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US-Militärfahrzeuge fahren nahe Brück (Brandenburg) auf der Straße eines Truppenübungsplatzes. Etwa 40 Soldaten haben die letzte Nacht auf dem Truppenübungsplatz verbracht und fahren weiter in Richtung Polen.

© R. Hirschberger/dpa

Brandenburg: Diplomatische Querelen nach Panzer-Debatte

Nach Woidkes Kritik an US-Truppentransport durch Brandenburg nach Polen droht ein Eklat im Landtag. Ausgerechnet in dieser Lage ist am Donnerstag hoher Besuch in Potsdam angekündigt.

Potsdam - Als Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im September 2015 das Multinationale Korps Nordost der Nato im polnischen Szczecin besuchte, hatte er eine klare Botschaft. Den Soldaten aus Polen, Dänemark und Deutschland dankte der Polen-Beauftragte der Bundesregierung ausdrücklich. Durch die „Ukraine-Krise und das dadurch gestiegene Sicherheitsbedürfnis unserer östlichen Bündnispartner“ habe das Korps an Bedeutung gewonnen, erklärte Woidke. Und: „Deutschland steht heute für Polens Sicherheit ein, so wie umgekehrt Polen für Deutschland.“

Heute, fast eineinhalb Jahre später, sind sich Polen und die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland der Haltung des Polen-Beauftragten nicht mehr so sicher. Grund sind kritische Äußerungen von Woidke zur Verlegung von 4000 US-Soldaten samt schwerem Gerät, darunter Panzer, nach Polen. Große Teile sind auf der Straße und auf der Schiene über Brandenburg auf die andere Seite der Oder transportiert worden. Mehr als eine Woche lang hatte es Woidke nicht geschafft, die von ihm angestoßene Debatte zu beenden. Hängen blieb eins: Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung warnte von einer Eskalation und Provokation Russlands. Und dass es nicht gut sei, wenn beiderseits der Grenze von Nato-Staaten und Russland Panzer auf und ab fahren. Dass Polen und die Balten ausdrücklich um die Unterstützung gebeten haben, darauf ging Woidke nur am Rande und zu spät ein: Er kenne die „Befindlichkeiten“ der Nachbarn und habe Verständnis dafür.

Sorge vor diplomatischen Verwicklungen auf der kleinen Bühne der Brandenburger Landespolitik ist groß

Ausgerechnet in dieser Lage ist am Donnerstag hoher Besuch in Potsdam angekündigt. Bei den rot-roten Koalitionären im Landtag herrscht helle Aufregung. Polens Botschafter Andrzej Przylebski wohnt der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde bei. Das Thema: „Schulterschluss mit Polen und den baltischen Republiken“. Die Sorge vor diplomatischen Verwicklungen auf der kleinen Bühne der Brandenburger Landespolitik ist groß. Auch ein Vertreter der russischen Botschaft in Berlin ist angekündigt. Die CDU hatte die Botschafter Polens, Litauens, Lettlands und Estlands persönlich eingeladen. Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) selbst hatte dann nach den protokollarischen Gepflogenheiten die Botschaften „der betroffenen Ländern“ über die Debatte informiert – neben Polen und den Balten-Staaten auch Russland. Nicht aber die USA. Begründung: Der Landtag führe keine außenpolitische Debatte. Die CDU sieht darin einen Affront. Dies sei der erneute Nachweis für die einseitige Ausrichtung der brandenburgischen SPD auf Russland, hieß es.

Die Lage ist pikant, weil Woidke mit seinen Äußerungen die Panzer-Debatte erst angestoßen hatte. Plötzlich stürmte die Linke los, Woidkes Koalitionspartner hielt mehrere Protestkundgebungen ab und warf dem Westen Kriegstreiberei vor und forderte „Ami go home“. Auch die AfD kritisierte die US-Operation, die Teil eines Nato-Beschlusses ist. AfD-Landeschef Alexander Gauland sagte, er teile Woidkes Auffassung. 

Solidarität von Bündnispartnern erwartet

In ihrem Antrag zu der Aktuellen Stunde verweist die CDU auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und die russische Unterstützung paramilitärischer Einheiten in der Ost-Ukraine. Die östlichen Nato-Mitgliedstaaten – zuvorderst Brandenburgs Nachbar Polen – seien zutiefst verunsichert. Russlands Anspruch auf eine Einflusszone und der Status als Schutzmacht aller ethnischen Russen werde als Bedrohung ihrer Souveränität und territorialen Integrität empfunden. Daher erwarteten sie von den Bündnis-Partnern Solidarität. Angesichts dieser Lage hatte Woidke mit seinen Äußerungen Verunsicherung im Baltikum und in Polen ausgelöst, wie etwa Litauens Botschafter in Berlin, Deividas Matulionis, oder Vertreter des Collegium Polonicum in Frankfurt (Oder) und Poznan den PNN erklärt hatten.

Sorge vor einem Eklat bei der Landtagsdebatte hat CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben aber nicht, auch wenn die AfD in Anwesenheit des polnischen Botschafters einen Gegeneintrag einbringt – und zwar gegen Nato- und US-Truppen in Polen und den Balten-Staaten, weil die Russen sich davon bedroht fühlten. „Mir ist nicht bekannt, dass Russland Polen oder Balten in irgendeiner Weise verbal bedroht hat“, sagt Gauland. Und die Annexion der Krim sei umstritten: „Die Zaren nannten das das Einsammeln russischer Erde.“

Rot-Rot will auch am Gespräch mit Polens Botschafter teilnehmen

SPD und Linke im Landtag wurden von dem Schachzug der CDU, die Debatte mit Botschafterbesuch aufzuwerten, völlig überrumpelt. Rot-Rot fühlt sich auch brüskiert, weil Senftleben Polens Botschafter nach der Debatte zu einem persönlichen Gespräch eingeladen hat. Rot-Rot will auch dabei sein, was die CDU ablehnt. Stattdessen können die Koalitionsvertreter den Botschafter nur am Morgen am Fortuna-Portal offiziell nach dem Protokoll empfangen. Besonders die SPD ist in der Zwickmühle. Das Verhältnis der SPD-geführten Staatskanzlei zu Moskau war stets ein besonderes. Woidkes Vorgänger, Ex-Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), ist immerhin Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums und löst mit seinen Äußerungen zu Russland zuweilen Kopfschütteln aus.

Und Woidke? CDU-Chef Senftleben nennt den Ministerpräsidenten einen Zauberlehrling, der die bösen Geister nicht wieder loswerde. Linke und AfD würden mit denselben Worten gegen die US-Truppen für die Bündnispartner agieren. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sprach gar von einer neuen Querfront zwischen links und rechts, aber auch Teilen der SPD, in der Ablehnung der Nato und der Blauäugigkeit gegenüber Putins Russland. Der Ministerpräsident müsse – in Anwesenheit des polnischen Botschafters – Verantwortung übernehmen und klar Stellung beziehen, forderte Senftleben. Nämlich, dass der Polen-Beauftragte die Unterstützung der Bündnispartner mitträgt – wie damals beim Besuch des Multinationale Nato-Korps in Szczecin.

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