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Die Kitagruppen sind in Brandenburg teils zu groß.

© Jens Büttner/dpa

Update

Brandenburgs Kitas: Lange Betreuungszeiten, wenig Personal

In den vergangenen Jahren hat Brandenburg einige Anstrengungen unternommen, um die Qualität der Kitas zu verbessern. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Betreuung trotzdem in einigen Einrichtungen noch nicht kindgerecht.

Potsdam - Viele Kitas in Brandenburg können ihren Bildungsauftrag aufgrund unzureichender Rahmenbedingungen nicht oder nur eingeschränkt umsetzen - trotz des Ausbaus der Kitaplätze und der Investition in zusätzliches Personal in den vergangenen Jahren. Zu dem Schluss kommt die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh in ihrem am Dienstag veröffentlichten "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2020". 

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Am Studienstichtag 1. März 2019 sei der Personalschlüssel in Brandenburg für rund 72.900 Kitakinder nicht kindgerecht gewesen, konstatiert die Stiftung. Für 91 Prozent der Kinder in amtlich erfassten Kitagruppen habe nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung gestanden. "Zu große Gruppen bedeuten für die Kinder und das Fachpersonal übermäßigen Stress, etwa durch Lautstärke, und können dazu führen, dass entwicklungsangemessene Aktivitäten nicht ausreichend durchgeführt werden", schreiben die Autoren der Studie.

Dabei hat sich Brandenburg beim Personalschlüssel verbessert - aber aus Sicht der Bildungsforscher noch nicht ausreichend. 2019 kam demnach in Krippengruppen für Kinder von 0 bis 3 rein rechnerisch eine Fachkraft auf 5,5 Kinder. In Kindergartengruppen waren es 10,4 Kinder. Sechs Jahre zuvor lag  in den Krippen der Personalschlüssel bei 1 zu 6,5, im Kindergarten bei 1 zu 11,5. Diese Verbesserungen nennt Bertelsmann "in dem Beobachtungszeitraum bundesweit herausragend", nur Sachsen-Anhalt habe ähnliche Verbesserungen erzielt - dennoch sei Brandenburg weit entfernt von einem kindgerechten Betreuungsverhältnis. Bertelsmann empfiehlt ein Verhältnis von 1 zu 3 in Krippengruppen und 1 zu 7,5 bei den älteren Kindern bis zur Einschulung. 

Unterschiede zwischen den Regionen 

Gerade für die älteren Kinder hingen in Brandenburg die Bildungschancen vom Wohnort ab, heißt es in der Studie. So ist in Cottbus (1 zu 11,7) eine Fachkraft rein rechnerisch für 2,6 Kindergartenkinder mehr verantwortlich als im Landkreis Ostprignitz-Ruppin (1 zu 9,1). In Potsdam liegt das Betreuungsverhältnis im Kindergarten bei 1 zu 9,7. Berlin schneidet mit einem Verhältnis von 1 zu 8,4 besser ab als alle Brandenburger Landkreise und kreisfreien Städte. 

Jüngste Verbesserungen berücksichtigt die Studie noch nicht 

Das Brandenburger Bildungsministerium betont, dass die jüngsten Verbesserungen nicht in die Studie eingegangen sind. Seit 1. August 2020 gilt für Kinder im Kindergartenalter ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 10, vorher lag er bei 1 zu elf. Für das dafür nötige Personal wendet das Land in diesem Jahr 40 Millionen Euro auf. Zur Schaffung neuer Kita-Plätze in Brandenburg habe das Land – zusätzlich zu den bestehenden Förderprogrammen – mit Mitteln des Bundes ein Investitionsprogramm im Umfang von 28 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Kommunale und freie Träger können ab 1. November 2020 Anträge bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) stellen. „Brandenburg wächst, insbesondere in den größeren Städten und rund um Berlin. Weiterhin zieht es immer mehr junge Familien ins Grüne und immer mehr Kinder werden geboren. Das sind gute Nachrichten", so Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).  Der Bund und das Land unterstützen die Träger bei ihrer Aufgabe, ausreichend Kitaplätze zu schaffen. Für die Umsetzung des Bundeskonjunkturprogrammes sei eine neue Förderrichtlinie kurzfristig auf den Weg gebracht worden, die nun möglichst unbürokratisch umgesetzt werden soll. "Damit soll die Schaffung von rund 2500 Betreuungsplätzen unterstützt werden."

