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Dünn besetzt. Zur Kontrolle von Heimen und Kliniken fehlt dem Gesundheitsdienst bisweilen das Personal.

© T. Koehler/Imago

Brandenburg: Berlins Gesundheitsämter in Not

Keine Zeit für Infektionsschutz und Hygienekontrollen: Mehr als 500 medizinische Stellen unbesetzt

Berlin - Während in diesen feuchtkalten Tagen das Fieber grassiert, Infektionen mit Noro- und Grippeviren zunehmen und das Robert-Koch-Institut auch noch vor Verharmlosung der Masern warnt, scheint sich in Berlin die Personalnot der Gesundheitsämter zu verschärfen. Mitarbeiter fehlen dort zwar seit Jahren, nun steigen die Anforderungen noch. Nach wie vor nimmt die Zahl der Obdachlosen, Flüchtlinge und Unversicherten eher zu als ab. Auch der allgemeine Zuzug von bis zu 100 Männern, Frauen und Kindern pro Tag belastet den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) der Bezirke.

Der ÖGD ist für Hygieneregeln und Schuluntersuchungen zuständig. Er kümmert sich um Impfungen, Familienberatungen und psychiatrische Gutachten, wenn entschieden wird, ob jemand in eine Anstalt eingewiesen wird. „Es gibt Fälle, da kann der Förderbedarf von Schulkindern nicht ausreichend begutachtet werden, weil Personal fehlt“, sagte Claudia Kaufhold vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes am Montag auf einer Pressekonferenz. „Auch Hygienekontrollen werden nicht immer geschafft.“ Kaufhold war bis 2015 Leiterin des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf. Ihre früheren Kollegen weisen darauf hin, dass seit Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes im Juli 2017 sich potenziell jede Sexarbeiterin und jeder Sexarbeiter durch die Gesundheitsämter hätte beraten lassen können – bei geschätzt 10 000 Prostituierten völlig illusorisch, heißt es aus den Bezirken.

Vielleicht hat da Peter Bobbert Recht, als er am Montag die Stimme hebt. „Wären die Gesundheitsämter einfach Krankenhäuser“, sagte Bobbert, „würden wir streiken und hätten in einer Woche eine Lösung.“ Er ist Internist und Landeschef der Ärztevertretung Marburger Bund. „Aber“, fährt Bobbert fort, „in den Ämtern fehlen schon so viele Leute: Wer soll da noch streiken?“ Zudem sei man sich der Verantwortung bewusst, denn legten die Angestellten – ein Drittel der Ärzte im Amt sind Beamte – die Arbeit nieder, bräche die Versorgung zusammen.

Werden die rund 2000 Vollzeitstellen aus der mittelfristigen Senatsplanung zugrunde gelegt, sind derzeit mehr als 500 unbesetzt. In jedem Fall müssten 55 Stellen neu mit Fachärzten besetzt werden. Wie berichtet führt der Marburger Bund die Gehälter in den Ämtern als Grund für fehlende Bewerber an. Berlin entlohnt die Angestellten der Bezirke analog zu den Beschlüssen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder – und die sieht keine spezifischen Arzttarife vor. Sie sind politisch nicht gewollt. Der Marburger Bund hatte den Senat zuvor zu Tarifverhandlungen aufgefordert, damit die bezirklichen Mediziner künftig nach dem Tarifvertrag der Klinikärzte bezahlt werden.

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) kündigte an, über Zulagen die Gehaltslücke schließen zu wollen. Die Forderungen der Ärzte seien berechtigt. „Bis wir die anderen Bundesländer überzeugt haben“, sagte Kolat, „werden wir in Berlin einen eigenen Weg gehen und die Gehaltslücke durch Zulagen schließen.“ Derzeit werde mit der Finanzverwaltung eine Handreichung für die Bezirke erarbeitet, wie Zulagen umgesetzt werden können. In einem Senatskonzept von September 2017 heißt es: Für die nächsten Jahre werde „eine hohe Flexibilität hinsichtlich des Personals erforderlich sein“, es bedarf „erheblicher Anstrengungen“, um alle Leistungen zu erbringen.Hannes Heine

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