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Ende im Anflug: Der beliebte Berliner City-Airport muss nach BER-Eröffnung schließen. Das hat ein neues Gutachten im Auftrag des Senats bestätigt. Und das trotz des erfolgreichen Volksentscheides für einen Weiterbetrieb. Der Gutachter sagt aber auch, wie der Flughafen offen bleiben könnte - das würde dauern.

© Sophia Kembowski/dpa

Brandenburg: Nahtloser Weiterbetrieb ausgeschlossen

Laut einem neuen Gutachten könnte Tegel theoretisch bleiben, Voraussetzung dafür ist allerdings ein neues Planfeststellungsverfahren.

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Berlin/Brandenburg - Wie unterschiedlich ein Rechtsgutachten ausgelegt werden kann, hat sich an diesem Dienstag gezeigt. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) verkündete in der Pressekonferenz des Senats, dieser sehe sich durch das Gutachten des Juristen Stefan Paetow zum Volksentscheid Tegel in seiner Rechtsauffassung bestätigt. „dass eine Offenhaltung des Flughafens Tegel sechs Monate nach Eröffnung des BER nicht möglich ist“. So äußerte sich auch Brandenburg, neben Berlin der zweite Haupteigner der Flughafengesellschaft: „Das bestätigt die Rechtsauffassung des Landes Brandenburg“, sagte Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider, der auch Chef des BER-Aufsichtsrates ist. Der Flughafen Tegel müsse nach der Eröffnung des BER geschlossen werden. Und auf die müsse man sich nun vollumfänglich konzentrieren. CDU-Generalsekretär Stefan Evers hingegen sieht das so: Das Gutachten beinhalte nichts Neues, „es zeigt, dass und wie die Offenhaltung des Flughafens Tegel rechtlich machbar ist“.

In der Tat führt Stefan Paetow, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht und seit Oktober 2017 vom Senat als neutraler Gutachter eingesetzt, beides aus. Und gibt dem Senat, der den Flughafen Tegel nach Schließung gerne als neuen Wissenschaftsstandort und für Wohnungen nutzen möchte, schwarz auf weiß: Er darf den Volksentscheid nach geltender Rechtslage nicht umsetzen – und damit den Flughafen auch nicht dauerhaft in Betrieb halten. In seinem 72 Seiten umfassenden Gutachten liefert Paetow aber neben der aktuellen Rechtslage auch die – schon oft im Vorhinein diskutierten – theoretischen Wege, was für einen Weiterbetrieb in TXL nötig wäre. Ein Argument der Tegel-Schließer entpuppt sich nach dem Gutachten allerdings als haltlos: Der Planfeststellungsbeschluss des BER, was immer wieder angeführt wurde, wäre nicht in Gefahr.

An der geltenden Rechtslage, wonach Tegel nach Inbetriebnahme des BER schließen muss, werde sich nichts ändern, solange alle Gesellschafter der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg, also die beiden Länder und der Bund, nicht im Einvernehmen daran etwas ändern, stellt Paetow fest. Das Einvernehmen fehlt bekanntermaßen. Deshalb sei die einzige Maßnahme, die jetzt denkbar wäre, um den Weiterbetrieb Tegels „wenigstens vorzubereiten“, dass Berlin einseitig aus der gemeinsamen Landesplanung mit Brandenburg aussteigt. Dafür müsste das Land den Landesplanungsvertrag kündigen, was wegen der Frist frühestens ab 2022 wirksam würde. Eine Teilkündigung nur bei der Flughafenplanung wäre unzulässig.

Von der Kündigung rät Paetow ab. Wenn Berlin aussteigt, müsste es im Anschluss einen neuen Entwicklungsplan aufstellen, die Regelungen wären „inhaltlich schwierig, zeitlich aufwendig und rechtlich risikoreich zu realisieren und könnten voraussichtlich nicht vor etwa dem Jahr 2025 – wenn überhaupt – wirksam werden“.

Nur unter der Voraussetzung, dass sich die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund zu einer Offenhaltung Tegels einigen, sieht Paetow tatsächlich die Möglichkeit des dauerhaften Weiterbetriebs. Aber nur dann, wenn der BER seine Funktion als einziger internationaler Verkehrsflughafen in der Region allein auf Dauer nicht erfüllen könnte, weil er bereits bei Inbetriebnahme oder kurze Zeit später an Kapazitätsgrenzen stößt und Erweiterungsbauten diese Kapazitätsengpässe nicht beseitigen könnten.

Genau das sehen die Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus, die pro Tegel sind, als ihr Einfallstor. Stefan Evers sieht nämlich eine solche „Kapazitätslücke“ und fordert deshalb nun erneut vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), „das Nachbarland Brandenburg von der zwingenden Notwendigkeit zu überzeugen, den Flughafen Tegel offenzuhalten.“ Der Senat habe mit dem Gutachten mutwillig wertvolle Zeit verspielt.

Die Fraktionen des Berliner Parlaments haben bis Ende Februar Zeit, zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Im Anschluss daran wird der Senat seinen endgültigen Beschluss fassen, wie er mit dem Volksentscheid Tegel umgehen wird. Für die Opposition ist das nur ein weiterer Beweis, dass der Senat eine „Hinhaltetaktik“ verfolge.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Sebastian Czaja, sieht Paetows Arbeit zwar als ein „politisches Gefälligkeitsgutachten“, doch es beinhalte die klare Aussage, dass die Offenhaltung Tegels möglich sei, „wenn nur der politische Wille dazu da ist“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Frank-Christian Hansel, meint, ein Gutachter, der vom Senat eingesetzt werde, könne nicht anders, als den Senat zu bestätigen. „Von ‚unabhängig‘ kann angesichts der Tatsache, dass Paetow nicht ein einziges Mal mit den Befürwortern der Offenhaltung von Tegel gesprochen hat, keine Rede sein“, sagte Hansel. Für die AfD könne nur ein Sonderausschuss des Parlaments Klarheit bringen, um die Zukunft des Berliner Flughafensystems ergebnisoffen und mit Fachleuten zu diskutieren. 

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