zum Hauptinhalt

Brandanschlag auf Asylheim: Vom Nazi-Vater angestachelt?

Wende im Jüterboger Anschlagsprozess: Der Angeklagte Chris P. könnte demnach von seinem Vater zum Anschlag angestiftet worden sein.

Potsdam/Jüterbog - Der Prozess um den Brandanschlag auf eine Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge in Jüterbog im Oktober 2016 hat am Donnerstag eine überraschende Wende genommen. Demnach könnte der angeklagte Chris P. – entgegen seiner Aussagen bei der Polizei und entgegen seines Geständnisses – nicht alleiniger Täter gewesen sein. Das berichtet die MAZ. Ermittler bestätigten die Darstellung.

Demnach erklärte die Freundin des Angeklagten am Donnerstag unter Tränen im Zeugenstand vor dem Landgericht Potsdam, dass Chris P. mit seinem 44-jährigen Vater und einem Freund F. an dem Brandanschlag beteiligt gewesen sein sollen. Der Vater von P. soll die Molotow-Cocktails gebaut haben, die beiden jungen Männer hätten diese dann auf die Flüchtlingsunterkunft geworfen. Chris P. selbst habe ihr erklärt, „dass er es für seinen Vater getan“ habe, „damit der keine Strafe kriegt“, wurde die Zeugin von der MAZ zitiert. Bei einer Vernehmung durch die Polizei habe die 20-Jährige diese Anschuldigungen noch nicht erhoben. Infolge von anonymen Hinweisen sei sie nun als Zeugin geladen worden.

Vorwurf gegen den Vater: Kinder wurden rechtsextrem indoktriniert

Chris P. hatte zu Prozessbeginn gestanden, am 1. Oktober 2016 in seiner Heimatstadt zwei Molotow-Cocktails auf ein Asylheim für minderjährige Flüchtlinge geworfen zu haben. Das Motiv: Ausländerfeindlichkeit. Bereits wenige Wochen später hatte ihn die Polizei gefasst. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord und schwere Brandstiftung vor. Ein Brandsatz traf damals das Fenster eines Abstellraums und setzte eine Gardine in Brand. Betreuer konnten das Feuer aber schnell löschen, sodass niemand zu Schaden kam. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 1500 Euro.

Ursprünglich war für November bereits die Urteilsverkündung vorgesehen. Durch die neuen Aussagen ist das hinfällig. Der Vater und der Freund hatten als Zeugen vor Gericht bislang lediglich ausgesagt, in der Tatnacht mit Chris P. auf dem väterlichen Gehöft gefeiert zu haben. Gegen beide dürfte die Staatsanwaltschaft Potsdam nun Ermittlungen aufnehmen. Zumal neben der Freundin auch die Mutter des Angeklagten ihren Ex-Mann dem Bericht zufolge schwer belastet hat. In einem Brief habe ihr Sohn aus der Untersuchungshaft heraus zugegeben, dass der Vater beteiligt gewesen sein soll – er aber ihm zuliebe die alleinige Schuld auf sich nehme. Zudem soll die Frau ihrem Ex-Mann vorgeworfen haben, die gemeinsamen Kinder rechtsextrem zu indoktrinieren, viel Alkohol zu konsumieren und erst jüngst bei einer Feier betrunken den Hitlergruß gezeigt zu haben. Seine rechte Haltung habe zur Trennung geführt.

Die Sicherheitsbehörden stuften P. bislang als Mitläufer der rechten Szene ein. Neunte-Klasse-Abschluss, keine Jobperspektive, Alkoholprobleme. Die Aussagen der Mutter decken sich mit den Erkenntnissen der Ermittler: Bei der Hausdurchsuchung haben sie in P.s Zimmer keine Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung gefunden – keine Fahnen, keine Bücher, keine Rechtsrock-CDs. Dafür sind sie in der Garage des Wohnhauses, in dem P. bis zuletzt mit seinem Vater wohnte, fündig geworden. Am Auto: ein Reichsadler, mit Eisernem Kreuz statt Hakenkreuz. Im Regal Rechtsrock-CDs. „Balladen des Nationalen Widerstands“, „Radio Wolfsschanze I und II“, „Freikorps“. Die aber müssen nicht dem Angeklagten, könnten vielmehr auch dem Vater gehört haben.

Wenige Stunden nach seinem Brandanschlag auf das Jüterboger Asylheim hat Chris P., wie er vor Gericht eingeräumt hatte, gemeinsam mit seinem Vater – offenbar ein strammer Neonazi –, gesungen: „Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz“. Die Textzeilen stammt von der Neonazi-Band Landser, der ersten Band, die von einem Gericht als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false