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Bildungsministerium in Brandenburg: Neue Ministerin – neuer Staatssekretär?

Der Führungswechsel im Brandenburger Bildungsressort könnte auch Staatssekretär Thomas Drescher treffen. Interne Kritik gibt es bereits, nun holen ihn alte Verfehlungen ein.

Potsdam - Wenn Günter Baaske am Donnerstag seine Dankesurkunde erhalten hat, seine Nachfolgerin Britta Ernst (beide SPD) ernannt wurde und sie im Landtag ihren Eid als Brandenburgs neue Bildungsministerin abgelegt hat, wird es danach auch um ihn gehen: Thomas Drescher, Staatssekretär im Bildungsressort. Sechs-Augen-Gespräche sind schon geplant. Auf den Fluren des Ministeriums wird bereits über seinen Wechsel geraunt. Eine Entscheidung soll bis Freitag fallen.

Ohnehin lief es nicht rund für Thomas Drescher in diesem Sommer. Erst die Pannen beim Mathematik-Abitur, dann die verpatzte Talkrunde des Landesschülerrates zur Bundestagswahl in den Räumen des Bildungsministeriums, die aus Sorge vor linken Protesten gegen die Teilnahme eines AfD-Politikers abgesagt wurde – und bei der das Ministerium den Schülern nicht den Rücken stärkte. Dann die umstrittenen Auftritte bei Wahlkampfveranstaltungen dreier SPD-Bürgermeisterkandidaten im Landkreis Dahme-Spreewald, womit er gegen das Neutralitäts- und Mäßigungsgebot als Beamter verstieß. Auch deshalb holt den Bildungsstaatssekretär ohne Parteibuch nun die Vergangenheit ein.

Affäre um Droghungen gegen Schüler - und ein Anruf, den man nur einmal im Leben bekommt

Etwa die: Drescher war als Leiter der musikbetonten Gesamtschule „Paul Dessau“ in Zeuthen (Dahme-Spreewald) in eine handfeste Affäre um Drohungen gegen aufmüpfige Schüler verwickelt. Wie den PNN vorliegende Unterlagen belegen, musste sogar das staatliche Schulamt einschreiten. Es hatte dafür gesorgt, dass Drescher für den damaligen Abiturjahrgang nicht Vorsitzender der Prüfungskommission ist, die Abiturzeugnisse nicht seine Unterschrift tragen.

Als Drescher im Herbst 2014 nach der Landtagswahl und der Neuauflage von Rot-Rot der Ruf von Bildungsminister Günther Baaske (SPD) aus Potsdam ereilte, war er gerade im Urlaub. Er sei sich schnell mit seiner Frau einig gewesen, „dass man so einen Anruf nur einmal im Leben erhält“, sagte Drescher damals der MAZ. „Schließlich ist es eine Ehre, dass man für so eine Aufgabe ausgewählt wurde.“ Das Bildungsministerium zeichne sich durch Stabilität und Verlässlichkeit aus. „Ich bin hier, um eine inhaltlich gute Arbeit vor allem im Interesse der Brandenburger Jugend zu leisten.“

Neuer Vorgesetzter von Lehrern und Schulleitern: Ist Drescher der Richtige für diesen Job?

Frühere Schüler der Zeuthener Gesamtschule, an der Drescher 2009 Schulleiter wurde, haben eine ganz andere Erinnerung an den Bildungsstaatssekretär. Und sie stellen sich die Frage, ob Drescher als sogenannter Amtschef im Bildungsressort und damit Vorgesetzter von Lehrern und Schulleitern, die Brandenburgs Schüler fit für das Berufsleben machen sollen, der Richtige auf dem Posten ist.

Der Fall reicht zurück ins Frühjahr 2010. Die 13. Klassen führten ein Schülerkonzert an der Gesamtschule auf, Veranstalter war ein Musik-Förderverein. Schüler sammelten Unterschriften, weil durch die Stadt finanzierte Honorarkräfte für den Musik-Schwerpunkt an der Schule wegfallen könnten. Und sie kritisierten öffentlich bei dem Konzert, dass die Stellen nicht für die Zukunft gesichert seien.

