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Betrugsprozess gegen Linke-Politiker in Brandenburg: „Ich weiß nicht genau, wo Peer Jürgens wohnte“

Der ehemalige Abgeordnete der Linken, Peer Jürgens, soll den Landtag Brandenburg um 87.000 Euro betrogen haben. Die Grünen-Politikerin Niels hatte ihren früheren Parlamentskollegen angezeigt, doch im bizarren Prozess kann sie nun nicht viel beitragen.

Potsdam - Der Betrugsprozess gegen den früheren Linke-Landtagsabgeordneten Peer Jürgens hat bizarre Züge angenommen: Die Anschuldigungen der Hauptbelastungszeugin, der früheren Landtagsabgeordneten Sabine Niels (Grüne), ließen sich bei ihrer Aussage am Dienstag vor dem Potsdamer Amtsgericht nicht erhärten. Zudem ist weitere Polit-Prominenz in den Fall verwickelt. Niels erklärte, sie habe 2012 erstmals gemeinsam mit dem Abgeordneten Henryk Wichmann von der CDU die anonyme Anzeige gegen Jürgens und den damaligen Linke-Abgeordneten Torsten Krause, heute Büroleiter von Sozialministerin Diana Golze (Linke), erstattet. Wichmann sei mit Hinweisen beteiligt gewesen, der jedoch widersprach auf PNN-Anfrage: Er habe keine anonyme Anzeige erstattet.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Potsdam das Verfahren zunächst eingestellt hatte, suchte Sabine Niels nach eigenen Angaben offensiv und persönlich Rat bei Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg. Der soll ihr geraten haben, namentlich Anzeige zu erstatten.

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Nach einem Anruf bei der Staatsanwaltschaft Potsdam im März 2014 erhielt sie binnen weniger Stunden einen Termin. Die Anzeige brachte die Ermittlungen gegen Jürgens und Krause in Gang, es folgten Hausdurchsuchungen bei Jürgens, die später vom Landgericht Potsdam für unrechtmäßig erklärt wurden.

Vorwurf: Gewerbsmäßiger Betrug und Wahlfälschung

Im Herbst 2015 wurde Anklage gegen den 36-jährigen Jürgens erhoben, seit Mitte Oktober wird die nun vor dem Amtsgericht Potsdam verhandelt. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wirft ihm gewerbsmäßigen Betrug vor. Er soll sich von 2004 bis 2014 mit falschen Angaben zu seinem Wohnsitz Fahrkosten und Mietzuschüsse vom Landtag in Höhe von 87 000 Euro erschlichen haben. Zudem soll er bei der Kreistagswahl in Oder-Spree Wahlbetrug begangen haben, weil er in dem Landkreis gar nicht seinen Hauptwohnsitz gehabt haben soll. Statt wie dem Landtag gemeldet bis 2011 in Erkner und dann in Beeskow, soll Jürgens nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zunächst in Berlin und dann in Potsdam erst in einer Miet-, später in einer Eigentumswohnung gelebt haben.

Faktisch hat Jürgens einen kleinen Teil der Vorwürfe eingeräumt. Er zahlte 7400 Euro für Mietzuschüsse für eine Zweitwohnung in Potsdam für die Zeit von 2009 bis Anfang 2012 an den Landtag zurück. Er bezog die Zuschüsse für eine Mietwohnung, obwohl er dort nicht mehr lebte, sondern in einer Eigentumswohnung. Niels wiederum musste am Dienstag vor dem Amtsgericht einräumen, dass die Aussagen in ihrer Anzeige von 2014 auf Gesprächen mit zwölf Personen, vor allem Linke-Genossen, beruhten. Dabei sei es darum gegangen, dass Jürgens nicht in Erkner oder Beeskow, sondern in Potsdam wohnte. Nach mehrfachen Nachfragen der Staatsanwältin musste Niels aber einräumen: „Ich kann meines Erachtens nichts Tragfähiges dazu sagen. Das waren immer nur Vermutungen, aber von ganz vielen Leuten.“ Und: „Ich weiß nicht genau, wo Peer Jürgens damals gewohnt hat.“ Der Verteidiger von Jürgens, Anwalt Norman Lenz, forderte die Staatsanwaltschaft danach auf, Ermittlungen wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen die 43-Jährige einzuleiten. Andernfalls werde die Verteidigung Anzeige erstatten.

Peer Jürgens wurde nicht klar belastet

Ansonsten sagten mehrere frühere Nachbarn aus Erkner und Potsdam aus. Klar belastet wurde Jürgens dabei – wie schon an den anderen Verhandlungstagen – nicht. Zudem sah sich die Staatsanwaltschaft gezwungen, einem möglichen Beweisverwertungsverbot entgegenzutreten. Konkret geht es um zwei Zeugen, einen Kriminalbeamten und einen früheren Mitarbeiter von Jürgens, die 2014 bei den Durchsuchungen von Jürgens’ Wohnungen in Beeskow und Potsdam dabei waren. Sie stehen auf der Zeugenliste, ob das Amtsgericht sie hört, ist unklar. Die Verteidigung geht davon aus, dass sie nicht gehört werden können, die Beweise nicht zu bewerten sind, nachdem das Landgericht 2014 die Razzia für rechtswidrig und unverhältnismäßig erklärt hatte. Die Staatsanwältin erklärte nun, die Entscheidung des Landgerichts leide an schweren Mängeln. Das Interesse an der Aufklärung einer schweren Straftat habe Vorrang.

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