitstelle Lausitz. Der Feuerwehrmann wird nie verstehen, warum Menschen bei dieser Trockenheit mit dem Auto in Wälder fahren, dort sogar noch Zigarettenstummel wegwerfen. „Die meisten Brände werden von den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren gelöscht“, sagt er: „Die kommen in diesen Tagen nicht zur Ruhe, werden ständig von ihrem Arbeitsplatz oder ihren Familien weggeholt. Und das meistens wegen Fahrlässigkeit und Leichtsinn.“

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