zum Hauptinhalt
Der Fotograf Paul Green hat die Burlesque-Szene Berlins dokumentiert.

© Paul Green: Berlin Burlesque (Jaron Verlag)

Berlins Burlesque-Szene: Ein bisschen Haut muss sein

Stilvoll ausziehen, geht das? Selbstverständlich! Der australische Fotograf Paul Green hat drei Jahre lang Berlins Burlesque-Szene begleitet und in Momentaufnahmen festgehalten.

Wenn junge Menschen heute erzählen, dass sie unbedingt nach Berlin kommen mussten, weil sie einen ganz bestimmten Film gesehen haben, dann handelt es sich oft um Paul Kalkbrenners Techno-Epos „Berlin Calling“. Bei Paul Green, einem frustrierten Werbefotografen aus Sydney, war das ausnahmsweise anders: Er schaute „Cabaret“, mit Liza Minnelli als Tänzerin im erotischen Nummernkabarett, Anfang der 1930er in Berlin. Reizvolle Stadt, dachte er sich. Und: Wer will schon ewig Werbefotograf sein?! Also los.

Unbemerkt von der Masse feierte die "Neo-Burlesque"-Szene

Was Paul Green hier vorfand, übertraf seine Erwartungen. Unbemerkt von der Masse, abseits der üblichen Clubs feiert in Berlin eine umtriebige, schnell wachsende Szene die sogenannte „Neo-Burlesque“, den halb erotischen, halb humorvollen Glamourtanz, wie er lange in Berlin zelebriert wurde, bevor die Nazis ihn verboten. Die Tänzerinnen tragen Vintagekostüme mit langen Handschuhen, Straußenfedern, pompösen Frisuren. Burlesque ist die kultivierte Großmutter des Striptease, heißt es.

Paul Green hat diese Szene porträtiert, drei Jahre lang hat er Shows besucht und in Momentaufnahmen festgehalten. Eine Auswahl seiner vielen hundert Fotos hat er nun als Bildband veröffentlicht.

Die Posen der Tänzerinnen wechseln darin mit jeder Seite, von lasziv zu schrill zu geheimnisvoll zu hochgradig albern. Ja, es wird viel Haut gezeigt. Und nein, es wird nie obszön: Bei der Burlesque bleiben, nur mal als Beispiel, die Brustwarzen bedeckt – meist von etwas irrsinnig Glitzerndem. Paul Greens Bilder sind allesamt jugendfrei. Wenn man von der verstörenden Aufnahme absieht, auf der sich ein glatzköpfiger Künstler einen Nagel ins Nasenloch zu schieben scheint. Ein wenig Freakshow gehört auch dazu.

Für seine Aufnahmen verzichtete Paul Green auf Fotolicht

Green ist den Tänzerinnen nahe gekommen und hat Details eingefangen: Konfetti in den Haaren, Schweißtropfen auf der Haut, Lippenstiftglanz. Um nicht zu sehr abzulenken, verzichtete der Fotograf grundsätzlich auf Blitzlicht, und auch sonst versuchte er, bei der Motivsuche möglichst wenig aufzufallen. Wie ein Geist sei er geschlichen, sagt er.

Am intimsten sind jedoch die Bilder geworden, die Paul Green gegen Ende seines Bandes zeigt: Da durfte er hinter die Bühne und Tänzerinnen beim Schminken beobachten, beim Haargeraderücken, beim Warten vor dem Auftritt.

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe regelmäßiger Burlesque-Veranstaltungen in der Stadt, wer hin will: an diesem Sonnabend um 20.30 Uhr in der Primitiv-Bar in Friedrichshain. Und es gibt das jährliche „Berlin Burlesque Festival“, organisiert von der Tänzerin Marlene von Steenvag. Im vergangenen September haben sie an zwei Abenden hintereinander den Wintergarten ausverkauft.

Paul Green hat jetzt übrigens abgeschlossen mit Burlesque. Er glaubt, er habe das Thema durch. Was aber nicht heißt, dass er Berlin verlässt, im Gegenteil. Mit Freunden hat er gerade eine Modelagentur eröffnet: Die heißt „Weareunlikeyou“, wir sind nicht wie ihr, und vertritt Volltätöwierte, Nasenringträger, grotesk Überschminkte. Ist gut angelaufen, sagt Paul Green, und man gönnt es ihm ja. Aber eigentlich will man ihm raten: Hör auf mit dem Agenturquatsch und mach mit diesen Typen einen Bildband!

Zur Startseite