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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen ehemaligen Geschäftsführer der SRS-Hausverwaltungs GmbH.

© dapd

Brandenburg-Berlin: Vom DDR-Haftrichter zum Arbeitsrichter

Brandenburgs Justiz hat nicht nur ein Problem mit früheren Stasi-Mitarbeitern – es geht um bittere Unrechtsurteile

Potsdam - Es geht nicht mehr nur um Stasi-Richter, deren Übernahme in den Landesdienst nach der Wiedervereinigung Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) seit Wochen verteidigen muss. Es geht auch nicht um einen „Generalverdacht“ gegen Ostdeutsche, vor dem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) kürzlich in einer aufgeheizten Landtagsdebatte um frühere Stasi-Spitzel im Landesdienst warnte.

Für Sybille Schönemann geht es um monatelange Haft im berüchtigten Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis in der Lindenstraße 54. Und um den Richter Lutz W. Wie das RBB-Politmagazin „Klartext“ am Mittwoch berichtete, brachte W. 1984 als Haftrichter die Defa-Regisseurin und ihren Mann, den Filmemacher Hannes Schönemann, mehrere Monate hinter Gitter – weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Offizieller Grund war „Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit“. Nach der Wende blieb W. in der Justiz, erst als Amtsrichter, heute ist er Vorsitzender der 1. Kammer am Potsdamer Arbeitsgericht.

Schönemanns Geschichte ist erschütternd und sie ist bekannt. Die Stasi–Leute kamen an einem Dienstag im November, den damals sechs und zehn Jahre alten Töchtern sagten sie, die Eltern seien am Nachmittag wieder zurück. Aber erst ein Jahr später sahen sie sich wieder – im Westen. Die Bundesrepublik hatte die Familie freigekauft. Die Staatssicherheit und die Spitze der Defa-Studios wollten ein Exempel statuieren, um Kollegen vom Film von einem Ausreiseantrag abzuhalten. Das alles, ihr Leben hat Schönemann in dem Dokumentarfilm „Verriegelte Zeit“ erzählt, auch wie sie nach dem Mauerfall mit der Kamera in den Osten zurückkehrte und nach den Tätern von einst, auch nach dem Richter suchte. Mit dem Streifen machte sie deutschlandweit Furore, 1991 bekam sie den Bundesfilmpreis dafür.

Etwa zur gleichen Zeit wurden in Brandenburg Richter und Staatsanwälte von Kommissionen und Wahlausschüssen überprüft – auf frühere Stasi-Mitarbeit und politische Urteile gegen Regimekritiker. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte den PNN: „Anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen lässt sich derzeit nicht nachvollziehen, was nach der Verleihung des Bundesfilmpreises hinsichtlich des in Rede stehenden Richters unternommen wurde.“ Der Fall sei aber intensiv geprüft worden. Und bei allem Mitgefühl für die Opfer habe Justizminister Schöneburg die Entscheidungen der Gremien und des damaligen Ressortleiters zu akzeptieren. Das war Hans-Otto Bräutigam (parteilos). Damals seien bei W. „die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Richteramtes“ festgestellt worden, obwohl dessen „richterliche Tätigkeit und Rechtsprechung“ bekannt waren.

„Klartext“ zitierte Bräutigam mit den Worten: „Ich habe mich mit jedem einzelnen Fall beschäftigt, bevor dieser zum Richterwahlausschuss ging. Gegen den Willen des Justizministers war die Wahl zum Richter nicht möglich.“ Und Bräutigam verteidigte den Richter, der „sich sozusagen einer Anweisung der politischen Stellen gegenüber sah“ und „glaubte, sich dem nicht entziehen zu können, sie waren Verpflichtung für ihn“. Wenn er es nicht getan hätte, dann hätte es ein anderer getan. Rainer Schröder, der an der Humboldt-Universität die DDR-Justiz erforscht, sagte „Klartext“, das Urteil gegen die Schönemanns sei „Freiheitsberaubung im Amte“. Dass W. weiter als Richter tätig ist, sei „ absolut unerträglich“.

Sybille Schönemann dreht heute keine Filme mehr. Sie spricht von bösen Brüchen in ihrem Leben, von der Mühe, aus „gestörten Eltern und verlassenen Kindern wieder eine gesunde Familie“ zu werden. „Und niemand ist verantwortlich“, sagte sie „Klartext“. Dies sei eine „traurige Erfahrung, wenn es so reibungslos, für die, die verantwortlich sind, weitergeht“.

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