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14 Monaten zur Bewährung. Linke-Politiker Peer Jürgens, hier mit seiner Anwältin Marlen Block, hat letztlich nicht nur sich selbst geschadet, sondern auch seiner Partei. Das findet etwa Fraktionschef Ralf Christoffers.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Bewährungsstrafe für Jürgens

Das Urteil gegen den Linke-Politiker hat Folgen für die gesamte Landespartei. Es gibt Fälle vom Referenten bis zu einem Minister, die es mit der sozialen Gerechtigkeit nicht so genau nahmen

Potsdam - Das Urteil des Potsdamer Amtsgerichts gegen den Brandenburger Linke-Politiker Peer Jürgens fällt vernichtend aus. Für die Partei ist es ein Imageschaden mehr. Gewerbsmäßiger Betrug mit Steuergeldern und Fälschung einer Kreistagswahl bringen dem 36-Jährigen eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten ein – immerhin zur Bewährung. „Sie haben gegenüber der Landtagsverwaltung bewusst und vorsätzlich falsche Angaben gemacht“, bescheinigt die Vorsitzende Richterin Constanze Rammoser-Bode dem früheren Landtagsabgeordneten.

„Das ist als gewählter Abgeordneter ein großer Vertrauensbruch gegenüber den Bürgern – ein Landtagsabgeordneter hat Vorbildfunktion!“ Auch für die Landespartei ist das Verhalten von Jürgens verheerend, räumt Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers nach dem Urteil ein.

„Ein Abgeordneter muss sozial korrekt mit Steuergeldern umgehen“, stellt Christoffers klar. „Das schadet der Partei, gar keine Frage“, lautet sein nüchternes Fazit. Ob die Fraktion den 36-Jährigen als bildungspolitischen Referenten weiterbeschäftigt, will Christoffers jedoch erst entscheiden, wenn das Urteil rechtskräftig vorliegt.

Jürgens habe über die gesamten zehn Jahre als Mandatsträger von 2004 bis 2014 seine Privilegien zum eigenen Vorteil missbraucht, urteilte das Gericht. Der Abgeordnete hatte erst die elterliche Wohnung in Erkner und dann eine Adresse in Beeskow (Oder-Spree) angegeben und entsprechend hohe Fahrtkosten kassiert. Laut Urteil hatte er aber tatsächlich zunächst in Berlin und dann in Potsdam gewohnt.

Zudem meldete er angebliche Zweitwohnungen an und kassierte weitere Zuschüsse. Einmal meldete Jürgens sogar eine Wohnung an der Adresse eines Mitarbeiters an, der davon gar nichts wusste. Immerhin knapp 87 000 Euro sollen so zusammengekommen sein. Mit 29 Jahren konnte sich Jürgens dann schon eine Eigentumswohnung im begehrten Potsdamer Stadtteil Babelsberg leisten.

Bei der Kreistagswahl in Oder-Spree hätte Jürgens im Mai 2014 gar nicht antreten dürfen – weil er in dem Landkreis nicht den erforderlichen Hauptwohnsitz hatte. Dieses Mandat hat Jürgens auch bereits aufgegeben.

Der Partei droht weiteres Ungemach: Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit knapp zwei Jahren auch gegen den ehemaligen Linke-Landtagsabgeordneten Torsten Krause. Es geht um den Verdacht, dass der 35-Jährige ebenfalls mit einem Scheinwohnsitz im uckermärkischen Lychen über Jahre hinweg Fahrtkostenzuschüsse erschlichen haben könnte. In diesem Fall steht eine Schadenssumme von 70 000 Euro im Raum. Krause war wie Jürgens zehn Jahre lang Landtagsabgeordneter und ist derzeit Büroleiter von Sozialministerin Diana Golze (Linke).

Auch der Brandenburger Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller bereitete der Parteiführung unlängst Unbehagen. Der 31-Jährige wurde im vergangenen Herbst von der eigenen Fraktion gerügt, weil er unverhältnismäßig oft den Fahrdienst des Bundestages nutzte, auch für private Zwecke – in einem Fall etwa, weil er nach eigenen Angaben sonst einen weiterführenden Zug verpasst hätte.

Und Justizminister Stefan Ludwig (Linke) hatte einer Minijobberin in seinem Wahlkreisbüro hartnäckig ihren ausstehenden Lohn verweigert. Ludwig lenkte erst dann kleinlaut ein, als sein Rücktritt schon fast unvermeidlich schien. Dabei hatte schon sein Vorgänger und Parteifreund Helmuth Markov im Frühjahr vergangenen Jahres sein Amt wegen einer Dienstwagenaffäre aufgeben müssen.

Landesparteichef Christian Görke ist angesichts der Flut der Skandale in Zeiten sinkender Umfragewerte nicht zu beneiden. Und es sind ausgerechnet hauptsächlich jüngere Vertreter der sichtlich alternden Partei Die Linke, die deren Markenkern beim Wähler in Brandenburg in Misskredit bringen: Die soziale Gerechtigkeit.

Klaus Peters

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