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Brandenburg: Entsetzen über erschossenen Wisent

Geschütztes Wildrind an der Oder getötet

Lebus/Potsdam - Im ostbrandenburgischen Lebus ist ein aus Polen nach Brandenburg gewanderter Wisent erschossen worden – nun müssen sich die Verantwortlichen vor Ort heftige Kritik und Fragen gefallen lassen. Im Land herrscht Entsetzen – von der Landesregierung bis zu Umweltverbänden. Nach Angaben der Polizei hatte ein Mann am Mittwoch den Wisent auf einem Oder-Deich bei Lebus (Märkisch-Oderland) gesichtet und die Polizei alarmiert. Gemeinsam mit dem Ordnungsamtsleiter der Kommunen sei bei Einbruch der Dunkelheit beschlossen worden, das Tier zum Schutz der Bevölkerung zu erlegen. Zwei Jagdpächter hätten den Wisent dann erschossen.

Ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte am Freitag in Potsdam: „Wir sind entsetzt und empört.“ Weder das Ministerium noch das Landesumweltamt seien in die Vorgänge eingebunden gewesen. Wisente gehörten zu den in Deutschland streng geschützten Tierarten, sagte der Sprecher. Von den polnischen Behörden habe das Ministerium erfahren, dass es sich wohl um einen Bullen handelt, der im Gebiet des Nationalparks Warthemündung westlich von Kostrzyn seit Längerem frei herumlaufe. Das von dem Tier eine Gefahr ausgegangen sei, davon sei den polnischen Behörden nichts bekannt. Der Ministeriumssprecher erklärte weiter: „Nach unseren Informationen hat sich das Amt Lebus hier auf das Ordnungsrecht berufen. Dies greift aber nur, wenn unmittelbar Gefahr im Verzug ist und auch dann ist nur das mildeste Mittel zulässig.“ Im Zweifelsfall hätte auch der Einsatz eines Betäubungsgewehres gereicht, zudem gebe es einen Notdienst beim Landesveterinäramt, der jederzeit erreichbar sei. „Das Amt sollte wissen, dass jeder Kreisveterinär Betäubungsmittel einsetzen kann“, sagte der Sprecher.

„Dann müsste halb Polen zur Gefahrenzone erklärt werden“

Wisente seien auch nicht dafür bekannt, gefährlich zu sein. „Dann müsste halb Polen, wo das Tier ein nationales Symbol ist, zur Gefahrenzone erklärt werden“, sagte der Ministersprecher. In Polen sei wegen des Vorfalls die Aufmerksam groß. Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) habe sich wegen des Vorfalls nun eingeschaltet und einen Bericht des Landkreises angefordert. Die Tiere sind die letzte noch in Europa vorkommende Wildrindart, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa fast ausgestorben war und heute vorwiegend nicht in Osteuropa vorkommt.

Tierschützer haben indes Strafanzeige gegen den Leiter des Lebuser Ordnungsamts. „Nach über 250 Jahren ist ein Wisent in Deutschland gesichtet worden – und alles, was dem Ordnungsamt einfällt, ist der Abschuss“, sagte WWF-Vorstand Naturschutz Christoph Heinrich. „Die Abschussfreigabe eines streng geschützten Tiers ohne ein ersichtliches Gefährdungspotenzial“ sei „eine Straftat“. Heinrich sagte: „Der Abschuss ist leider auch Ausdruck der Hilflosigkeit der Behörden, wie sie mit Wildtieren umgehen sollen.“ Von wildlebenden Wisenten gehe keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus. „Dass das artspezifische Verhalten von Wisenten für den Menschen keine Bedrohung ist, haben sowohl in Polen als inzwischen auch in Deutschland erfolgreich durchgeführte Projekte mit wildlebenden Wisenten gezeigt“, hieß es. Auch den Landtag Brandenburg wird der Fall beschäftigen. Die Grünen-Fraktion will den Vorfall im Umweltausschuss besprechen. „Der Abschuss erscheint mir völlig unverhältnismäßig“, sagte Grünen-Umweltexperte Benjamin Raschke. Er wolle wissen, ob genug getan wurde, um einen Tierarzt mit Betäubungsgewehr zu finden. 

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