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Pädagogen gesucht. Schon jetzt kann Brandenburg den Lehrermangel nur kompensieren, weil Seiteneinsteiger aus anderen Berufen eingestellt werden.

© Martin Schutt/dpa

Bildung: Angehende Lehrer in Brandenburg müssen einiges beachten

In die Klassen, fertig, los? Brandenburg will gegen Pädagogenmangel vorgehen. Was angehende Lehrer wissen müssen – ein Überblick.

Potsdam - Nach Jahren des Lehrerüberhangs nach der Wende fehlen in Brandenburg nun seit Jahren Pädagogen, vor allem in den ländlichen Regionen. Die Zahl der Lehramtsstudienplätze an der Universität Potsdam soll deshalb von 650 auf 1000 pro Jahr ausgebaut werden. Doch lohnt sich ein Lehramtsstudium in Brandenburg überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Welcher Fächer sind besonders gefragt?

Vor allem in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sowie an den Grundschulen und den Oberschulen der Sekundarstufe I werden nach Angaben von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) Lehrer gebraucht. In den Naturwissenschaften würden die Studienplätze meist nicht voll ausgeschöpft, erklärt der Vizepräsident der Universität Potsdam, Andreas Musil. Um die Attraktivität für diese Fächer zu steigern, sollen ein Innovationsstudiengang Mathematik/Physik aufgebaut und Lehramtsstudenten in speziellen Veranstaltungen ohne die Fachstudenten betreut werden. Anders die Lage in den Geisteswissenschaften: Für Fächer wie Deutsch und Geschichte gebe es derzeit sieben- bis achtmal so viele Bewerber wie Studienplätze. Ebenfalls gut nachgefragt sei das Fach Wirtschaft, Arbeit, Technik (WAT), so Musil. Für Sprachen wie Russisch und Polnisch fehlten hingegen Studenten – und dementsprechend auch Lehrer.

Werden jetzt keine Seiteneinsteiger mehr gebraucht?

Doch, da es etwa sechs Jahre dauern wird, bis die ersten neuen Studienanfänger unterrichten können, werden weiterhin Seiteneinsteiger gebraucht, erklärt Ministerin Ernst. Unter den 1114 unbefristeten zum aktuellen Schuljahr neu eingestellten Lehrern waren 26 Prozent Quereinsteiger. Das Land will die Qualifikation der Pädagogen aus anderen Berufen weiter verbessern und zahlt ausgebildeten Lehrern, die Seiteneinsteiger an ihrer Schule betreuen, Zuschläge.

Sind die Potsdamer Hochschulabsolventen verpflichtet, anschließend auch in Brandenburg zu unterrichten?

Nein, die ausgebildeten Lehrer können sich auch in einem anderen Bundesland bewerben. Genaue Zahlen über die Abwanderer gibt es nicht, aber in der Vergangenheit haben einige Brandenburger Absolventen in anderen Bundesländern einen Job angetreten – entweder, weil dort die Bezahlung besser war, oder weil für viele ein Leben in Berlin attraktiver scheint als eines in der Prignitz. Der Versuch des Landes, Lehrer mit einer Landlehrerprämie in berlinferne Regionen zu locken, hat nichts gebracht. Mit der Verbesserung der Bezahlung für Grundschullehrer und schneller Verbeamtung versucht Brandenburg im Wettbewerb der Länder um Lehrkräfte zu bestehen.

Wusste das Land nicht schon früher, dass es Lehrer brauchen wird?

Doch, das ist das, was Opposition und Lehrerverbände scharf kritisieren: Das Land habe nicht vorausschauend geplant. Die Bedarfsanlayse sei kompliziert, erklären hingegen Bildungs- und Wissenschaftsministerium – etwa weil man nie genau sagen könne, wie viele Studenten ein Lehramtsstudium beginnen, wie viele es beenden und dann tatsächlich in Brandenburg bleiben. Manche Probleme waren aber tatsächlich hausgemacht: Die Kunstlehrerausbildung hatte Brandenburg schon vor Jahren abgewickelt, die Berliner Universität der Künste (UdK) sollte die Fachlehrer für das Nachbarland mit ausbilden. „Die Kooperation mit Berlin hat sich nicht bewährt“, räumt Andreas Musil nun ein. Denn: Die Kapazitäten der UdK reichen nicht einmal für die Deckung des Berliner Bedarfs an Kunstlehrern. Bis 2020 werden in Brandenburg jährlich 60 bis 80 Fachlehrer für Kunst gebraucht, schätzt das Bildungsministerium. Deswegen wird die Kunstausbildung nun wieder selbst übernommen.

Ähnliches gilt bei der Sonderpädagogik: Brandenburg hat sich zwar seit Jahren Inklusion, den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Förderbedarf auf die Fahnen geschrieben, aber keine Studienangebote für Sonderpädagogen bereitgehalten. Auch da wird nun nachgesteuert.

Ist für die zusätzlichen Studenten überhaupt Platz in Potsdam?

Nicht wirklich. Der Ausbau des Lehramtsstudiums bringt die Universität Potsdam an Kapazitätsgrenzen. Am Unistandort Golm soll deshalb ein zentrales Gebäude für die Lehrerbildung entstehen. Dafür stellt das Land 44 Millionen Euro bereit, so Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD). Bis das Gebäude in ein paar Jahren steht, lernen angehende Lehrer in Containern. Ob sie in Potsdam ein bezahlbares Zimmer finden, steht auf einem anderen Blatt. Ebenfalls in Golm entsteht derzeit ein neues Studentenwohnheim mit 308 Betten, das zu Beginn des Wintersemesters 2019/20 bezugsfertig sein soll.

Warum kritisieren Dozenten und Studenten den Ausbau des Lehramtsstudiums?

An der Uni regt sich bei einem Teil der Dozenten Unmut gegen den Ausbau des Lehramtsstudiums, weil in Folge dessen das sogenannte Stundendeputat für Lehrende (außer Professoren) von acht auf 18 Semesterwochenstunden erhöht werden soll – was weniger Zeit für die Vorbereitung bedeuten würde. Befürchtet wird „eine gezielte Entwertung fachwissenschaftlicher universitärer Lehre“, wie es in einem offenen Brief der Philosophischen Fakultät an die Hochschulleitung sowie die Ministerinnen Ernst und Münch heißt. Zudem läuft eine Onlinepetition zu dem Thema. Am Freitag plant die Studierendenvertretung Asta um 12 Uhr am Campus Neues Palais eine Demo gegen die Erhöhung der Lehrstunden und „das damit einhergehende sinkende Niveau unseres Studiums“, wie es in einem Twitter-Aufruf heißt.

„Wir teilen die Befürchtungen nicht“, so Andreas Musil. 18 Semesterwochenstunden Lehre seien nicht zu hoch. Der Ausbau des Lehramts werde durch ausreichend Personal flankiert. Mehr als 20 zusätzliche Professoren für die Lehrerbildung, mehr als 100 wissenschaftliche und rund 20 nicht-akademische Mitarbeiter sollen eingestellt werden.

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