Unklar ist allerdings, ob die im Kenia-Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele, die Personalbemessungsschlüssel für die Kindertagesstätten weiter zu verbessern und die Elternbeitragsfreiheit auszuweiten, angesichts der Coronakrise in der Form und in dem Tempo umzusetzen ist. Im Koalitionsvertrag sei auch als ein zentrales Anliegen verankert, die Vorgaben der Schuldenbremse und ausgeglichene Haushalte für die gesamte Legislaturperiode sowie eine Verstetigung der Investitionsquote anzustreben, so Ministeriumssprecherin Ulrike Grönefeld. "Dementsprechend wurde die Verwirklichung der im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen unter dem Vorbehalt ihrer Finanzierbarkeit gestellt", so Grönefeld.  Es sei geplant, dass das Kabinett im September über den Haushaltsentwurf entscheidet.

Elternbeirat fordert Einhaltung des Koalitionsvertrags 

Die Kita-Ziele im Koalitionsvertrag müssten eingehalten werden, fordert Danilo Fischbach, Sprecher des Landeskitaelternbeirates. Die Befunde der Bertelsmann-Studie deckten sich mit den Forderungen, die Eltern seit Jahren erheben. Der Bildungsschlüssel müsse erhöht werden, Urlaub, Fortbildung und Krankheit in die Berechnung des Personalbedarfs einbezogen werden. "Es reicht nicht, wenn das Land Geld ins System gibt und am Ende nicht kontrolliert, dass damit wirklich mehr Erzieher in den Kitas ankommen", so Fischbach. 

Träger leiden unter der Coronakrise

Mit dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ lege die Bertelsmann-Stiftung den Finger in die Wunde, heißt es auch von Seiten der Kita-Träger: Die Bedingungen für die frühe Bildung seien vielerorts immer noch unzureichend und die Gruppengrößen nicht kindgerecht.

„Diesen Eindruck können wir aus der Praxis nur bestätigen“, so Stephan Keitel, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates der Fröbel-Gruppe, die in Brandenburg 36 Kitas betreibt. „Pädagogische Fachkräfte arbeiten vielerorts so schon am Limit oder darüber hinaus. Durch Corona kommen nun Aufgaben hinzu – so werden die Hygieneauflagen unsere Teams auch in Zukunft zusätzlich belasten, während wir für viele Kinder drei Monate fehlende Sprachförderung im ersten Halbjahr auffangen müssen.“

Nach wie vor sei es eine große Herausforderung, gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte am Arbeitsmarkt zu finden, ergänzt Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker. "Andererseits suchen aktuell immer mehr Menschen einen zukunftssicheren Arbeitsplatz, und unsere Kinder brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel – das muss man zusammenbringen.“  Fröbel fordert deshalb einen Arbeitsmarktgipfel von Bund und Ländern, um dieses Thema systematisch anzugehen. 

Lange Betreuungszeiten

Kinder in Brandenburg werden länger in der Kita betreut als Gleichaltrige in anderen Bundesländern. Laut Bertelsmann wird in Brandenburg der größte Teil der Kinder mehr als 35 und bis zu 45 Stunden pro Woche betreut. Bei den Krippenkinder sind es 37, bei den Kindern ab drei Jahren 35 Prozent. Diese Werte liegen deutlich über dem Bundesschnitt mit 19 und 17 Prozent. In der Kindertagespflege ist der Anteil in Brandenburg sogar noch größer. 43 Prozent der Kleinkinder und 39 Prozent der Älteren werden bis zu 45 Stunden pro Woche einer Tagesmutter anvertraut. 2018 hatten Eltern und Kitaträger unter anderem mit einer Demonstration vor dem Landtag dafür gekämpft, dass das Land längere Betreuungszeiten in den Kitas finanziert. Das Land hat reagiert und Bundesmittel aus dem Gute-Kita-Gesetz eingesetzt, um längeren Betreuungsbedarf mit mehr Personal abzufedern. 

Erzieher in Brandenburg gut ausgebildet 

Was die Qualifizierung der Erzieher angeht, steht Brandenburg laut Bertelsmann im bundesweiten Vergleich gut da. Brandenburg ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil an pädagogischem Personal (ohne Horte) mit einem einschlägigen Fachabschluss, etwa zum Erzieher. 88 Prozent des Kitapersonals in der Mark können so einen Abschluss verweisen, im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer sind es nur 66 Prozent. Drei Prozent der 17.360 pädagogischen Kitakräfte besitzen einen fachlich einschlägigen Hochschulabschluss. Lediglich ein Prozent der Mitarbeiter in der Kinderbetreuung hat keinen Abschluss.  Allerdings - so die Prognose, die in der Studie nicht erwähnt wird - werden wie in den Schulen auch in den Kitas mehr und mehr Seiteneinsteiger qualifiziert werden müssen, um den Personalbedarf decken zu können. 

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