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Bald zum Halbjahr ohne Zeugnisse? Die rot-rote Landesregierung will die Zeugnispflicht zum Halbjahresende in den Klassen 3 und 4 in einigen Jahren aufheben. Daran gibt es schon jetzt laute Kritik.

© Patrick Pleul / dpa

Bildung in Brandenburg: Im Leistungstest

Brandenburgs Politik streitet um die Kitafinanzierung, Halbjahreszeugnisse und bedrohte Landschulen. Was Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) plant, was die Gemüter erhitzt – ein Überblick.

In Brandenburgs Bildungspolitik geht es wieder einmal hoch her. Nachdem der Konflikt um die Betreuungszeiten in den Kindertagesstätten eskalierte und auch die Fraktionen des Landtages am Dienstag beschäftigte, gibt es nun noch Krach um neue Pläne von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) für die Grundschulen im Land. Am Dienstag wurde durch eine Vorabmeldung des „Nordkurier“ bekannt, dass das Bildungsministerium die Halbjahreszeugnisse für die 3. und 4. Klassen abschaffen will, was die Gemüter erhitzt. Zudem kündigte Rot-Rot Ausnahmeregelungen für von Schließung bedrohte Schulzentren aus Grund- und Oberschulen an, die nicht genügend Kinder für die Klassen finden. Ein Überblick.

ELTERNGESPRÄCH STATT ZEUGNIS?

In seiner Agenda für die nächsten zehn Jahre, die SPD-Regierungschef Dietmar Woidke jüngst verkündete, stand davon nichts. Doch Brandenburgs Landesregierung will die Halbjahreszeugnisse in den Grundschulklassen 3 und 4 in einigen Jahren abschaffen. So steht es in einer Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Hoffmann. Danach sollen die Halbjahreszeugnisse in der 3. Klasse ab dem Schuljahr 2020/21 und in der 4. Klasse ein Jahr später abgeschafft werden. „An die Stelle tritt verbindlich das standardisierte Lernentwicklungsgespräch“, heißt es. Ziel sei es, dass Schüler und Eltern eine individualisierte Leistungsrückmeldung erhalten. „Somit kann differenzierter auf die Leistungsentwicklung des einzelnen Kindes eingegangen und das Leistungsvermögen ausgeschöpft werden.“ Die Jahresendzeugnisse werden nicht angetastet. Und es soll, wie jetzt den Schulkonferenzen, freigestellt bleiben, ob Noten gegeben werden oder auch nicht. Traditionelle Noten sind landauf und landab die Regel. Laut Landesregierung gibt es in 423 Schulen in den 4. Klassen Noten. Nur 36 Schulen geben schriftliche Informationen und ganze fünf Schulen wenden bisher ein Indikatorenzeugnis an – eine moderne, pädagogisch differenzierte und motivierende Form der Bewertung.

CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann kritisierte die geplante Abschaffung der Halbjahreszeugnisse scharf. Es sei ein weiterer Schritt in Richtung „Entmündigung der Eltern“, sagte Hofmann. „Wahrscheinlich ist es der heimliche Wunsch von SPD und Linken, dass es irgendwann gar keine Zeugnisse mehr geben wird.“ Dies hätte dann den Vorteil, dass „es keine unvollständigen Zeugnisse wegen Unterrichtsausfalls“ mehr geben könne. Eine Sprecherin des Bildungsministeriums erklärte auf dpa-Anfrage, die Pläne seien nicht neu. Weiter wollte sie sich nicht dazu äußern, weil die Antwort des Ministeriums auf die Anfrage der CDU-Fraktion vom Landtag am Dienstag offiziell noch nicht veröffentlicht war. Eine PNN-Anfrage blieb ohne Reaktion.

KITAS FRÜHER ZU?

