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Zwei Bransätze wurden auf diese Flüchtlingsunterkunft in Jüterbog, in der minderjährige Flüchtlinge untergebracht waren, geworfen.

© dpa

Brandanschlag auf Asylunterkunft Jüterbog: Täter nannte seine fremdenfeindliche Gesinnung als Motiv

Ein 20-Jähriger hat gestanden, einen Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Jüterbog verübt zu haben. Er bleibt vorerst auf freiem Fuß.

Jüterbog/Potsdam - Der 20-jährige Tatverdächtige, der einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Jüterbog (Teltow-Fläming) gestanden hat, bleibt auf freiem Fuß. Das Amtsgericht Luckenwalde habe den beantragten Haftbefehl abgelehnt, weil keine Fluchtgefahr bestehe, sagte der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Markus Nolte, am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft prüfe nun, Rechtsmittel dagegen einzulegen. 

In der Wohnung fanden die Ermittler Utensilien für den Brandanschlag

Am Dienstag nahmen die Ermittler den 20-Jährigen aus Jüterbog fest. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stießen die Beamten nach PNN-Informationen auf umfangreiches Beweismaterial zu dem Fall, konkret waren es nötige Utensilien für den Brandanschlag.

Zudem war der 20-Jährige in der ersten Vernehmung geständig: Er räumte die Tat weitgehend ein. Er habe als Einzeltäter gehandelt, sein Motiv: fremdenfeindliche Gesinnung. Der Mann ist bei den Sicherheitsbehörden als Mitläufer in der rechtsextremistischen Szene bekannt.

Auf die Spur kamen die Beamten den Mann bei Ermittlungen im Umfeld des Flüchtlingsheims. Dabei fanden sie einen Zeugen, der den 20-Jährigen kurz vor der Tat mit einem Benzinkanister zum Flüchtlingsheim gehen sah. 

Anschlag auf Jüterboger Flüchtlingstreff 2015 bisher ausgeschlossen

Vorerst ausgeschlossen wird ein Zusammenhang zu der Explosion in einem Jüterboger Flüchtlingstreff Ende November 2015. Wie berichtet war der Raum der evangelischen Kirche damals nach einer fremdenfeindlichen NPD-Demonstration durch eine Explosion zerstört worden. Die Ermittler vermuteten bisher, dass die im März ausgehobene Neonazi-Zelle von Nauen um den NPD-Politiker Maik Schneider an dem Anschlag beteiligt war. Der NPD-Mann gilt als der Kopf der Gruppe, meldete auch die Demonstration in Jüterbog an und muss sich unter anderem wegen des Brandanschlags auf eine als Asylunterkunft vorgesehene Turnhalle in Nauen am Donnerstag mit anderen Neonazis vor dem Landgericht Potsdam verantworten.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam wirft ihm die Rädelsführerschaft einer kriminellen Vereinigung vor, die für insgesamt sieben Straftaten angeklagt ist. Die Explosion in Jüterbog aber gehört bislang nicht dazu. Die Staatsanwaltschaft lässt derzeit Zeugen und Beschuldigte vernehmen.

Täter warf zwei Brandsätze auf Asylunterkunft

Bei dem Anschlag auf die Asylunterkunft, in der alleinreisende, minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind, hat der Täter am 1. Oktober, einen Samstag, in der Nacht um 1.15 Uhr zwei Brandsätze auf ein Fenster des Flachbaus geworfen. Weil die Brandsätze die doppeltverglasten Fenster nicht durchschlugen, entzündeten sie sich aber nur im Fensterbereich. Einem durch die Geräusche alarmierten Betreuer der Unterkunft gelang es, gemeinsam mit einer Kollegin die Flammen an der Außenfassade zu löschen. Als die herbeigerufene Feuerwehr eintraf, war der Brand bereits erstickt. Am Ende hatten die 20 Bewohner im Alter von 15 bis 17 Jahren großes Glück: Verletzt wurde keiner, auch musste das Gebäude nicht evakuiert werden. Die Brandsätze wurden auf das Fenster eines unbewohnten Abstellraumes geworfen, beschädigten nur die erste Verglasungsschicht. Rings um das Fenster blieben aber großflächige Rußspuren. Für Polizei und Landespolitik, nicht aber für Jüterbogs parteilosen Bürgermeister Arne Raue, war das Offenbare schnell klar: Dass der Anschlag einen fremdenfeindlichen oder sogar einen rechtsextremen Hintergrund hat. Denn schon Mitte September hatten Unbekannte eine Fensterscheibe mit einem Stein beschädigt.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) verurteilte den Brandanschlag scharf. „Das ist eine widerliche und verabscheuungswürdige Tat von völlig Irregeleiteten“, sagte er. Das sei unerträglich und passe nicht zum weltoffenen Brandenburg, in dem sich Tausende täglich in wunderbarer Weise für Flüchtlinge engagierten. Klare Worte fand auch Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD): „Brandanschläge sind keine Asylkritik, sondern ein Verbrechen und sonst nichts. Sie sind die Argumente derjenigen, die sonst keine Argumente haben. Mich widert so was an.“

Bürgermeister Raue warnt vor Vermutungen, dass Rechtsextreme hinter Anschlag stecken

Für Aufsehen dagegen sorgte nach dem Anschlag einmal mehr Arne Raue, Bürgermeister der 12.000-Einwohner-Stadt, die 2017 landesweit im Mittelpunkt der Feierlichkeiten des Luther-Jahrs steht. Er hatte nach dem Anschlag im Oktober erklärt: Natürlich verurteile er die „verachtungswürdige“ Tat, jede Form von Gewalt sei zu verachten. Zugleich sprach Raue aber von „sogenannten unbegleiteten minderjährigen Neuankömmlingen“. Und er warnt vor Vermutungen zu den Tätern, ob es etwa Rechtsextreme seien. Dies hätten Politiker „auch konkret in Jüterbog“ viel zu oft getan, die Ermittlungen seien dann ins Leere gelaufen. Für ihn war offenbar jemand anderes verantwortlich für den Brandsatz auf die Flüchtlingsunterkunft. Er erklärte: „Die aus meiner Sicht völlig katastrophale Flüchtlingspolitik der Bundesregierung müsste bei der Bewertung derart unmenschlicher Taten auch diskutiert werden. „Natürlich muss man mit der Gesellschaft radikal verändernden Bundespolitik, der Arbeit der Medien und auch der Rolle der vielen Neuankömmlinge kritisch umgehen.“ (mit dpa)

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