zum Hauptinhalt
Harter Schlag. Der 19-jährige Afghane Ahmad Shah Kohdamani ist jetzt als Bufdi Co-Trainer beim Boxen des ESV in Frankfurt (Oder).

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Boxen als Bufdi

Ein afghanischer Flüchtling macht seine sportliche Leidenschaft zum Beruf. Der Bundesfreiwilligendienst gibt ihm die Chance zur besseren Integration. In der Mark stockt das Sonderprogramm aber noch

Frankfurt (Oder) - Wer Ahmad Shah Kohdamani beim Training beobachtet, erkennt schnell: Der junge Mann mit dem breiten Lächeln hat Ahnung vom Boxen. Zunächst scheucht der 19-Jährige seine jungen Schüler mit dem Springseil durch die Sporthalle des Eisenbahnersportvereins (ESV) Boxen in Frankfurt (Oder). Nach dem Aufwärmen geht es dann an den Boxsack oder gemeinsam mit einem Sparringspartner ans Eingemachte. Unermüdlich demonstriert der junge Afghane Bewegungsabläufe und Schlaghaltungen, spricht dabei aber kaum ein Wort. Denn seine Deutschkenntnisse sind noch nicht besonders gut.

Kohdamani kam im vergangenen Jahr als Flüchtling nach Europa – als einziger seiner Großfamilie aus der afghanischen Hauptstadt Kabul. Seit acht Monaten lebt er in Frankfurt (Oder) und fand dabei schnell heraus, dass der Boxsport in der Stadt Tradition hat. „Die jungen Flüchtlinge kamen zu uns, um mit zu trainieren“, erinnert sich ESV-Sportleiter Uwe Köppen. Fünf von ihnen seien inzwischen Vereinsmitglieder.

Bei Kohdamani stellte sich schnell heraus, dass er etwas vom Boxen versteht, immerhin war er eigenen Angaben nach in seiner Heimat schon Landesmeister. Inzwischen trägt der junge Afghane den Brandenburger Meistertitel in der Gewichtsklasse bis 64 Kilogramm und ist seit März beim Boxverein angestellt, als sogenannter Bundesfreiwilliger (Bufdi).

Ermöglicht hat ihm diese Perspektive die Brandenburger Landessportjugend, die bereits 17 junge Flüchtlinge an Sportvereine in der Mark vermittelt hat und als Träger dieser mit öffentlichen Geldern geförderten Stellen fungiert. „Die jungen Migranten arbeiten 20,5 Stunden in der Woche, werden in die Vereine integriert, leiten Trainingsgruppen an“, fasst Lars Böhme von der Brandenburgischen Sportjugend die Bufdi-Aufgaben zusammen. „Kohdamani arbeitet als Co-Trainer der Jugendlichen, kümmert sich auch um die Ordnung unserer Trainingsstätte“, sagt auch Sportleiter Köppen.

Drei Tage im Monat trainiert der 19-Jährige die Nachwuchsboxer des ESV, einmal wöchentlich interessierte Jugendliche in einem Frankfurter Flüchtlingsheim. Laut Köppen hat sich der junge Afghane den Respekt seiner Schüler erarbeitet und macht eine ordentliche Arbeit. Da sei es nicht verwunderlich, dass sein ursprünglich bis Ende Februar 2017 laufender Bufdi-Vertrag um ein weiteres halbes Jahr verlängert wurde. Gerade der Boxsport habe bei Migranten von jeher einen hohen Stellenwert. „Schauen Sie zu den Profis oder auch in die 1. Bundesliga“, sagt Köppen. Deutscher Nachwuchs sei hingegen mittlerweile schwer zu finden.

Einziger Wermutstropfen seines Bufdis: „Die deutsche Sprache ist noch nicht so sein Ding. Er versteht viel, spricht aber kaum“, sagt der ESV-Sportleiter. Deutschkurse gebe es in Frankfurt vorrangig für syrische Flüchtlinge, habe er gehört, sagt Köppen bedauernd.

Das Interesse an den Bufdi-Stellen sei trotz Sprachproblemen sowohl bei den Sportvereinen, als auch bei den Flüchtlingen groß, erläutert Böhme. Allerdings sei der Aufwand recht hoch, um gegenseitiges Verständnis zu erzeugen. „Die ausländischen Bufdis müssen bei Behördengängen begleitet werden, brauchen für ihre Arbeit mehr Anleitung als deutsche Freiwillige.“ Dennoch soll das Beispiel der Brandenburger Sportjugend in der Mark Schule machen. Eine Anfang November gegründete Fach- und Beratungsstelle des Landesjugendrings will Flüchtlinge im Sinne einer echten Integration verstärkt in Freiwilligendienste vermitteln.

„Gerade jugendliche Migranten sollen ermutigt werden, in Vereinen, Willkommensklassen oder Kinder- und Jugend-Freizeiteinrichtungen freiwillig zu arbeiten“, betont Steffen Göths, Referent der Fachstelle.

Der Frankfurter Box-Co-Trainer Kohdamaini sieht seine Bufdi-Anstellung mehr als Zeitvertreib denn als Arbeit an, zumal er dafür lediglich 50 Euro Taschengeld im Monat erhält. Aber dafür ist er als Bufdi sozialversichert. Jetzt will er die Sprache seiner neuen Heimat endlich richtig lernen und dann studieren, am liebsten Jura.

Der 19-Jährige wohnt inzwischen schon mit Studenten der Frankfurter Europa-Universität „Viadrina“ zusammen in einer Wohngemeinschaft, hat jedoch bisher keinen längerfristigen Aufenthaltstitel: Seine Aufenthaltsgestattung wird alle drei Monate verlängert.

Jeanette Bederke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false