zum Hauptinhalt
Etwa 70 Prozent der nötigen Stimmen für ein Volksbegehren waren zur Zeit der Absage gesammelt.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Gutachten: Kreisreform ist notwendig

Potsdamer Wissenschaftler haben festgestellt, dass größere Kreise leistungsfähiger und professioneller sind. Aber sie mahnen für Brandenburg eine professionelle Umsetzung an.

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Landesregierung bekommt auch einmal Rückendeckung für die umstrittene Kreisreform. Nach einem am Freitag auf einer Konferenz präsentierten neuen Gutachten des Kommunalwissenschaftlichen Institutes der Universität Potsdam (KWI) ist die Straffung von Kreisstrukturen der „richtige Weg“, um trotz sinkender Einwohnerzahlen auch künftig leistungsfähige Verwaltungen im Land zu haben. Allerdings mahnen die Autoren eine professionelle Umsetzung, eine ausreichende Finanzierung und flankierende Maßnahmen gegen eine durchaus drohende Schwächung des Ehrenamtes an.

Da werde es im parlamentarischen Verfahren „ganz sicher Nachbesserungen“ geben, erklärte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Klar sei, dass „die Landesregierung bei der Reform nicht auf halber Strecke stehen bleiben wird“. Noch im Juni sei die erste Lesung im Landtag geplant, im November/Dezember die Verabschiedung der Gesetze. Man habe Bedenken aufgegriffen, werde etwa die von 420 auf 450 Millionen Euro aufgestockte Teilentschuldung von hochverschuldeten Städten nun komplett aus Landesmitteln bezahlen, ohne kommunale Beteiligung.

Am Montag will das rot-rote Kabinett die beiden Reform-Gesetzentwürfe beschließen. Danach soll es künftig noch elf Kreise und Potsdam als einzige kreisfreie Stadt geben. Bislang sind es 14 Kreise und vier kreisfreie Städte. Außerdem sollen einige Landesaufgaben auf die neuen Kreise übertragen werden. Wegen der schlecht vorbereiten und kommunizierten Reform, für deren Stopp sich 130 000 Brandenburger bei einer Volksinitiative ausgesprochen haben, steht die Regierung massiv unter Druck.

Wissenschaftler: Es gibt keinen Zweifel am Reformbedarf

Für das Gutachten zu „Wirkungen von Gebietsreformen“ hatten die Potsdamer Wissenschaftler Sabine Kuhlmann, Markus Seyfried und John Siegel rund 80 nationale und internationale Studien ausgewertet. „Am grundsätzlichen Reformbedarf in Brandenburg kann es keinen Zweifel geben“, sagte Kuhlmann, die auch Vizechefin des Normenkontrollrates beim Bundeskanzleramt ist. Bis auf wenige Ausnahmen seien sich nationale und internationale Forschung einig, dass durch solche Reformen auch der Kreise professionellere, leistungsfähigere Verwaltungen entstehen. Einsparungen, die nicht das Ziel der Reform seien, seien hingegen nicht eindeutig belegbar. Landrat Sigurd Heinze (parteilos, CDU-nah, Oberspreewald-Lausitz) wollte der Reform zwar „keine Absolution“ erteilen. „Wir stellen aber fest, dass viele Forderungen der Kreise aufgegriffen wurden.“

Scharfe Kritik übte erneut der Wirtschaftsinformatiker Norbert Gronau. Brandenburg sei bei der Digitalisierung von Verwaltungen das Schlusslicht in Deutschland, wenn Mallorca ein Bundesland wäre, „hätten wir den 17. Platz“. Wenn man diese Chancen nutzen würde, könnte es nach seinen Worten sogar kleinere Kreise geben. Dem widersprach der Verwaltungswissenschaftler Werner Jann vehement. Gerade mit größeren, leistungsfähigen Kreisen könne man bei E-Government und Digitalisierung richtig loslegen. Die bisherige emotionale Debatte zur Kreisreform in Brandenburg laufe verquer, sagte Jann: „Es erinnert mich an den Brexit“, und die Argumentation aus den kreisfreien Städten an Griechenland: „Irgendwer wird unsere Schulden schon bezahlen.“ 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false