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Cottbus helau! SPD-Landeschef Woidke dürfte derzeit in Cottbus nicht so fröhlich wie hier beim Karnevalsumzug im März 2013 empfangen werden.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Krisensitzungen zur Kreisreform

Die SPD in Cottbus rebelliert gegen das Vorhaben ihrer Parteispitze. Die Grünen in Brandenburg drohen mit einem Nein. Die Mehrheit im Landtag für rot-rote Pläne wackelt.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Forderungen nach einem Aufweichen der rot-roten Kreisreform nach Thüringer Vorbild eine Absage erteilt. In dem Freistaat hatte die rot-rot-grüne Koalition entschieden, dass Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern nun doch selbstständig bleiben und ihre Kreisfreiheit nicht verlieren sollen. „Wir sollten in einem Prozess, der vor acht Jahren begonnen hat, nun auch die Entscheidungen treffen, die wirklich notwendig sind“, sagte Woidke am Dienstag den PNN. Nur nach kurzfristigen Erwägungen zu handeln, wäre nach seinen Worten zwar bequemer. „Aber eine Regierung darf es sich nicht nur einfach machen.“

Dennoch gerät Rot-Rot in Brandenburg mit dem Ende der parlamentarischen Sommerpause mit seinen Reformplänen wieder unter Druck – im Landtag und in den Reihen der SPD. Am Dienstagnachmittag kam der geschäftsführende Landesvorstand unter Woidke mit dem SPD-Unterbezirksvorstand aus Cottbus zu einer Krisensitzung zusammen. Grund sind mehrere Beschlüsse der Cottbuser SPD. Die hatte in der vergangenen Woche eine Art Moratorium für die Kreisreform gefordert. Demnach müssten zunächst eine Gesamtrechnung und Änderungen an der Finanzausstattung durch das Land vorgelegt werden, bislang gebe es nur Stückwerk. Zugleich forderte die Cottbuser SPD eine Abkehr von der Einkreisung von Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder). Daneben verwies die Cottbuser SPD auf Thüringen: Es sei nie zu spät, noch einmal neu nachzudenken über die Reform.

Die Cottbuser SPD will ihre Parteispitze zum Umdenken bewegen - nicht zum ersten Mal

Die Generalsekretärin der Landes-SPD, Klara Geywitz, hielt sich nach dem Krisengespräch am Abend auf PNN-Anfrage bedeckt. Die Parteispitze führe mit allen von der Kreisreform betroffenen Unterbezirken Gespräche. „Es war ein Gespräch von vielen. Ich gehe davon aus, dass wir weitere führen werden“, sagte Geywitz. Der Cottbuser Unterbezirkschef Gunnar Kurth sprach von konstruktiven Gesprächen, weitere würden folgen. Es sei positiv und bedeute: „Es sind nicht alle Messen gesungen.“

Es ist nicht der erste Versuch der Cottbuser SPD, bei der Kulturministerin Martina Münch Ende 2016 den Vorsitz niedergelegt hatte, die Parteispitze zum Umdenken zu bewegen. Unterbezirk und Stadtfraktion hatten im Juli einen Appell an Landeschef Woidke und die Landtagsfraktion gerichtet und darin erklärt, dass im Gesetzentwurf zur Kreisreform „den brandenburgischen Süden betreffend leider auf wenig realistische Annahmen zur Zukunftsentwicklung vertraut werden soll“. Geradezu „fassungslos“ würden die Mitglieder fragen, warum Landespartei und die Landtagsfraktion „so massiv gegen die Region und unsere Stadt“ handelten. Die Pläne „konterkarieren die Leistungsfähigkeit von Cottbus“, heißt es in dem fünfseitigen Appell. Die Einkreisung würde „keinen Automatismus zu einer prosperierenden Perspektive“ eröffnen. Wesentliche Bedingungen, um dem Verlust der Kreisfreiheit „einen Sinn zu geben“, seien „immer noch nicht ansatzweise erfüllt“. Zudem fordern die Cottbuser Genossen die Landespartei auf, nun anzuerkennen, dass das Land die Verantwortung für einen Großteil der Schulden übernehmen müsse, „die aus der jahrelangen Unterfinanzierung übertragener Aufgaben resultieren“. Zudem würden die Stadt und ihre Einwohner in der Debatte stigmatisiert. Die Kreisreformpläne würde ein Brandenburg „der zwei Geschwindigkeiten“ befördern. Nötig sei ein ernsthafter Dialog. Solange „die Belange der Region und der Stadt Cottbus“ nicht Eingang fänden, „können wir weder von unserer Forderung, Cottbus kreisfrei zu belassen, abweichen, noch können wir unseren Abgeordneten im Landtag die Zustimmung zu einem entsprechenden Gesetz empfehlen“.