Die Selbstanzeige des Kitaträgers Fröbel, der die Betreuungszeiten wegen fehlender Finanzierung durch das Land auf die bezahlten 7,5 Stunden beschränken will (PNN berichteten), schlägt weitere Wellen. Die Grünen kritisierten am Dienstag, dass das Bildungsministerium dem Träger als äußerste Konsequenz sogar mit dem Entzug der Betriebserlaubnis gedroht hat. Die Reaktion sei unangemessen, sagte Bildungsexpertin Marie-Luise von Halem: „Fröbel handelt exemplarisch für eine Vielzahl von Trägern, deren Personalbedarf ebenso wenig ausreichend finanziert ist.“ Das Ministerium sollte lieber die Grundsatzproblematik angehen „und endlich die dritte Betreuungsumfangsstufe einführen“. Auch Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers äußerte sich ähnlich, das sei Position der Linken. Gemeint ist, dass das Land nicht nur 7,5 Stunden, sondern auch die Differenz bis zu zehn Stunden Betreuung finanziert. Im  Pendlerland Brandenburg sind viele Kitas so lange offen. CDU-Chef Ingo Senftleben, früher Bürgermeister in Ortrand, sagte dazu: „Die Kita macht auf, wenn das erste Kind kommt, und schließt, wenn das letzte Kind abgeholt worden ist.“ In der Regel sei das von 8 bis 18 Uhr, „aber nur 7,5 Stunden werden bezahlt“. Anstatt dass Woidke Zehn-Jahres-Pläne verkünde, solle seine Regierung besser die aktuellen Probleme lösen, „nämlich familiengerechte Betreuungszeiten zu sichern“. Senftleben erinnerte daran, dass die Bertelsmann-Stiftung bereits 2014 festgestellt habe, dass die vom Land finanzierten Betreuungszeiten in Brandenburg nicht ausreichen. Er prophezeite, dass die rot-rote Koalition spätestens nach den angekündigten Protesten vor dem Landtag einlenken werde. Am Dienstag forderte auch die Volkssolidarität eine bessere Kitafinanzierung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband formulierte zu dem Konflikt gegenüber den PNN auf Anfrage seine Position so: Die Selbstanzeige von Fröbel beim Ministerium sei „konsequent und macht die rechtlich mindestens fragwürdige Situation deutlich, in der sich viele Träger von Kindertagesstätten aktuell bewegen (müssen)“, sagte Vorstand Andreas Kaczynski. Gleichwohl empfehle man den Mitgliedsorganisationen „zurzeit keine Selbstanzeige“. Man sei darüber intern im Austausch, „und es kann durchaus sein, dass sich weitere Träger in gleicher Weise wie Fröbel dazu entschließen werden, keine Neuverträge über acht Stunden abzuschließen“. Der Entscheidungsprozess hierzu sei noch nicht abgeschlossen. Am Donnerstag findet dazu eine Anhörung im Landtag statt. SPD-Bildungsexpertin Simona Koß sagte: „Wir werden genau hinhören.“

STOPP FÜR SCHULSCHLIESSUNGEN

Die rot-rote Koalition in Brandenburg will die Schließung von Schulen wegen zu geringer Schülerzahlen vorerst aussetzen. Eine entsprechende Regelung solle bis zum Ende des Schuljahres 2019/20 gelten, sagten Koß (SPD) und Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers. Man wolle Ruhe in die Schulen bringen und zunächst die Empfehlungen abwarten, die eine Demografie-Kommission im kommenden Jahr zur Schulentwicklung im ländlichen Raum abgeben werde.

In diesem Jahr stünden nach Angaben der Koalition sonst zwei Schulen vor der Schließung, im kommenden zwei weitere. Laut Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers handelt es sich bei den aktuell betroffenen um die Oberschule mit Grundschule Glöwen (Prignitz) und die Oderbruch-Oberschule Neutrebbin (Märkisch-Oderland). „Eine Schule zu schließen, das geht schnell, sie möglicherweise wieder aufzubauen, das ist ein ganz anderes Thema“, sagte Christoffers.

CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann begrüßte die Idee der Regierungsfraktionen einer vorübergehenden Bestandsgarantie, bis die Kommission ihre Vorschläge gemacht habe. Allerdings habe Rot-Rot in der Vergangenheit bereits mehrere Gelegenheiten verstreichen lassen, um das Problem von zu wenigen Schülern im ländlichen Raum zu lösen, kritisierte er. Die Opposition habe etwa Jahrgänge mit nur einer Klasse, Schulfilialen und Angebote für sogenanntes E-Learning (Lernen über das Internet) vorgeschlagen, was abgelehnt worden sei. (mit mak, dpa)

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