Drescher zu Schülern in der Vorabiturzeit: "Es war sehr unklug von Euch, mich als Prüfungsvorsitzenden so anzugreifen"

Zwei Tage später zitierte Schulleiter Drescher die Schüler, die bei dem Konzert aufgetreten waren, zu sich, ebenso vier Tutoren. Und alles kurz bevor für das Abitur relevante Klausuren begannen. Nach dem Gespräch legten die Schüler eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Schulamt ein. Demnach soll Drescher über die Aktion beim Konzert gesagt haben: „Es war sehr unklug von Euch, eine solche Äußerungen in der Vorabiturzeit und vor den anstehenden Prüfungen zu machen. Außerdem war es sehr unklug, mich als Prüfungsvorsitzenden so anzugreifen.“ Schließlich wollte der Schulleiter wissen, wer von der Protestaktion beim Konzert und der Unterschriftenliste wusste. Und er soll gedroht haben: „Wer davon wusste, hat mit zeitnahen Konsequenzen zu rechnen.“ Zudem soll Drescher mit Schulausschluss gedroht haben – wenige Monate vor dem Abitur. Aus Sicht der Schüler hatte er seine „Position als Schulleiter missbraucht“.

Einen Monat später kam die Antwort des Schulamtes auf die Dienstaufsichtsbeschwerde samt Befangenheitsantrag. Demnach gingen die von Drescher eingeleiteten Maßnahmen „über den notwendigen Rahmen einer Aufklärung hinaus“. Seine Wortwahl „lässt eine Interpretation“, wie sie die Schüler verstanden haben, zu. Die Reaktion des Schulleiters habe „nicht zur Deeskalation beigetragen, sondern eher noch verunsichert“. Auch traf das Schulamt „notwendige Feststellungen“, wonach Drescher an der Abiturprüfung „nicht persönlich“ teilnehmen werde, „weder als Vorsitzender noch als Mitglied eines Fachausschusses“, damit jeder Konflikt bei den Abiturprüfungen ausgeschlossen ist. Zudem sicherte das Schulamt den Schülern zu, dass sie die Prüfung ungestört abschließen können.

„Er kennt sie nicht und bewertet sie nicht“

Drescher war damals noch in einer Probezeit, war mit der „Wahrnehmung der Funktion eines Schulleiters betraut“, wie das Bildungsministerium auf PNN-Anfrage erklärte. Erst im Januar 2012 wurde er Gesamtschulrektor auf Lebenszeit. Nach Auskunft eines früheren Schülers soll ein Vertreter des Schulamts damals mündlich die Auskunft gegeben haben, dass Drescher eine Rüge erteilt worden sei. Das Bildungsministerium hat heute allerdings „keine Informationen über eine Disziplinarmaßnahme“. Tatsächlich dürfte die Rüge auch längst aus der Personalakte getilgt worden sein.

Auf die Frage, was der scheidende Bildungsminister Baaske von den damaligen Vorgängen hält, erklärte ein Ministeriumssprecher: „Er kennt sie nicht und bewertet sie nicht.“ Er hat also auch nicht davon gewusst, als er Drescher 2014 nach Potsdam holte. Vielmehr teilte das Ministerium mit: „Herr Drescher hatte als Schulleiter in Zeuthen einen ausgezeichneten Ruf. Dieser erreichte den Minister in Potsdam.“ Und trotz der damaligen Vorgänge, von denen Baaske erst jetzt erfahren haben will, sieht er „keinen Grund, seine Entscheidung für Herrn Drescher in Frage zu stellen“.

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Drohungen gegen Schüler: Drescher hat verbrannte Erde hinterlassen

Karl Uwe Fuchs glaubt das nicht. Er war 2010 einer jener Abiturienten, die die Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt haben. Heute ist er im Landkreis Dahme-Spreewald für die FDP aktiv. „Das Ministerium hat von den Streitigkeit um die Abschaffung der Musikausbildung an der Schule gewusst“, sagt Fuchs. Der Streit sei auch in Potsdam angekommen, damals habe Drescher verbrannte Erde hinterlassen. Für Fuchs ist klar: „Wer Schüler unmittelbar vor dem Abitur mit dem Ausschluss droht, nur weil sie ihre demokratischen Rechte wahrgenommen, ihre Meinung gesagt haben, kann kein Vorbild sein, nicht für Schüler, nicht für Lehrer und Schulleiter.“

Inzwischen ist selbst im Ministerium von Unzufriedenheit mit Drescher zu hören, nicht wenige beklagen seinen Führungsstil. Inzwischen ist sogar schon ein Ersatzposten für den Beamten im Gespräch – im Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (Lisum). Was Drescher noch retten könnte, ist die Vorsicht der neuen Ministerin. Die will auf Kontinuität setzen. Zudem stehen weitere Personalentscheidungen auf der Ebene darunter an: Für die Abteilung für Kinder, Jugend und Sport wird ab Ende Oktober ein neuer Chef gesucht. 

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