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Anreiz. Minister Karl-Heinz Schröter (SPD) bietet Kommunen Geld.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Sinatra-Doktrin statt Zwangsfusion

Brandenburg setzt nach Kreisreform-Flop auf freiwillige Zusammenschlüsse von Kommunen

Potsdam - Nach der wegen heftigen Widerstands im November 2017 gescheiterten Kreisreform setzt die rot-rote Landesregierung nun auf freiwillige Kooperationen von Gemeinden. „Jeder kann, keiner muss“, erläuterte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) den Gesetzentwurf, den das Kabinett am Dienstag beschlossen hat. Keiner habe die Absicht, Zwangsfusionen vorzunehmen, betonte Schröter. Die Kommunen könnten vielmehr nach der „Sinatra-Doktrin“ verfahren: „I did it my way.“ Monetäre Anreize sollen dabei der Freiwilligkeit Vorschub leisten. Insgesamt 77,8 Millionen Euro Mitgift für die Gemeindeehen will die Landesregierung aufwenden.

Der Gesetzentwurf, der spätestens im September vom Landtag verabschiedet werden und ein halbes Jahr später in Kraft treten soll, sieht zwei neue Möglichkeiten zur Gemeindeorganisation vor: die Verbandsgemeinde und das Mitverwaltungsmodell. Insgesamt gäbe es damit neben den Ämtern und amtsfreien Gemeinden vier Verwaltungsmodelle in Brandenburg. Ziel ist es laut Schröter, auch in Regionen, die stark von Bevölkerungsrückgang betroffen sind, eine leistungsfähige Verwaltung zu erhalten.

Neu sind die sogenannten Verbandsgemeinden, die aus mindestens zwei Gemeinden gebildet werden und – anders als Ämter – über direkt gewählte Bürgermeister und Vertreter verfügen sollen. „Damit nimmt der Gesetzentwurf eine vielfach erhobene Forderung aus dem politischen Raum auf“, erklärte der Innenminister. Diese direkte demokratische Legitimation ermögliche auch die im Vergleich zum Amt umfangreichere Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben wie Kitas, Grundschulen oder Sportanlagen. Eine Obergrenze, wie viele Kommunen sich zu einem Verband zusammenschließen können, gibt es nicht.

Beim Mitverwaltungsmodell hingegen übernimmt eine größere Gemeinde für die kleinere Aufgaben der Verwaltung. Die Gemeinde behält also sämtliche Zuständigkeiten, verliert aber ihren Verwaltungsapparat. Auch Ämterfusion sind möglich – nicht jedoch die Gründung zusätzlicher Ämter. Vor Ort gebe es bereits seit Jahren Diskussionen über freiwillige Zusammenschlüsse, betonte Schröter. „Das ist ein Reformwunsch, der an der Basis gewachsen ist.“ Vom grünen Tisch in Potsdam aus solle nicht bestimmt werden, wie sich die Gemeinden organisieren sollen. Ein 180-Grad-Wende, wenn man auf die ursprünglichen Reformpläne der rot-roten Landesregierung zurückblickt. Landkreise sollten zusammengelegt, die kreisfreien Städte mit Ausnahme von Potsdam ihre Kreisfreiheit verlieren.

Kritiker hatten die Befürchtung geäußert, dass nach den Kreisen auch Gemeinden zwangsfusioniert werden könnten. „Die Landesregierung schließt Gebietsänderungen durch Gesetz aus“, versicherte nun Schröter, der den Volkszorn während der Reformdebatten sicher nicht vergessen hat. Kommunen, die sich freiwillig anderen anschließen, bekommen bis zu 500 000 Euro Einmalpauschale. Zudem gibt es Geld für eine Teilentschuldung, maximal 40 Prozent der Kassenkredite einer Gemeinde zahlt das Land ab. Obergrenze der Schuldenübernahme: drei Millionen Euro.

Rot-Rot habe nichts aus der gescheiterten Kreisreform gelernt, kritisierte dagegen der CDU-Kommunalexperte Sven Petke. Die Einführung zweier neuer Gemeindemodelle koste Geld und sorge für viel Arbeit sowie Unübersichtlichkeit. Stattdessen sollten die bewährten Ämter weiterentwickelt werden.

Es sei gut, dass die Weiterentwicklung der Gemeindeverwaltungen auch nach dem Scheitern der großen Verwaltungsstrukturreform weiterverfolgt werde, sagte hingegen die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher. Das in anderen Bundesländern bewährte Modell der Verbandsgemeinde sei gut geeignet, weil es auch mehr lokale Demokratie gewährleistet. Das Mitverwaltungsmodell habe hingegen Schwachstellen bei der Legitimierung und Kontrolle.

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