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Streitpunkt. Flüge am frühen Morgen könnten beim BER künftig weiter eingeschränkt werden. Das wird zumindest jetzt geprüft.

©  Robert Schlesinger/pa

Brandenburg: Chancen für Offenhaltung Tegels schwinden

Auch Brandenburg und der Bund sind gegen Tegel-Weiterbetrieb. Die Aussprache der Mit-Gesellschafter brachte auch Bewegung beim Nachtflugverbot am BER.

Potsdam/Berlin - Nach dem Berliner Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel haben sich die Mit-Gesellschafter, Brandenburg und der Bund, am Donnerstag in Potsdam gegen einen Weiterbetrieb ausgesprochen. Bei der Gesellschafterversammlung erklärten Vertreter von Bund und Brandenburg, dass sie am Konsensbeschluss von 1996 und am Konzept eines „Single-Airports“ für die Hauptstadt-Region festhalten. Das sagte Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Rainer Bretschneider, nach dem Treffen. Demnach muss Tegel sechs Monate nach dem BER-Start geschlossen werden. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) will nun das Votum der Mit-Eigner der Flughafengesellschaft im Senat besprechen. Nach der Prüfung der rechtlichen Chancen und finanziellen Folgen für den Weiterbetrieb von Tegel werde er das Ergebnis erneut Brandenburg und dem Bund vorlegen.

Kollatz-Ahnen (SPD) zeigte sich jedoch wenig optimistisch. Zwar ist der Senat gegen die Tegel-Offenhaltung, will den Bürgerentscheid jedoch ernstnehmen. „Ich habe hier im Auftrag des Volksentscheids dafür geworben, ob eine Position denkbar ist, bei den anderen Gesellschaftern zu einer neuen Diskussion zu kommen“, sagte der Finanzsenator. „Der Stand heute ist, dass man sagen muss, dass keine Möglichkeit besteht, dort zu einem anderen Ergebnis zu kommen.“

Laut Görke würde die Offenhaltung Tegels Brandenburg über zehn Jahre 500 bis 700 Millionen Euro kosten

Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) lehnte den Weiterbetrieb Tegels kategorisch ab. Zwar achte die Landesregierung plebiszitäre Voten auch in Berlin. „Aber man muss wissen, die Frage einer möglichen Offenhaltung Tegels berührt auch die Interessen Brandenburgs und damit auch des Brandenburger Steuerzahlers.“ Görke beziffert die Kosten für Brandenburg auf 500 bis 700 Millionen Euro binnen zehn Jahren. Bislang hatte die Flughafengesellschaft den Weiterbetrieb nicht in den Finanzplänen berücksichtigt. Dazu müssten die Gesellschafter den Auftrag erteilen und dann auch die Kosten dafür zahlen – für Schallschutz, Investitionen und mehr Personal. Es fehle ihm jede Phantasie, wie die Mehrkosten vor dem Hintergrund der anderen Erwartungen und Herausforderungen im Land rechtfertigen solle.

Bewegung gibt es aber beim Nachtflugverbot am noch nicht eröffneten Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld. Berlins rot-rot-grüne Koalition zeigt sich gesprächsbereit, das Nachtflugverbot von bisher 5 Uhr auf 6 Uhr am Morgen zu verlängern. Zumindest ist Rot-Rot-Grün nun im Gegensatz zur Vorgängerkoalition von SPD und CDU bereit, Brandenburgs Forderungen ernsthaft entgegenzukommen. Die Gesellschafter beauftragten am Donnerstag den Flughafen-Geschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup damit, die Folgen des längeren Nachtflugverbots zu prüfen – im Rahmen der ohnehin laufenden Pläne für die Erweiterung des BER angesichts wachsender Passagierzahlen. Brandenburgs Flughafenkoordinator Bretschneider erklärte, das von fünf auf sechs Uhr verlängerte Flugverbot wäre der geringste Eingriff. In dieser Zeit würden die wenigsten Flieger starten und landen, aber dennoch den Schlaf der Anwohner stören.

Bisher gilt ein eingeschränktes Nachtflugverbot für den BER bis 5 Uhr - Brandenburg fordert eine Ausweitung auf 6 Uhr

Nötig war die Beratung der Gesellschaft in Potsdam, weil am 24. September rund 56 Prozent der Berliner für eine Offenhaltung Tegels gestimmt hatten. Schon zuvor herrschte zwischen den beiden Landesregierungen und dem Kanzleramt Einigkeit, dass Tegel nach Eröffnung des neuen Hauptstadtairports BER geschlossen wird.

Bislang gilt für den BER ein eingeschränktes Nachtflugverbot zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens. In den Randzeiten sind Ausnahmen möglich. Seit Jahren fordert Brandenburg ein längeres Nachtflugverbot bis 6 Uhr. Grund ist ein Volksbegehren aus dem Jahr 2012, bei dem sich 105 000 Brandenburger für ein komplettes Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr ausgesprochen hatten. Um einen Volksentscheid abzuwenden, machte sich die rot-rote Landesregierung die Forderung teilweise zu eigen, war damit jedoch an Berlin und dem Bund gescheitert.

Bremse für den Jobmotor? Wirtschaft warnt vor schärferen Regeln am BER

Die Wirtschaft warnte vor schärferen Regeln am BER. Eine Ausweitung des Nachtflugverbots würde Langstreckenverbindungen treffen, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Christian Wiesenhütter. Die IHK Cottbus befand, mit der Ausweitung des Nachtflugverbots werde der Jobmotor BER gebremst. Das wäre keine verantwortliche Politik für die Hauptstadtregion, sagte Andreas Fleischer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Der FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Sebastian Czaja warf Regierungschef Michael Müller (SPD) Blockade vor.

Nach dem Volksentscheid gehe es nicht mehr um die Frage, ob – sondern wie Tegel offen gehalten wird. Stattdessen treibe Müller über die Gesellschafterversammlung mit Brandenburg als Steigbügelhalter die Schließungsabsichten voran.

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