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Einer aus dem Osten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wünscht sich einen Minister aus dem Osten Deutschlands im künftigen Bundeskabinett. Dass er selbst nach Berlin wechseln würde, schloss er nicht aus.

© Sophia Kembowski/dpa

Brandenburg: Große Versprechen, große Skepsis

Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) sieht im Groko-Vertrag eine Chance für schnellere Kita-Beitragsfreiheit im Land. Und Linke-Chef Christian Görke?

Potsdam - Natürlich zieht Dietmar Woidke nichts nach Berlin, nichts in die Bundespolitik. Aber was sagt man dann öffentlich, wenn einen ein paar Tage zuvor ausgerechnet der eigene SPD-Landesschatzmeister Harald Sempf unabgestimmt für einen Ministerposten in der designierten CDU/SPD-Bundesregierung ins Spiel brachte, was nach Außen arg provinziell wirkte? Und zudem prompt Fragen provozierte, ob die märkischen Genossen mit Woidke als Spitzenkandidaten um die Landtagswahl 2019 fürchten?

„Ich bin gern Ministerpräsident im Land Brandenburg und will das auch bleiben“, antwortete Woidke am Donnerstag auf einer SPD-Pressekonferenz in Potsdam jedenfalls auf die Frage, ob er einen Wechsel nach Berlin ausschließt. Was er damit nicht eindeutig tat. Dafür fand er um so klarere Worte, dass ein Groko-Bundeskabinett ohne einen Ostdeutschen außer Kanzlerin Angela Merkel der Bevölkerung in den neuen Ländern schwer zu vermitteln wäre. „Ich hoffe sehr, dass es diese Wirkung nicht geben wird, weil es nicht passiert.“ Diese Botschaft war ihm wichtig: „Wir sind SPD-intern dazu in Diskussionen. Bei uns sind die Personalfragen nicht abgeschlossen geklärt.“ Es gebe ja bislang lediglich Spekulationen in Medien. „Ich gehe davon aus, dass CDU/CSU und SPD das Bestreben haben, auch Ostdeutschland vorkommen zu lassen. Ich hoffe, dass das auch gelingt, in einer Ministerposition oder auch Ministerinnenposition.“ Hinter den Kulissen wird also gepokert.

Zur Pressekonferenz hatte Woidke als SPD-Landesvorsitzender geladen, um vor dem Mitgliederentscheid in seiner Partei für den SPD/CDU-Koalitionsvertrag im Bund zu werben. Und zwar in die Potsdamer Parteizentrale, die den Namen von Regine Hildebrandt trägt, also jener verstorbenen, einst in Ost und West populären früheren Arbeits- und Sozialministerin Brandenburgs, die 1999 lieber das damalige Kabinett von Manfred Stolpe verlassen hatte, als mit „den CDU-Arschlöchern“ (Originalton) zu koalieren. Nun warb Stolpes Nach-Nachfolger Woidke, der im Land mit den Linken regiert – Hildebrandts Traum – vehement für die Neuauflage einer Großen Koalition im Bund. Der von SPD- und CDU ausgehandelte Koalitionsvertrag, er saß selbst mit am Verhandlungstisch, sei „gut für Deutschland, gut für Brandenburg“, sagte Woidke.

Dies allerdings sorgt prompt für Differenzen in der rot-roten Koalition im Land. Die Linken, die gegenüber dem Hildebrandt-Haus im Lothar-Bisky-Haus ihre Zentrale haben, sehen den schwarz-roten Koalitionsvertrag kritisch. „Es ist kein großer Wurf für Brandenburg, für Ostdeutschland“, sagte Linke-Parteichef Christian Görke, zugleich Finanzminister und Vize-Ministerpräsident in Brandenburg, am Donnerstag den PNN. Es sei bezeichnend, dass das Wort Ostdeutschland im ganzen Koalitionsvertrag nicht ein einziges Mal auftauche. Überhaupt wimmele es dort nur von Absichtserklärungen. Zwar bescheinigte Görke der SPD, aus einer schweren Verhandlungsposition heraus noch relativ viel herausgeholt zu haben, etwa mit der Ressortverteilung. 

Doch zu den Effekten für Brandenburg äußerte sich der Finanzminister und Woidke-Vize sehr reserviert. „Die Experten rechnen gerade alles durch. Man kann aber schon sagen: Es ist keine massive Entlastung des Landeshaushalts zu erwarten“, sagte Görke. Es werde „kleinere Verstärkungen“ für den Brandenburger Etat geben, zugleich aber auch Risiken und Mindereinnahmen etwa durch angekündigten Steuererleichterungen und Kindergelderhöhungen. Präzise Zahlen für Brandenburg gibt es also noch nicht. Doch wenn man den üblichen Schlüssel zur Verteilung von Bundesgeldern auf die Länder ansetzt, könnte Brandenburg mit dem rot-schwarzen Koalitionsvertrag hier mit rund 15 Millionen Euro mehr pro Jahr für sozialen Wohnungsbau (Landesausgaben bisher dafür: rund 100 Millionen pro Jahr) rechnen, dort zwischen 20 und 40 Millionen Euro mehr für Kitas oder auch mit rund 15 Millionen Euro pro Jahr für den Ausbau von Ganztagsschulen. Es sind zumeist – gemessen am jährlichen Landesetat von 11,6 Milliarden Euro – überschaubare Größenordnungen.

Warum der Regierungschef trotz dieser Kleckersummen so große Vorteile für das Bundesland sieht? „Weil die Kleckersummen sich aufsummieren“, antwortete Woidke auf seiner Pressekonferenz. Er verwies etwa auf die angekündigten Investitionen in die Bildung, die für die SPD ja grundlegend für soziale Gerechtigkeit sei. Es sei wichtig, dass das Kooperationsverbot im Grundgesetz – es schränkt bisher Bundesförderungen für Bildung in Ländern und Kommunen ein – nunmehr fallen soll.

Und der Einstieg des Bundes in die Gebührenfreiheit für Kitas mit bundesweit 1,5 Milliarden Euro bedeute für Brandenburg „überschlagsmäßig zweistellige Millionenbeträge, die wir zusätzlich einsetzen werden“, sagte Woidke. „Das bedeutet für uns ganz simpel, dass wir für die Gebührenfreiheit, die wir 2018 als ersten Schritt für das letzte Kita-Jahr einführen werden, in den weiteren Schritten schneller vorankommen können.“ Wie berichtet, hinkt Brandenburg dort ohnehin um Jahre hinter Berlin her, wo 2019 weder für Kitas noch für Horte noch Elternbeiträge gezahlt werden müssen.

Und, so Woidke weiter, man könne nun weiter die Kita-Qualität erhöhen. „Wir werden durch diese Regelungen in die Lage versetzt, weitere Schritte zu gehen, den Betreuungsschlüssel zu verbessern.“ Das sind große Versprechen.

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