Grüne im Brandenburger Landtag wollen gegen die rot-rote Reform stimmen

Eng könnte es für die Reform auch im Landtag werden. Die oppositionelle Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag hat erstmals mit deutlichen Worten ihre Ablehnung der rot-roten Reformpläne angekündigt. Damit rücken die Grünen von ihrem Unterstützungskurs ab – und bringen damit zugleich Rot-Rot in Bedrängnis. Denn nach den bisherigen Rechenspielen der Koalition hätten die Grünen mit ihrer Zustimmung zur Kreisreform die Mehrheit im Landtag retten sollen, denn die ist wegen möglicher Wackelkandidaten und Gegner in den rot-roten Reihen nicht sicher.

Die Grünen-Fraktion sieht den Umgang der Landesregierung mit einem ihrer wichtigsten Reformvorhaben in dieser Wahlperiode aber „mit Entsetzen“. „Wir sind zunehmend extrem unzufrieden mit den zahlreichen Umsetzungsproblemen“, sagte die Innenexpertin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher. Sie war bislang die Wortführerin des Unterstützungskurses der Grünen für die Koalition – auch gegen harte Kritik aus den eigenen Reihen. Nun sagte Nonnemacher am Dienstag: „Rot-Rot steht sich doch permanent selber im Weg.“ Die Koalition könne ihre eigenen Leute, wie etwa die SPD-Landräte, nicht auf einen verbindlichen Kurs bringen. „Kompromisse werden immer kleinteiliger“, sagte Nonnemacher.

Ist Potsdam bald die einzige kreisfreie Stadt des Landes?

Im August hatte die Regierung eingeräumt, einen Teil der Reform – die Funktionalreform II mit der Verlagerung von Aufgaben von den Kreisen auf die Kommunen – erst im kommenden Jahr auf den Weg bringen zu können. Die Arbeiten daran würden sich „weit in das Jahr 2018 erstrecken“, hatte die Staatskanzlei dem Landtag mitgeteilt. Damit dürfte auch den Grünen klar sein, dass ihre Forderung an Rot-Rot nicht binnen weniger Monate zu erfüllen sein wird. Den Grünen, die derzeit unter ihren Umfragewerten zur Bundestagswahl leiden, war in den vergangenen Monaten auch ein Schmusekurs mit Rot-Rot mit Blick auf die Landtagswahl 2019 vorgeworfen worden.

Bis Ende 2017 sollen vom Landtag zwei Gesetze beschlossen werden. Das eine regelt die Kreisneugliederungen, um aus 14 Kreisen und vier kreisfreien Städten künftig zehn zu machen. Wenn es dabei bleibt, wäre die Landeshauptstadt Potsdam einzige kreisfreie Stadt im Land. Das andere regelt die Funktionalreform I, also die Übertragung von Landesaufgaben auf die Kreise, bei der die Zuständigkeit für Forstverwaltung und EU-Programme zur ländlichen Entwicklungen mit nur noch 400 Stellen auf die Kreise übergehen soll. Bislang fehlte noch der dritte Teil der Reform – der Entwurf des Innenministeriums für die Übertragung von Kreisaufgaben auf die Gemeindeebene.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke muss in Kürze Farbe bekennen

Nun ließ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel verbal die Muskeln spielen: Die Grünen erwarteten nicht nur bis Ende des Jahres einen Terminplan, sie wollten auch „die Inhalte auf dem Tisch haben“, so Vogel. „Wenn das nicht passiert, dann ist für uns auch mal Schluss mit der Unterstützung der Verwaltungsstrukturreform.“ Wenn es nicht bald Klarheit gebe, sei vermutlich nicht mehr mit einer Enthaltung der Grünen zu rechnen, hieß es nun.

In einer Regierungserklärung müsse Woidke Ende September zu den drei umstrittenen Themen Klimaziele, Kreisreform und Hauptstadtflughafen Farbe bekennen, forderte Vogel. Zudem solle er darlegen, was Rot-Rot bis zur kommenden Landtagswahl im Jahr 2019 noch vorhabe. „Wir erleben, dass die Regierung an einem allgemeinen Organversagen leidet, und das fängt natürlich oben an der Spitze an“, kritisierte Vogel.

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