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Ostfaktisch. Papiertüten von der Eulenspiegel-Verlagsgruppe.

© Jens Kalaene/dpa

Brandenburg: Eulenspiegel in Not

Der DDR-Traditionsverlag aus Berlin hat vorläufige Insolvenz angemeldet Hintergrund ist eine Forderung der VG Wort

Eine Eulenspiegelei ist es nicht, dafür ist eine „vorläufige Insolvenz“ und die finanzielle Forderung der „Verwertungsgesellschaft Wort“ doch eine zu ernste Sache: Die wohl wichtigste verlegerische Institution aus DDR-Zeiten, der Eulenspiegel, ist pleite. Genau genommen kann der zwölf Mann starke Traditionsbetrieb eine völlig unerwartete Rechnung eben der VG Wort nicht bezahlen. Und diese fordert eine Rückzahlung von Geld, das der Eulenspiegel-Verlag nie bekommen hat – insoweit hat der Fall dann doch etwas von einem Schelmenstück.

Die strittige Forderung betrifft die vor Jahren geschlossene „Neue Berlin Verlagsgesellschaft“. Die Firma war insolvent. Weil aber das Programm passte, kaufte der Eulenspiegel Rechte und Lizenzen, Buchbestände und Kundenkartei, um wenigstens das zu retten. Und ausgerechnet die Schutzpatronin des geistigen Eigentums, die VG Wort, macht nun diese Forderungen aus früheren Zeiten gegen den Eulenspiegel geltend und stürzt damit auch noch diese in die Insolvenz, vorläufig jedenfalls. „Wir gehen ganz heftig davon aus, dass es weitergeht“, sagt Verleger Matthias Oehme. Die Eulenspiegel-Verlagsgruppe behaupte sich in ihrer „literarisch-thematischen Umsatzecke“. Wer das Ostalgie, DDR-Nostalgie oder – fairer – Kunst und Literatur aus der DDR-Zeit nennt, löst nicht eben Kopfschütteln bei Oehme aus. Als besonders gut laufendes Verlagsprodukt nennt er die 560 Seiten starken Memoiren des früheren DDR-Kulturfunktionärs Hartmut König. „Wir dachten, das würde keinen interessieren“, sagt Oehme. Das Gegenteil ist der Fall: König liest in München, das Buch verkauft sich.

Hätte man sich fast denken können, denn die Eulenspiegel-(Wieder-)Entdeckungen liefen eine Zeit lang sogar beim großen Westverlag Heine als eigene Reihe. Gewiss habe man ein „größeres Standing im Osten“, sagt Oehme, „obwohl wir schon lange kein Ostprogramm mehr haben.“ Alles gleiche sich halt an, obwohl auch Oehme sogar bei jüngeren Leuten noch „Reste von Ost-Identität“ ausmacht. Familie und Umfeld wirken halt nach, nicht zuletzt in der Sprache.

Und weil fast jeder „im Osten“ den Eulenspiegel kannte, lag es nahe, diese Marke zur Mutter des kleinen Verlags zu machen, der andere wie das „Neue Leben“ und das „Das Neue Berlin“ in Obhut nahm. Genau genommen rettete der Eulenspiegel deren Namen und Programm. Dass dies einmal existenzgefährdend für den Eulenspiegel werden könnte, ahnte der Verleger nicht – und ist auch nicht Zweck des deutschen Insolvenzrechts, das Schaden begrenzen und wirtschaftliche Werte bewahren soll. Ob es noch Rettung gibt für den Eulenspiegel, entscheiden nun die Gerichte. Ralf Schönball

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